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Foto: Jan Woitas/dpa-Zentralbild/ZB

Das VG Gera fällt seit Jahren mit exorbitant hohen Abweisungsquoten auf. Seine Richter halten Kontakte zur AfD und fällen regelmäßig Entscheidungen zu Gunsten rechter Aufmärsche. Einer wurde jüngst zahlreicher rassistischer Äußerungen überführt. Die Causa wirft ein Schlaglicht auf die Missbrauchsanfälligkeit des Sonderprozessrechts im Asylbereich.

Gera­er Ver­wal­tungs­rich­ter fal­len seit vie­len Jah­ren dadurch auf, dass sie Kla­gen Schutz­su­chen­der in einer mas­siv über dem Bun­des­durch­schnitt lie­gen­den Wei­se abweisen.

Wie gra­vie­rend die­se Abwei­chun­gen sind, hat die Ant­wort auf eine Klei­ne Anfra­ge der Lin­ken aus dem Jahr 2023 zuta­ge gebracht. Die Klei­ne Anfra­ge befass­te sich u.a. mit erheb­li­chen Abwei­chun­gen ver­wal­tungs­ge­richt­li­cher Asy­l­ent­schei­dun­gen vom Bun­des­durch­schnitt. Dabei wur­de auf die Recht­spre­chung des Ver­wal­tungs­ge­richts (VG) Gera ein ganz beson­de­res Augen­merk gelegt, da die­ses bereits zum dama­li­gen Zeit­punkt durch sei­ne nega­ti­ve Ent­schei­dungs­pra­xis auf­ge­fal­len war. PRO ASYL hat die uns vor­lie­gen­den Ent­schei­dun­gen des VG Gera ana­ly­siert und es zeigt sich, dass die Rich­ter geschickt und (ver­mut­lich) gezielt die Ein­schrän­kun­gen des Asyl­pro­zess­rechts nut­zen, um Men­schen Schutz zu verweigern.

Negativentscheidungen zuungunsten Geflüchteter weit über dem Bundesdurchschnitt

Die Ant­wort auf die Klei­ne Anfra­ge weist alar­mie­ren­de Zah­len auf (S. 76 ff.). Hier eini­ge Beispiele:

Bei Dub­lin-Ent­schei­dun­gen in Bezug auf Ita­li­en, bei denen es dar­um geht, ob das Asyl­ver­fah­ren in Deutsch­land oder Ita­li­en durch­zu­füh­ren ist und die Betrof­fe­nen in die­sem Fall nach Ita­li­en abge­scho­ben wer­den dür­fen, lag die Erfolgs­quo­te zwi­schen 2015 und 2021 beim VG Gera bei nur 0,4 Pro­zent gegen­über 31,4 Pro­zent der bun­des­durch­schnitt­li­chen Ent­schei­dungs­pra­xis der Ver­wal­tungs­ge­rich­te im sel­ben Zeit­raum. Die hohe Erfolgs­quo­te im Bun­des­durch­schnitt war dem Umstand geschul­det, dass zahl­rei­che Ver­wal­tungs­ge­rich­te davon aus­gin­gen, dass in Ita­li­en erheb­li­che Män­gel bei der Ver­sor­gung Geflüch­te­ter herrsch­ten, die – zumin­dest bei beson­ders Schutz­be­dürf­ti­gen wie etwa allein­ste­hen­den Frau­en oder Fami­li­en mit klei­nen Kin­dern – eine Abschie­bung nach Ita­li­en aus­schlos­sen. Dem­ge­gen­über lehn­ten die Rich­ter des VG Gera selbst bei die­sen Per­so­nen­grup­pen Rechts­mit­tel gegen dro­hen­de Dub­lin-Abschie­bun­gen ab.

Sol­che Abwei­chun­gen kön­nen nicht mit beson­de­ren Fall­kon­stel­la­tio­nen oder ähn­li­chen Begrün­dun­gen abge­wie­gelt werden.

In Bezug auf Dub­lin-Ent­schei­dun­gen zu Mal­ta – wo ähn­li­che Män­gel in den Auf­nah­me­be­din­gun­gen für Schutz­su­chen­de bestan­den – lag die Erfolgs­quo­te beim VG Gera im gesam­ten Zeit­raum 2015 bis 2017 (bei ins­ges. 14 Ver­fah­ren) bei glat­ten 0 Pro­zent.  Im Bun­des­durch­schnitt lag die Erfolgs­quo­te hier in2015 bei 41 Pro­zent, 2016 bei 66,7 Pro­zent und 2017 bei 55,4 Pro­zent. Sol­che Abwei­chun­gen kön­nen nicht mit beson­de­ren Fall­kon­stel­la­tio­nen oder ähn­li­chen Begrün­dun­gen abge­wie­gelt werden.

Ähn­lich stellt sich die Dis­kre­panz in Bezug auf Ent­schei­dun­gen zu ver­schie­de­nen – vor­wie­gend afri­ka­ni­schen – Her­kunfts­län­dern dar.

So lag bei Eri­trea die Erfolgs­quo­te bei ins­ge­samt 574 Ver­fah­ren im Zeit­raum 2014–2023 bei dem VG Gera bei 3,4 Pro­zent gegen­über 14.329 Ver­fah­ren bun­des­weit bei einer durch­schnitt­li­chen etwa fünf­mal so hohen Erfolgs­quo­te von 15,56 Prozent.

In Bezug auf Äthio­pi­en lag die Erfolgs­quo­te beim VG Gera bei ins­ge­samt 134 Ver­fah­ren im Zeit­raum 2014–2023 bei unter 1,24 Pro­zent gegen­über bun­des­weit dem­ge­gen­über bei 21,28 Pro­zent (in ins­ge­samt 12.086 Verfahren).

Die­se und wei­te­re Zah­len zur Recht­spre­chung des VG Gera aus der Ant­wort der Bun­des­re­gie­rung auf die Klei­ne Anfra­ge der Lin­ken sind in dem Maga­zin Bleib dran des Pro­gramms »WIR – Netz­wer­ke inte­grie­ren Geflüch­te­te in den regio­na­len Arbeits­markt« vom März 2023 gra­fisch auf­be­rei­tet (S. 12 ff. ).

Unangreifbarkeit der Gerichtsentscheidungen auf Grund restriktiven Sonderprozessrechts im Asylbereich

Das per­fi­de an den Ent­schei­dun­gen des VG Gera ist dabei nicht nur, dass sie für die Betrof­fe­nen nega­tiv aus­fal­len, son­dern auch, dass sie so ver­fasst sind, dass man sie mit den ein­ge­schränk­ten Beru­fungs­zu­las­sungs­grün­den des Asyl­pro­zess­rechts nicht angrei­fen kann.

  • 78 Absatz 3 AsylG lässt Beru­fun­gen nur zu, wenn die »Rechts­sa­che grund­sätz­li­che Bedeu­tung« hat, die erst­in­stanz­li­che Ent­schei­dung »von einer Ent­schei­dung des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts, des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts, des Gemein­sa­men Senats der obers­ten Gerichts­hö­fe des Bun­des oder des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts abweicht und auf die­ser Abwei­chung beruht« oder wenn Ver­fah­rens­män­gel, allen vor­an die Ver­let­zung recht­li­chen Gehörs, zu gewär­ti­gen sind. Der in § 124 VwGO für das Ver­wal­tungs­recht im Übri­gen gel­ten­de wich­ti­ge Zulas­sungs­grund der »ernst­li­chen Zwei­fel an der Rich­tig­keit des Urteils« ist in dem begrenz­ten Kata­log der Zulas­sungs­grün­de des § 78 Absatz 3 AsylG dem­ge­gen­über nicht enthalten.

Asylrichter*innen kön­nen sich dies zunut­ze machen und ihre Urtei­le ohne Wei­te­res so for­mu­lie­ren, dass sie einer ober­ver­wal­tungs­ge­richt­li­chen Prü­fung unzu­gäng­lich sind, selbst wenn sie ekla­tant unrich­tig sind. Eine Ana­ly­se von PRO ASYL der Urtei­le des VG Gera zeigt genau die­se Vorgehensweise.

Missbrauchsanfälligkeit des Sonderprozessrechts durch rechtsgerichtete Richter*innen

Nicht nur die hohe Zahl der nega­ti­ven Ent­schei­dun­gen, son­dern auch eini­ge ande­re Fak­to­ren, die aus­führ­lich in einem eige­nen Kapi­tel des Buches »Rech­te Rich­ter« von Joa­chim Wag­ner aus dem Jah­re 2023 und zum Teil auch in einem Arti­kel des MDR beschrie­ben sind, lie­ßen schon seit eini­ger  Zeit ver­mu­ten, dass die dar­ge­stell­te Ent­schei­dungs­pra­xis auf rechts­ge­rich­te­ten aus­län­der­feind­li­chen Res­sen­ti­ments beruht.

Dies gilt zum einen für Kon­tak­te der betref­fen­den Rich­ter zur AfD. So wird in besag­tem Buch aus­ge­führt, dass die frag­li­chen Gera­er Ver­wal­tungs­rich­ter nicht nur regel­mä­ßig in der Gast­stät­te des AfD-Land­tags­ab­ge­ord­ne­ten Die­ter Lau­den­bach zu Mit­tag essen, son­dern dass der Vize­prä­si­dent des Ver­wal­tungs­ge­richts Bengt Fuchs und der Pres­se­spre­cher des Gerichts Bernd Ame­lung auch auf des­sen Wahl­par­tys erschie­nen sind. Dar­über unter­hält Ame­lung laut Wag­ner auf Face­book Freund­schaf­ten mit dem AfD-Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­ten Ste­phan Brand­ner und dem Gera­er Stadt­rats­vor­sit­zen­den Rein­hard Etz­rodt, die bei­de poli­tisch dem Faschis­ten Bernd Höcke nahestehen.

Zum ande­ren sind Rich­ter des Ver­wal­tungs­ge­richts Gera auch mit Recht­spre­chung zuguns­ten rech­ter Ver­samm­lun­gen und Ver­an­stal­tun­gen auf­ge­fal­len. So hat das Gericht bei­spiels­wei­se mit einem Beschluss vom 11.04.2016 der rechts­extre­mis­ti­schen Grup­pie­rung »Thü­gi­da / Wir lie­ben Ost­thü­rin­gen« erlaubt, am 20. April – dem Geburts­tag Adolf Hit­lers – in Jena einen Fackel­zug samt anschlie­ßen­der Kund­ge­bung unter dem Mot­to »Dem lin­ken Ter­ror kei­ne Stadt mehr« durch­zu­füh­ren. Die Stadt Gera woll­te die Ver­samm­lung dabei kei­nes­wegs ver­bie­ten. Sie woll­te ledig­lich errei­chen, dass sie nicht aus­ge­rech­net zu die­sem sym­bol­träch­ti­gen Datum, son­dern einen Tag spä­ter statt­fin­det und hat­te dabei argu­men­tiert: »Der geplan­te Fackel­marsch an die­sem Tag wür­de sich nach sei­nem Gesamt­ge­prä­ge mit den Riten und Sym­bo­len der natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Gewalt­herr­schaft iden­ti­fi­zie­ren und wäre geeig­net, durch Wach­ru­fen der Schre­cken des ver­gan­ge­nen tota­li­tä­ren und unmensch­li­chen Regimes ande­re Bür­ger ein­zu­schüch­tern«. Das VG Gera indes­sen woll­te dies nicht gel­ten las­sen und bestritt, dass das The­ma der Ver­an­stal­tung nur vor­ge­scho­ben war und es in Wahr­heit um eine Ver­an­stal­tung zur Hul­di­gung Adolf Hit­lers ging – und geneh­mig­te die Ver­an­stal­tung. All dies, obwohl der stell­ver­tre­ten­de Anmel­der der Ver­an­stal­tung sogar das Hit­lers Geburts­da­tum auf den Fin­gern täto­wiert hat.

Im August 2023 zwei­fel­te das VG Gera in einer waf­fen­recht­li­chen Ent­schei­dung sogar inzi­dent die Ein­stu­fung des Thü­rin­ger AfD-Lan­des­ver­ban­des als gesi­chert rechts­extrem durch den dor­ti­gen Ver­fas­sungs­schutz an. Hin­ter­grund der Ent­schei­dung war der Ent­zug von Waf­fen und Erlaub­nis­schein eines Thü­rin­ger AfD-Mit­glieds, bei dem sich die Waf­fen­be­hör­de unter ande­rem auf die­se Ein­stu­fung beru­fen hat­te. Doch das VG Gera unter­stell­te dem Ver­fas­sungs­schutz eine »favo­ri­sier­te Aus­le­gungs­va­ri­an­te« – mit ande­ren Wor­ten also eine poli­tisch inten­dier­te Ent­schei­dung. Es zog eini­ge durch den Ver­fas­sungs­schutz aus­ge­leg­te Text­nach­wei­se der Thü­rin­ger AfD her­an und ver­such­te, die­se so aus­zu­le­gen, dass sie aus Sicht des Gerichts nicht mehr als rechts­extrem gele­sen wer­den konn­te. Bei­spiels­wei­se sei deren For­de­rung nach einer deut­li­chen Her­ab­sen­kung des ohne­hin am äußers­ten Exis­tenz­mi­ni­mum lie­gen­den Ver­sor­gungs- und Unter­brin­gungs­stan­dard für Schutz­su­chen­de, die der Ver­fas­sungs­schutz als einen Nach­weis anführt, ledig­lich als eine zuläs­si­ge »kri­ti­sche« Aus­ein­an­der­set­zung des Lan­des­spre­chers mit der Ent­schei­dung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts zum Asyl­be­wer­ber­leis­tungs­ge­setz anzu­se­hen. Daher wäre die­se For­de­rung nicht geeig­net, nach­zu­wei­sen, dass »der gesam­te Lan­des­ver­band der AfD in Wahr­heit bewusst unter Ver­stoß gegen die Maß­ga­ben des Art. 1 GG gefor­dert habe, die staat­li­chen Leis­tun­gen für Asyl­be­wer­ber unter das men­schen­wür­di­ge Exis­tenz­mi­ni­mum abzusenken«.

»Kann das Weib nicht end­lich in ihre Hei­mat zwangs­ver­hei­ra­tet werden?«

Rich­ter Bengt Fuchs, Vize­prä­si­dent des VG Gera

Neue Veröffentlichungen offenbaren blanken Rassismus

Wur­de dort zumin­dest noch ver­sucht, einen Anschein von Rechts­staat­lich­keit zu wah­ren, so wur­de zumin­dest dem Vize­prä­si­den­ten des VG Gera, Rich­ter Bengt Fuchs, die­se Mas­ke herabgerissen:

Am 28. Juni 2024 hat die Auto­no­me Anti­fa Frei­burg (AAF) auf­ge­deckt, dass die­ser in diver­sen Chat­grup­pen der Stu­den­ten­ver­bin­dung Salia Jenen­sis, wel­cher er als »Alter Herr« ange­hört eine gan­ze Rei­he ein­deu­tig ras­sis­ti­scher und men­schen­ver­ach­ten­der Bei­trä­ge gepos­tet hat. In dem Inter­net­fo­rum »Tra­di­ti­on mit Zukunft« und anschlie­ßend in einer Rei­he von Face­book­grup­pen mit ähn­li­chen Bezeich­nun­gen soll Rich­ter Bengt dem­nach bei­spiels­wei­se fol­gen­de Äuße­run­gen getä­tigt haben:

  • [über Thü­rin­gen] »Wer den Quatsch mit den Migran­ten nicht haben will, zieht zu uns. kei­ne 2 % Aus­län­der« (7. Mai 2009)
  • [über Neu­kölln] »Mir ist es ein Rät­sel, wie man als auf­rech­ter Deut­scher über­haupt nur einen Tag sich und vor allem sei­ne Kin­der den in dem Video gezeig­ten Ver­hält­nis­sen aus­set­zen kann.« (7. Mai 2009)
  • »Kann das Weib nicht end­lich in ihre Hei­mat zwangs­ver­hei­ra­tet wer­den?« (8. Sep­tem­ber 2010)
  • [über geschei­ter­te Abschie­bun­gen] »Mei­ne Idee, die Typen im Über­flug mit ner Trans­all über ihrer Hei­mat mit nem Fall­schirm abwer­fen zu las­sen, wird von Mit­ar­bei­tern in Aus­län­der­be­hör­den zwar begrüßt, dürf­te aber an Voß­kuh­le und Con­sor­ten schei­tern… ;-D« (1. Dezem­ber 2010)
  • [Vor­schlag für eine alter­na­ti­ve Bezeich­nung für Sin­ti und Roma] »Rota­ti­ons­eu­ro­pä­er mit Eigen­tums­zu­ord­nungs­schwä­che« (7. August 2019)

Das gesam­te Com­mu­ni­qué der AAF zu Rich­ter Bengt Fuchs fin­det sich auf der dor­ti­gen Web­sei­te.

Spä­tes­tens mit der Ver­öf­fent­li­chung die­ser vor Ras­sis­mus nur so sprü­hen­den Äuße­run­gen des Vize­prä­si­den­ten zeigt die Cau­sa VG Gera mit aller Deut­lich­keit, dass die Abwei­chun­gen in der Asy­l­ent­schei­dungs­pra­xis gegen­über dem Bun­des­durch­schnitt kei­nes­wegs Zufall sind, son­dern das Son­der­pro­zess­recht im Asyl­be­reich hier ziel­ge­rich­tet durch rechts­ge­rich­te­te, flücht­lings­feind­li­che Rich­ter miss­braucht wor­den ist, um Geflüch­te­ten den ihnen zuste­hen­den Schutz zu verwehren.

Als ers­te Akut­maß­nah­me nach der Ver­öf­fent­li­chung der AAF wur­de Vize­prä­si­dent Bengt Fuchs an eine ande­re Kam­mer des VG Gera ver­setzt, die kei­ne Asy­l­ent­schei­dun­gen, son­dern unter ande­rem Fäl­le aus dem Stra­ßen­ver­kehrs­recht fällt. Der Prä­si­dent des Gerichts kün­dig­te an, dass wei­te­re dienst­recht­li­che Schrit­te geprüft würden.

PRO ASYL for­dert, dass – wie im Fal­le des frü­he­ren AfD-Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­ten und Rich­ters Jens Mai­er, bei dem auch der Bun­des­ge­richts­hof durch das Ver­hal­ten des extre­mis­ti­schen Rich­ters das Ver­trau­en in die Rechts­pfle­ge schwer beein­träch­tigt sah – alle Hebel in Bewe­gung gesetzt wer­den, um Rich­ter Bengt Fuchst zunächst in den Ruhe­stand zu ver­set­zen und anschlie­ßend unter Ver­lust der Pen­si­ons­an­sprü­che ganz aus dem Rich­ter­dienst zu entfernen.

Weitere Sonderregelungen für Asylprozesse

Auch wenn nun zumin­dest ein Rich­ter, der offen­sicht­lich das Son­der­pro­zess­recht im Asyl­be­reich aus­ge­nutzt hat, um Geflüch­te­ten den ihnen zuste­hen­den Schutz abzu­spre­chen, kei­ne Asyl­ur­tei­le mehr spre­chen darf, blei­ben die übri­gen Rich­ter des VG Gera, die sich durch ihre extrem hohen Ableh­nungs­quo­ten ent­spre­chend ver­däch­tig gemacht haben. Sie sind wei­ter in Asyl­kam­mern tätig und die Son­der­re­ge­lun­gen des Asyl­ge­set­zes (AsylG) bestehen wei­ter fort.

Es gibt nicht nur die hier beleuch­te­te, son­dern eine gan­ze Fül­le von Son­der­re­ge­lun­gen gegen­über dem all­ge­mei­nen Ver­wal­tungs­pro­zess­recht, die Schutz­su­chen­de schlech­ter stel­len und zum Teil für eine Ten­denz­recht­spre­chung rechts­ge­rich­te­ter, flücht­lings­feind­li­cher Richter*innen anfäl­lig sind.

So sieht § 78 Absatz 1 AsylG vor, dass erst­in­stanz­li­che Asyl­ur­tei­le, mit denen die als offen­sicht­lich unzu­läs­sig oder offen­sicht­lich unbe­grün­det abge­wie­sen wur­den, unan­fecht­bar sind. Die Miss­brauchs­an­fäl­lig­keit die­ser Rege­lung liegt auf der Hand, da sich Verwaltungsrichter*innen mit einer sol­chen Kla­ge­ab­wei­sung jeg­li­cher Kon­trol­le durch die jeweils zustän­di­gen Ober­ver­wal­tungs­ge­rich­te ent­zie­hen können.

Nach § 78 Absatz 2 AsylG steht Betrof­fe­nen in den übri­gen Fäl­len ein Beru­fungs­ver­fah­ren nur dann zu, wenn die Beru­fung von dem zustän­di­gen Ober­ver­wal­tungs­ge­richt zuge­las­sen wor­den ist. Anders als im all­ge­mei­nen Ver­wal­tungs­pro­zess­recht kön­nen Verwaltungsrichter*innen also nicht etwa selbst in ihren Urtei­len die Beru­fung zulas­sen, bei­spiels­wei­se weil ihr Urteil von ober­ver­wal­tungs­recht­li­cher Recht­spre­chung abweicht. Statt­des­sen muss – unter Anwalts­zwang und damit mit ent­spre­chen­den Kos­ten für die Betrof­fe­nen – zunächst ein oft­mals hoch­kom­ple­xer Beru­fungs­zu­las­sungs­an­trag an das zustän­di­ge Ober­ver­wal­tungs­ge­richt gerich­tet wer­den und in einem sich anschlie­ßen­den, oft­mals sehr zeit­auf­wän­di­gen Beru­fungs­zu­las­sungs­ver­fah­ren die­sem auch statt­ge­ge­ben wer­den, um ein Beru­fungs­ver­fah­ren zu ermöglichen.

PRO ASYL setzt sich seit jeher dafür ein, das Son­der­pro­zess­recht im Asyl­recht abzuschaffen!

Bezüg­lich die­ser letzt­ge­nann­ten Rege­lung hat der Bun­des­rat am 03. Juli 2024 einen Gesetz­ent­wurf ein­ge­bracht, dem­ge­mäß eine Zulas­sung der Beru­fung in zwei Kon­stel­la­tio­nen ohne das beschrie­be­ne Zwi­schen­ver­fah­ren direkt durch die Ver­wal­tungs­ge­rich­te ermög­licht wer­den soll.. Dabei geht es zum einen um die Fäl­le der soge­nann­ten Diver­genz­rü­ge – also wenn das erst­in­stanz­li­che Urteil von der Recht­spre­chung höhe­rer Gerich­te abweicht. Zum ande­ren soll die direk­te Zulas­sung der Beru­fung durch die Ver­wal­tungs­ge­rich­te künf­tig in Kon­stel­la­tio­nen mög­lich sein, in denen die Rechts­sa­che grund­sätz­li­che Bedeu­tung hat – was der Fall ist, wenn die für die Beur­tei­lung des Streit­falls maß­geb­li­che Rechts­fra­ge nicht nur für die­sen Ein­zel­fall ent­schei­dend ist, son­dern das Inter­es­se der All­ge­mein­heit an der ein­heit­li­chen Ent­wick­lung und Hand­ha­bung des Rechts berührt. Das wäre ein Schritt in die rich­ti­ge Rich­tung, zumal – und nur mit die­ser Begrün­dung wur­de der Ent­wurf ein­ge­bracht – damit eine unein­heit­li­che Recht­spre­chung und damit ver­bun­de­ne Rechts­un­si­cher­heit über­wun­den und die Ver­wal­tungs­ge­richts­bar­keit ent­las­tet wür­de. Es ist aber kei­nes­wegs aus­ge­macht, dass die­ser Vor­schlag tat­säch­lich umge­setzt wird.

Auch han­delt sich bei den geschil­der­ten nur um eini­ge gra­vie­ren­de Bei­spie­le, das Son­der­pro­zess­recht im Asyl­recht ist tat­säch­lich noch viel umfassender.

PRO ASYL, aber auch der Deut­sche Anwalts­ver­ein sowie der Repu­bli­ka­ni­sche Anwalts­ver­ein set­zen sich seit jeher dafür ein, das Son­der­pro­zess­recht im Asyl­recht abzu­schaf­fen. So hat etwa der Aus­schuss Migra­ti­ons­recht des Deut­schen Anwalts­ver­eins im April 2022 in einer Initia­tiv­stel­lung­nah­me die Strei­chung des § 78 AsylG gefor­dert, um die ein­schrän­kungs­lo­se Anwen­dung des für Betrof­fe­ne weit­aus freund­li­che­ren und weni­ger miss­brauchs­an­fäl­li­gen § 124 VwGO zu ermöglichen.

Das wür­de es rech­ten, ras­sis­ti­schen Rich­tern deut­lich schwe­rer machen, fal­sche, aber beru­fungs­zu­las­sungs­fes­te Urtei­le zu ver­fas­sen, über denen nur noch »der blaue Him­mel« schwebt. Betrof­fe­nen wür­den so die glei­chen zweit­in­stanz­li­chen Kon­troll­mög­lich­kei­ten an die Hand gege­ben, die im gesam­ten übri­gen Ver­wal­tungs­recht üblich sind.