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Die Zustände in den Offiziellen EU-Hotspots: Vor dem Lager in Moria warten im Oktober Tausende unter elenden Bedingungen auf ihre Registrierung. Foto: Salinia Stroux / PRO ASYL RSPA - Projekt

Heute läuft der formelle Überstellungsstopp von Asylsuchenden nach Griechenland aus. Angesichts der tausendfach bebilderten desolaten Situation für Flüchtlinge in Griechenland sollte eine Verlängerung eine Selbstverständlichkeit sein. Doch was ist noch selbstverständlich in diesen Zeiten des Totalversagens Europas im Umgang mit Flüchtlingen?

Seit Janu­ar 2011 wird der Über­stel­lungs­stopp nach Grie­chen­land regel­mä­ßig um ein Jahr ver­län­gert. PRO ASYL befürch­tet, dass ange­sichts der tie­fen Spal­tung der EU in der Flücht­lings­po­li­tik, nun aber auch die Fra­ge von Dub­lin-Über­stel­lun­gen nach Grie­chen­land von Deutsch­land zu einem Faust­pfand wird, um die umstrit­te­nen Kon­zep­te von Hot­spots und Not­um­ver­tei­lun­gen durchzusetzen.

Die EU- Kom­mis­si­on kün­dig­te am 29. Sep­tem­ber 2015 an, dass Grie­chen­land inner­halb von sechs Mona­ten wie­der Teil des Dub­lin-Sys­tems wer­de. Alle poli­ti­schen Beob­ach­ter hal­ten die­se Ankün­di­gung aller­dings ange­sichts der Mise­re im grie­chi­schen Schutz­sys­tem für völ­lig rea­li­täts­fern. Eini­ge der schwer­wie­gends­ten Rechts­ver­let­zun­gen und Män­gel haben wir hier zusam­men­ge­stellt.

Unver­min­der­te huma­ni­tä­re Krise

Die huma­ni­tä­re Kri­se in Grie­chen­land exis­tiert unver­min­dert wei­ter. In 2015 sind rund 850.000 Boots­flücht­lin­ge auf den ägäi­schen Inseln ange­kom­men. Über 800 Men­schen kamen bei der Über­fahrt auf der Ägä­is-Rou­te ums Leben. Allein im Dezem­ber 2015 sind 103.338 Flücht­lin­ge über den lebens­ge­fähr­li­chen See­weg gekom­men – 62 Pro­zent die­ser Neu­an­kom­men­den flo­hen aus Syri­en und dem Irak. In ande­ren Wor­ten: In nur einem Monat kamen bereits über 60.000 poten­zi­ell Begüns­tig­te des euro­päi­schen Relo­ca­ti­on-Pro­gram­mes an den grie­chi­schen Küs­ten an.

Euro­päi­sche Maß­nah­men in Grie­chen­land sind gescheitert

Die­ses Umver­tei­lungs­pro­gramm kann in der Pra­xis aber bereits als geschei­tert ange­se­hen wer­den: Bis zum 8. Janu­ar 2016 konn­ten ledig­lich 82 Schutz­su­chen­de tat­säch­lich aus Grie­chen­land aus­rei­sen – von im Sep­tem­ber 2015 beschlos­se­nen ins­ge­samt 66.400 Relo­ca­ti­ons. Und die Zustän­de in den EU-Hot­spot-Lagern blei­ben kata­stro­phal: Weder das Regis­trie­rungs­ver­fah­ren, noch die Grund­ver­sor­gung der Flücht­lin­ge funk­tio­nie­ren dort.

Deso­la­te Auf­nah­me­si­tua­ti­on im Land

Auch außer­halb der EU-Lager ist die Situa­ti­on für Schutz­su­chen­de in Grie­chen­land deso­lat: Zum 17. Novem­ber 2015 stan­den in Grie­chen­land  nur 988 dau­er­haf­te Auf­nah­me­plät­ze für Asyl­su­chen­de und unbe­glei­te­te Min­der­jäh­ri­ge zur Ver­fü­gung. Die von Minis­ter­prä­si­dent Tsi­pras ange­kün­dig­ten 30.000 Auf­nah­me­plät­ze bis zum Jah­res­en­de, exis­tie­ren bis jetzt weit­ge­hend auf dem Papier. UNHCR ver­sucht aktu­ell suk­zes­si­ve 20.000 Pen­si­ons- und Hotel­zim­mer anmie­ten, um wenigs­tens Relo­ca­ti­on-Fäl­le, beson­ders Schutz­be­dürf­ti­ge und Asyl­an­trag­stel­ler unter­zu­brin­gen. Deut­lich wird, dass sich die Situa­ti­on der län­ger in  Grie­chen­land fest­sit­zen­den Flücht­lin­gen mit einer wei­te­ren „Ver­en­gung“ auf der Bal­kan­rou­te schnell dra­ma­tisch zuspitzt.

PRO ASYL: Kei­ne Macht­spie­le auf dem Rücken von Flüchtlingen 

Eine Ver­län­ge­rung des seit 2011 bestehen­den for­mel­len Abschie­bungs­stopps um ein Jahr ist unab­ding­bar. Dies ist ein Gebot der Huma­ni­tät und der Ratio­na­li­tät. Dub­lin-Über­stel­lun­gen nach Grie­chen­land sind aus men­schen­recht­li­chen Grün­den nicht mög­lich. Jeder Ver­such wür­de die Betrof­fe­nen in Angst ver­set­zen und zudem zu büro­kra­ti­schem Mehr­auf­wand und Gerichts­pro­zes­sen führen.

UPDATE: Auf den letz­ten Drü­cker hat das Bun­des­in­nen­mi­nis­te­ri­um soeben den Über­stel­lungs­stopp bis zum 30. Juni 2016 ver­län­gert!

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