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Flüchtlinge gänzlich unerwünscht: Neuer Bericht zur Situation in Ungarn
Das Asylrecht existiert für Flüchtlinge in Ungarn faktisch nicht mehr. Die ungarische Regierung unternimmt alles, um Schutzsuchende abzuwehren. Ein neuer Bericht von PRO ASYL und bordermonitoring.eu zeigt, warum Flüchtlinge nicht nach Ungarn zurückgeschoben werden dürfen.
Am 2. Oktober findet in Ungarn eine Volksabstimmung über die Frage statt, ob sich Ungarn an der von der EU-Kommission vorgeschlagenen Zwangsverteilung von Flüchtlingen beteiligen soll. Dabei hat die ungarische Regierung erneut ihre Kreativität unter Beweis gestellt, Volksbefragungen so zu formulieren, dass das erwünschte – flüchtlingsfeindliche – Ergebnis am Ende herauskommt: „Wollen Sie, dass die Europäische Union auch ohne Konsultierung des (ungarischen) Parlaments die Einwanderung nichtungarischer Staatsbürger nach Ungarn vorschreibt?“
Ungarn ist kein sicherer Staat für Flüchtlinge
Zu der geplanten Befragung passt die aktuelle Meldung, dass Ungarn seine Transitzone auf acht Kilometer ausdehnen und Schutzsuchende ohne Gerichtsverfahren nach Serbien und Kroatien zurückschicken will. Dabei bedürfte es dieser Maßnahmen nicht, um das ungarische Asylrecht weiter auszuhöhlen.
Der aktuelle von PRO ASYL und bordermonitoring.eu herausgegebene Bericht „Gänzlich unerwünscht. Entrechtung, Kriminalisierung und Inhaftierung von Flüchtlingen in Ungarn“ (PDF) dokumentiert die Asylrechtsverschärfungen seit dem Sommer 2015. Das individuelle Recht auf Asyl wurde in Ungarn faktisch abgeschafft. Damit einhergehend stellt PRO ASYL fest, dass Überstellungen von Asylsuchenden nach Ungarn unter der Dublin-III-Verordnung zu unterlassen sind. Ungarn ist kein sicherer Staat für Flüchtlinge.
Serbien als »sicherer Drittstaat«: Kein Flüchtlingsschutz in Ungarn
Ungarn hat am 1. August 2015 Serbien zum sicheren Drittstaat erklärt (S. 17 des Berichts). Anträge auf internationalen Schutz werden abgelehnt und Schutzsuchende nach Serbien zurückgeschoben. Da fast alle Flüchtlinge über Serbien nach Ungarn einreisen, hat in der Praxis niemand mehr Anspruch auf ein faires Asylverfahren in Ungarn. Zwar kann der Flüchtling „beweisen“, dass er in Serbien keinen Zugang zu einem Asylverfahren gehabt hat. Doch dieser Beweis ist in der Praxis kaum zu erbringen, da die Flüchtlinge in Serbien keine Beweismittel (wie bspw. ein serbisches Schriftdokument) erhalten.
Asylverfahren in der Transitzone: Unrechtmäßige Inhaftierung
Ungarn hat an seiner Grenze zu Serbien sog. Transitzonen eingerichtet, in denen die Asylverfahren durchgeführt werden. Ausgenommen sind nur besonders schutzbedürftige Flüchtlinge, bspw. Familien mit Kindern unter 14 Jahren. In den Transitzonen sind die Schutzsuchenden während des Asylverfahrens faktisch inhaftiert (S. 22 des Berichts).
Abgeschobenen droht in Ungarn Gefängnis
Alleinstehende männliche Asylsuchende, die im Rahmen von Dublin-III von einem anderen EU-Mitgliedsstaat nach Ungarn überstellt werden, droht dort die Inhaftierung. Begründet wird dies mit der Gefahr einer erneuten Ausreise aus Ungarn (S. 28 des Berichts). Dublin-Rückkehrer haben oft keine Möglichkeit Schutz in Ungarn zu finden.
Sofern sie ursprünglich über Serbien eingereist sind, wird ihr Asylantrag als unzulässig abgewiesen. Auch Personen, die in Ungarn bereits einen Schutzstatus haben, sind in Ungarn der Perspektivlosigkeit ausgeliefert. Da es in Ungarn faktisch keine Unterbringungsmöglichkeiten für anerkannte Flüchtlinge gibt, landen sie obdachlos auf der Straße. Da der ungarische Staat Obdachlosigkeit auch strafrechtlich verfolgt, sind sie mit zusätzlichen Repressionen konfrontiert.
Systemische Mängel im ungarischen Asylsystem
Das ungarische Asylsystem weist auf Grundlage dieser Darstellung systemische Mängel auf. Überstellungen von Schutzsuchenden nach Ungarn sind daher zu unterlassen. Auch der österreichische Verwaltungsgerichtshof hat schon im September 2015 entschieden, dass die Vermutung, Ungarn sei sicher für Flüchtlinge, nicht mehr zutreffe.
Zwar haben schon viele deutsche Verwaltungsgerichte Überstellungen nach Ungarn gestoppt, eine einheitliche Rechtsprechung gibt es bislang aber nicht. PRO ASYL fordert deshalb von der Bundesregierung einen Überstellungsstopp von Flüchtlingen nach Ungarn zu erlassen. Gerade die jüngsten Asylrechtsverschärfungen und die flüchtlingsfeindliche Rhetorik der ungarischen Regierung zeigen, dass der ungarische Staat auch in Zukunft kein sicherer Staat für Flüchtlinge sein wird.
Der Ungarn-Bericht von PRO ASYL und bordermonitoring.eu kann ab dem 13.07.2016 bei PRO ASYL auch in Druckform bestellt werden.