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Türsteher der EU: Europa zahlte der Ukraine Millonenbeträgen für Flüchtlingsgefängnisse und Grenzsicherung. Flüchtlinge berichten von Elektroschocks und Schlägen. Foto: BMPU

Aktuelle Medienberichte zeigen, wie Flüchtlinge von ungarischen und slowakischen Grenzschützern illegal über die Grenze zurückgeschickt, ukrainischen Beamten übergeben und dann in Haft genommen werden. Die Haftanstalten werden von der EU mitfinanziert. Flüchtlinge berichten von Erniedrigungen, Misshandlungen und Folter. Die EU-Kommission tut so, als wüsste sie von nichts.

Hasan Hir­si weiß, was es heißt, über die Ukrai­ne in die EU zu flüch­ten. Seit 2008 hat er es mehr­fach über die EU-Gren­ze geschafft, doch immer wie­der wur­de der Flücht­ling aus Soma­lia von unga­ri­schen und slo­wa­ki­schen Grenz­be­am­ten in die Ukrai­ne zurück­ge­schickt, dort inhaf­tiert, ernied­rigt und gefol­tert. Ins­ge­samt hat er drei Jah­re in ukrai­ni­schen Haft­an­stal­ten verbracht.

Hir­sis Hän­de zit­tern, wäh­rend er über die Tor­tu­ren spricht

Hasan Hir­si hat es mitt­ler­wei­le nach Euro­pa geschafft. Er lebt heu­te in Land­au, wird über den PRO ASYL-Rechts­hil­fe­fonds unter­stützt und hat jetzt gegen­über dem Nach­rich­ten­ma­ga­zin Spie­gel beschrie­ben, wie er von ukrai­ni­schen Beam­ten aus­ge­raubt, gefol­tert und mehr­fach inhaf­tiert wur­de. „Hir­sis Hän­de zit­tern, wäh­rend er über die Tor­tu­ren in der Haft­an­stalt spricht“, schreibt der Spie­gel, tage­lang hät­ten die Flücht­lin­ge nichts zu essen bekom­men, immer wie­der sei­en sie geschla­gen und mit Elek­tro­schocks gefol­tert worden.

Was Hassan Hir­si in der Ukrai­ne geschah, ist nicht nur eine Geschich­te über Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen der Ukrai­ne – son­dern über Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen der EU. Flücht­lin­ge an der Gren­ze zurück­zu­wei­sen ist ein kla­rer Bruch mit dem „Refoul­ment­ver­bots“, dem Herz­stück des inter­na­tio­na­len Flücht­lings­rechts. Die unga­ri­schen und slo­wa­ki­schen Grenz­schüt­zer, die Hasan Hir­si in die Ukrai­ne zurück­schaff­ten, han­del­ten abso­lut illegal.

Ille­ga­le Push-Backs: Die EU-Kom­mis­si­on strei­tet Vor­wür­fe ab

Doch sol­che so genann­ten Push-Backs sind kei­ne ver­se­hent­li­chen Aus­rut­scher von Grenz­be­am­ten an der EU-Außen­gren­ze. An vie­len Grenz­ab­schnit­ten wer­den Push-Backs sys­te­ma­tisch ein­ge­setzt, um Flücht­lin­ge abzu­weh­ren. So auch an der Gren­ze zur Ukrai­ne: Im Jahr 2011 doku­men­tier­ten Bor­der Moni­to­ring Pro­ject Ukrai­ne (BMPU) und PRO ASYL zahl­rei­che Fäl­le von Push Back-Ope­ra­tio­nen. Dut­zen­de Flücht­lin­ge berich­te­ten über­ein­stim­mend, dass ihnen ihr Recht auf Zugang zum Asyl­ver­fah­ren in Ungarn und der Slo­wa­kei ver­wehrt wur­de und sie inner­halb kür­zes­ter Zeit in die Ukrai­ne abge­scho­ben wur­den. Dort lan­de­ten sie in ukrai­ni­schen Haft­la­gern, in denen sie ohne rechts­staat­li­che Ver­fah­ren meh­re­re Mona­te lang fest­ge­hal­ten wur­den. Auch dem UNHCR sind nach Anga­ben des Spie­gel Fäl­le von ille­ga­len Zurück­wei­sun­gen bekannt.

Das ARD-Maga­zin Report Mainz, das eben­so über Push-Backs an der EU-Gren­ze zur Ukrai­ne berich­te­te, kon­fron­tier­te die EU-Kom­mis­si­on mit ihren Recher­chen. Die­se erklär­te gegen­über Report Mainz, dass ihr „kei­ne Fäl­le von spe­zi­fi­schen oder umfas­sen­den ‚Push­backs‘ “ bekannt sei­en. Tat­säch­lich wei­sen Men­schen­rechts­or­ga­ni­sa­tio­nen jedoch seit lan­gem auf die ille­ga­len Zurück­wei­sun­gen an der EU-Ost­gren­ze und die unmensch­li­che Haft­be­din­gun­gen in der Ukrai­ne hin.

Neigh­bour­hood Poli­cy: Euro­pa zahlt für Flücht­lings-Gefäng­nis­se in der Ukraine

Human Rights Watch (HWR) berich­te­te bereits 2010 von ille­ga­le Zurück­schie­bun­gen aus den öst­li­chen EU-Staa­ten und doku­men­tier­te die unmensch­li­chen Haft­be­din­gun­gen in der Ukrai­ne. Flücht­lin­ge sei­en nach ihrer ille­ga­len Zurück­schie­bung mona­te­lang inhaf­tiert und unter ande­rem mit Elek­tro­schocks gefol­tert wor­den. Ein afgha­ni­scher Flücht­ling berich­tet gegen­über HWR: „Sie fes­sel­ten mich mit Hand­schel­len an einen Stuhl. Sie leg­ten Elek­tro­den an mei­ne Ohren und gaben mir Elek­tro­schocks. Sie fra­gen, wer von euch ist ein Schmuggler“.

Die Ernied­ri­gun­gen, Miss­hand­lun­gen und Fol­te­run­gen spie­len sich in Haft­an­stal­ten ab, die maß­geb­lich von der EU finan­ziert wer­den. Im Rah­men der „Euro­pean Neigh­bour­hood Poli­cy“ hat die EU der Ukrai­ne allein zwi­schen 2007 und 2010 ins­ge­samt 30 Mil­lio­nen Euro für die Errich­tung von Haft­an­stal­ten für Flücht­lin­ge – soge­nann­te „detenti­on cen­tres“ – zur Ver­fü­gung gestellt.

35 Mil­lio­nen Euro für einen knüp­pel­har­ten Türsteher

Ein PRO ASYL-Bericht von 2012 belegt, dass Flücht­lin­ge, die ver­su­chen, über die Ukrai­ne nach Euro­pa zu gelan­gen, nicht nur mas­si­ven Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen aus­ge­setzt, son­dern auch in einem Sys­tem umfas­sen­der Kor­rup­ti­on wie­der­fin­den. Nur wer zah­len kann, wird aus der Haft ent­las­sen. Will­kür­li­che Inhaf­tie­run­gen von Flücht­lin­gen sind in der Ukrai­ne an der Tages­ord­nung. Die ukrai­ni­sche Grenz­po­li­zei nimmt Flücht­lin­ge dabei zumeist in der Regi­on Trans­kar­pa­ti­en fest, wo sie ver­su­chen, in die EU zu gelan­gen. Als Tür­ste­her der Euro­päi­schen Uni­on sorgt die Ukrai­ne so dafür, dass Flücht­lin­gen nicht wei­ter­rei­sen. Auch dafür zahlt die EU: Allein zwi­schen 2000 und 2006 stell­te die EU der Ukrai­ne 35 Mil­lio­nen Euro für die Grenz­si­che­rung zur Verfügung.

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