14.11.2013
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Auf dem Gelände des Europäischen Gerichtshofs in Luxemburg. Ob die deutschen Behörden nach dem EuGH-Urteil verstärkt versuchen, über Griechenland nach Deutschland eingereiste Asylsuchende in andere EU-Staaten zu überstellen, bleibt abzuwarten. Bild: flickr/KLammipic (CC BY-NC-SA 2.0)

Asylsuchende dürfen nicht in EU-Länder abgeschoben werden, in denen „systemische Mängel“ im Asylsystem herrschen. Das hat das heutige Urteil des Europäischen Gerichtshofs in Luxemburg bestätigt.

Damit bestä­tigt der Gerichts­hof sei­ne Recht­spre­chung aus dem Jahr 2011. Seit­dem gilt EU-weit ein Abschie­bungs­ver­bot nach Grie­chen­land, da es dort zu mas­si­ven Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen von Schutz­su­chen­den kam und noch immer kommt.

Zusätz­lich weist der EuGH dar­auf hin, dass bei Vor­lie­gen eines men­schen­recht­li­chen Über­stel­lungs­ver­bo­tes nicht auto­ma­tisch der Staat zustän­dig ist, in dem sich der Asyl­su­chen­de auf­hält. Der zustän­di­ge Staat muss durch Prü­fung der sons­ti­gen Zustän­dig­keits­kri­te­ri­en ermit­telt werden.

Kaveh Puid durf­te nach Deutsch­land zurückkehren

Zugrun­de lag der Fall des ira­ni­schen Asyl­su­chen­den Kaveh Puid, der über Grie­chen­land 2007 nach Deutsch­land wei­ter­ge­flo­hen war. Sei­ne im Janu­ar 2008 erfolg­te Abschie­bung nach Grie­chen­land war mit den euro­päi­schen Grund­rech­ten nicht ver­ein­bar, da er in Grie­chen­land eine unmensch­li­che und ernied­ri­gen­de Behand­lung erfah­ren hat­te. Dies wur­de bereits vom Ver­wal­tungs­ge­richt Frank­furt im Jahr 2009 so ent­schie­den, sodass Kaveh Puid nach Deutsch­land zurück­keh­ren konn­te. Inzwi­schen hat er ein erfolg­rei­ches Asyl­ver­fah­ren druch­lau­fen und ist als Flücht­ling anerkannt.

Grund­satz­ent­schei­dung von 2011 bestätigt

Das heu­ti­ge Urteil bestä­tigt im Wesent­li­chen die Grund­satz­ent­schei­dung des EuGH aus dem Jahr 2011. Ob die deut­schen Behör­den künf­tig ver­stärkt ver­su­chen, über Grie­chen­land nach Deutsch­land ein­ge­reis­te Asyl­su­chen­de in ande­re EU-Staa­ten zu über­stel­len, bleibt abzu­war­ten. Schon heu­te gibt es vom zustän­di­gen Bun­des­amt star­ke Bemü­hun­gen, so vie­le Asyl­su­chen­de wie mög­lich an ande­re EU-Staa­ten zu über­stel­len. PRO ASYL for­dert dage­gen, dass die Bedürf­nis­se der Asyl­su­chen­den in den Vor­der­grund gestellt wer­den, etwa dass sie selbst ent­schei­den dür­fen, in wel­chem Land ihr Asyl­an­trag bear­bei­tet wer­den soll.

In Dub­lin-Ver­fah­ren steht aber längst nicht mehr nur Grie­chen­land in der Kri­tik. Auch gegen Über­stel­lun­gen z.B. nach Ita­li­en oder Ungarn weh­ren sich Flücht­lin­ge, weil sie dort gra­vie­ren­de Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen erlebt haben. 

Pres­se­er­klä­rung des EuGH (engl.)  

Urteil des EuGH (deutsch; Link)/ PDF

PRO ASYL-Berich­te zur Situa­ti­on von Flücht­lin­gen in Grie­chen­land, Ungarn und Italien 

Ungarn – Flücht­lin­ge zwi­schen Haft und Obdach­lo­sig­keit, Bericht von 2012 und Update 2013

„I came here for peace“ – the sys­te­ma­tic ill-tre­at­ment of migrants and refu­gees by Sta­te Agents in Patras, Juni 2012

„The truth may be bit­ter, but it must be told“ (Doku­men­ta­ti­on schwe­rer Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen in Griechenland)

Walls of Shame: Accounts from the Insi­de. The Detenti­on Cen­tres in Evros (eng­lisch­spra­chi­ger Bericht), April 2012

Zur Situa­ti­on von Flücht­lin­gen in Ita­li­en (Febru­ar 2011)

 Fall Puid – Maß­geb­li­ches Urteil des Euro­päi­schen Gerichts­hofs erwar­tet (13.11.13)

 Stopp der Über­stel­lun­gen nach Grie­chen­land ver­län­gert – Situa­ti­on nach wie vor kata­stro­phal (17.12.12)

 Grie­chen­land erhöht Haft­dau­er für Flücht­lin­ge auf 12 Mona­te  (12.11.12)