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Klare Rollenverteilung: Bundeskanzlerin Merkel und der türkische Präsident Erdogan bei Verhandlungen im März. Foto: Reuters / Tolga Bozoglu / Pool

Statt zynische Debatten über »Plan A«- oder »Plan B«-Szenarien im Hinblick auf den EU-Türkei-Deal zu führen, fordert PRO ASYL, den Fokus auf Menschenrechte und Flüchtlingsschutz zu legen. Das würde auch bedeuten, sich endlich vom schäbigen Deal zu Lasten der Flüchtlingsrechte zu verabschieden.

Der tür­ki­sche Außen­mi­nis­ter Cavu­so­glu hat der Euro­päi­schen Uni­on ange­droht, den Flücht­lings­deal zu been­den, wenn die tür­ki­schen Bedin­gun­gen – und hier­mit ist ins­be­son­de­re die Visums­frei­heit für tür­ki­sche Staatsbürger*innen gemeint – nicht bis Okto­ber erfüllt sei­en. Seit­her sind Politiker*innen EU-weit im Hysterie-Modus:

EU-Kom­mis­si­ons­prä­si­dent Jun­cker warn­te, dass im Fal­le eines Auf­kün­di­gens des Deals durch die Tür­kei damit zu rech­nen sei, »dass wie­der Flücht­lin­ge vor Euro­pa ste­hen.« Der grie­chi­sche Migra­ti­ons­mi­nis­ter Mou­z­a­las ver­lang­te nach einem »Plan B«, sei­ne Regie­rung sei über die Andro­hun­gen aus Anka­ra sehr beunruhigt.

Der öster­rei­chi­sche Hard­li­ner Sebas­ti­an Kurz for­der­te »gegen­über Anka­ra nicht in die Knie« zu gehen. Die stell­ver­tre­ten­de Regie­rungs­spre­che­rin der Bun­des­re­gie­rung, Ulri­ke Dem­mer, kom­men­tier­te hin­ge­gen am Mon­tag ledig­lich lapi­dar: »Die EU und die Bun­des­re­gie­rung gehen wei­ter davon aus, dass die Tür­kei die Be­din­gun­gen erfüllt.«

»Wir wis­sen, dass die Bear­bei­tung der Asyl­an­trä­ge von Afgha­nen, Ira­kern und Ira­nern in der Tür­kei nicht nach rechts­staat­li­chen Regeln erfolgt. Dar­über kann die EU, dar­über kön­nen auch wir nicht ein­fach hinwegsehen.«

Bär­bel Kof­ler, Men­schen­rechts­be­auf­trag­te der Bundesregierung

Festhalten an menschenrechtswidrigen Vereinbarungen

Die EU-Kom­mis­si­on hält jedoch auf Bie­gen und Bre­chen am Deal fest: »Wir haben einen Plan A«, sag­te eine Spre­che­rin von EU-Kom­mis­si­ons­prä­si­dent Jean-Clau­de Jun­cker. Die Kom­mis­si­on set­ze sich mit gan­zer Kraft für eine erfolg­rei­che Umset­zung des Deals ein. Zugleich wird der Druck auf die grie­chi­sche Regie­rung wei­ter erhöht – schon seit län­ge­rem drängt die Kom­mis­si­on dar­auf, dass die Beru­fungs­in­stanz bei Asyl­ver­fah­ren anders arbei­ten und so die schnel­le Rück­füh­rung der Flücht­lin­ge in die Tür­kei ermög­li­chen solle.

Die irri­gen Kon­struk­tio­nen der EU-Kom­mis­si­on basie­ren dar­auf, die Tür­kei als »siche­ren Dritt­staat« oder gar als »siche­ren Her­kunfts­staat« ein­zu­stu­fen. Damit kre­iert der EU-Tür­kei-Deal men­schen­recht­li­ches Fias­ko – das geschah mit Ansa­ge und ist nicht erst seit dem geschei­ter­ten Putsch­ver­such in der Tür­kei und der dar­auf­fol­gen­den Reak­ti­on der Erdo­gan-Regie­rung klar.

Die Türkei: Kein sicherer Drittstaat. Kein sicherer Herkunftsstaat

Dass die Tür­kei eben kein »siche­rer Dritt­staat« ist, zei­gen nicht nur Rechts­gut­ach­ten – auch in Grie­chen­land folgt man der Ein­schät­zung nicht, Asy­l­in­stan­zen und Gerich­te stop­pen Abschie­bun­gen in die Tür­kei. Und von der Eti­ket­tie­rung der Tür­kei als »siche­rem Her­kunfts­staat« muss sich Brüs­sel ange­sichts der dra­ma­ti­schen Ereig­nis­se ohne­hin verabschieden.

Deut­lich äußer­te sich auch die Men­schen­rechts­be­auf­trag­te der Bun­des­re­gie­rung, Bär­bel Kof­ler: Der Deal set­ze Rechts­staat­lich­keit auf allen Sei­ten vor­aus. »In der Tür­kei ist die­se zur­zeit nicht gege­ben. Da ist es falsch, wenn wir rechts­staat­li­che Ent­schei­dun­gen dort­hin aus­la­gern«, so Kof­ler. Zur Situa­ti­on von Flücht­lin­gen in der Tür­kei ergänz­te sie: »Wir wis­sen, dass die Bear­bei­tung der Asyl­an­trä­ge von Afgha­nen, Ira­kern und Ira­nern in der Tür­kei nicht nach rechts­staat­li­chen Regeln erfolgt. Dar­über kann die EU, dar­über kön­nen auch wir nicht ein­fach hinwegsehen.«

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Flücht­lin­ge aus der Tür­kei wur­den im Rah­men des Resett­le­ment auf­ge­nom­men. In vier Monaten.

Abschottung funktioniert. Die Aufnahme eher nicht so

Umge­setzt wur­den von den Ver­ein­ba­run­gen im Deal vor allem die Abschot­tungs­maß­nah­men – nicht nur in der Ägä­is wur­den die Maß­nah­men zur Flucht­ver­hin­de­rung, sogar mit Hil­fe der NATO-Flot­te, ver­stärkt, auch die tür­ki­schen Land­gren­zen zu Grie­chen­land und Bul­ga­ri­en wur­den wei­ter abge­rie­gelt. Die Abschot­tung funktioniert.

Das groß ange­kün­dig­te Resett­le­ment-Pro­gramm für Flücht­lin­ge in der Tür­kei läuft jedoch gelin­de gesagt beschei­den: Bis Mit­te Juli wur­den erst rund 802 Schutz­su­chen­de in der Euro­päi­schen Uni­on auf­ge­nom­men.

Das griechische Asylsystem funktioniert nicht

Leid­tra­gen­de des schmut­zi­gen Deals sind die Flücht­lin­ge. In der Tür­kei leben vie­le von ihnen wei­ter­hin in pre­kä­ren Zustän­den, in Grie­chen­land sit­zen rund 9 500 Men­schen auf den Inseln fest, nach dem geschei­ter­ten Putsch sind die Zah­len wie­der leicht gestiegen.

Sie hän­gen in der War­te­schlei­fe – das grie­chi­sche Asyl­sys­tem funk­tio­niert nicht, die Zustän­de in den Hot Spot-Lagern sind erbärm­lich. Die knapp 50 000 auf dem Fest­land fest­sit­zen­den Schutz­su­chen­den leben eben­falls unter kata­stro­pha­len Bedin­gun­gen. Erst kürz­lich for­der­te die staat­li­che Seu­chen­kon­trol­le die Schlie­ßung der grie­chi­schen Unter­künf­te wegen mas­si­ver Mängel.

Der Deal ist gescheitert

Für die Euro­päi­sche Uni­on ist es höchs­te Zeit, sich das Schei­tern des Deals ein­zu­ge­ste­hen. Das heißt nicht, dass kon­kre­te finan­zi­el­le Hil­fen für Flücht­lin­ge (!) in Län­dern wie der Tür­kei ein­ge­stellt wer­den soll­ten – im Gegen­teil, die Unter­stüt­zung der Haupt­auf­nah­me­län­der von Flücht­lin­gen muss mas­siv aus­ge­wei­tet wer­den. Die­se Hil­fe vor Ort muss aller­dings mit einem signi­fi­kan­ten Resett­le­ment-Pro­gramm und Eröff­nung lega­ler und gefah­ren­frei­er Wege für Schutz­su­chen­de nach Euro­pa gepaart werden.