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EU-Asylpolitik nach Lampedusa: Abschottung geht weiter
Das Ergebnis des gestrigen Gesprächs der EU-Innenminister zur Katastrophe vor Lampedusa ist beschämend. Deutschland blockiert die dringend nötige grundlegende Änderung der EU-Asylpolitik. Statt einer Verbesserung der Seenotrettung investiert Europa in die Flüchtlingsabwehr. Morgen soll das EU-Parlament „Eurosur“ verabschieden - ein weiteres Element der Abschottungsstrategie.
Schon im Vorfeld des Gesprächs der EU-Innenminister anlässlich der Katastrophe vor Lampedusa machte Bundesinnenminister Friedrich klar: Die bestehenden Regeln zur Aufnahme von Flüchtlingen blieben „selbstverständlich“ unverändert. Die EU-Innenminister beschlossen bei ihrem EU-Ratstreffen in Luxemburg daraufhin lediglich, eine „Task Force“ einzurichten, die Maßnahmen zur Verhinderung ähnlicher Katastrophen erarbeiten soll.
Die Blockadehaltung Deutschlands und anderer EU-Staaten zeigt, dass die zentralen politischen Akteure in der EU kein Interesse daran haben, das Sterben der Menschen auf dem Meer effektiv zu beenden und stattdessen ihre nationalstaatlichen Eigeninteressen weiterverfolgen. Angesichts der vielen Todesopfer vor den Außengrenzen der EU ist das Ergebnis beschämend. Allein von 1993 bis 2012 sind bereits mehr als 17.000 schutzsuchende Menschen im Mittelmeer umgekommen.
Eurosur: Perfektionierung der Abschottung statt Lebensrettung
Bereits in Kürze könnte die Abschottungspolitik der EU, die nach Auffassung von PRO ASYL und zahlreicher Menschenrechts- und Flüchtlingsorganisationen für das Massensterben von Flüchtlingen auf dem Mittelmeer verantwortlich ist, um ein neues Element erweitert werden: Das Europa-Parlament soll morgen das Grenzüberwachungssystem Eurosur verabschieden – ein Projekt, das ein Kommentar der New York Times treffend als „Traum von Sicherheits-Hardlinern und der internationalen Waffenindustrie“ bezeichnet. Das System sieht vor, die Grenzsicherung durch Vernetzung bestehender Grenzsicherungseinrichtungen und moderner Technologien auszubauen. Dabei sollen Drohnen, Offshore-Sensoren, Satellitensuchsysteme und biometrischen Identitätskontrollen zum Einsatz kommen.
In der Debatte um die Katastrophe vor Lampedusa wurde Eurosur wiederholt als Technologie zur Seenotrettung ins Spiel gebracht. Doch Zweck von Eurosur ist laut Verordnungsentwurf die „Aufspürung, die Verhinderung und Verfolgung illegaler Einwanderung und grenzüberschreitender Kriminalität“. Zur Seenotrettung heißt es lediglich, die Verordnung „trägt dazu bei“ den „Schutz und die Lebensrettung von Migranten zu gewährleisten.“ Weitere Bestimmungen laufen der Seenotrettung zuwider. So müssen Grenzschützer ihre nationalen Seenotrettungszentren zwar über Seenot-Vorfälle informieren, es gibt aber keine Verpflichtung zur Zusammenarbeit. Eurosur wird am europäischen Verantwortungsvakuum bei der Seenotrettung von Flüchtlingen nichts ändern.
Frontex ist keine Seenotrettungs-Agentur
Neben der Behauptung, Eurosur trage zur Rettung und zum Schutz von Flüchtlingen bei, schlug EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström vor, im gesamten Mittelmeerraum eine Frontex-Operation zur Rettung von Flüchtlingen ins Leben zu rufen. Dies ignoriert jedoch, dass Frontex zur Bekämpfung der „irregulärer Migration“ geschaffen wurde. Dieses Mandat widerspricht der Rettung von Flüchtlingen. Bisherige Frontex-Operationen haben Schutzsuchende auf immer gefährlichere Routen getrieben. Die Frontex-Operation Hermes 2011 im zentralen Mittelmeer hat den Tod von über 2.000 Flüchtlingen nicht verhindert. Selbst wenn das Mandat von der Migrationsverhinderung zur Rettung von Flüchtlingen abgeändert würde, ist ungeklärt, welche EU-Staaten von Frontex gerettete Flüchtlinge aufnehmen würden. EU-Staaten wie etwa Malta weigern sich immer wieder, gerettete Flüchtlinge an Land gehen zu lassen.
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