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Erläuterungen: Beschluss der Innenministerkonferenz zum Thema Bleiberecht

Die Innenministerkonferenz einigte sich auf eine "Verlängerung von Aufenthaltserlaubnissen nach der Bleiberechtsregelung 2009". Aber was bedeutet dies rechtlich für die Betroffenen?
Die letzte Innenministerkonferenz hatte am 04.12.09 eine Verlängerung der Altfallregelung des § 104a AufenthG bis zum 31.12.11 beschlossen. Da einem Teil der Betroffenen – geschätzt circa 14.000 Personen – der Rückfall in die Duldung droht, bestand die Notwendigkeit dass sich die IMK erneut mit dem Thema befasst.
Der Beschluss „Verlängerung von Aufenthaltserlaubnissen nach der Bleiberechtsregelung 2009“ lautet:
„Die Innenminister und ‑senatoren der Länder und der Bundesminister des Innern sind sich darüber einig, dass es einer weiteren Verlängerung der Bleiberechtsregelung vom 04.12.09 für geduldete ausländische Staatsangehörige nicht bedarf, weil die auf der Grundlage der Bleiberechtsregelung vom 04.12.09 gemäß § 23 Absatz 1 in Verbindung mit § 104a Absatz 5 und 6 AufenthG erteilten Aufenthaltserlaubnisse auf Probe in Anwendung des § 8 Absatz 1 AufenthG verlängert werden, wenn eine günstige Integrationsprognose erstellt werden kann und die Begünstigten sich nachweislich um die Sicherung des Lebensunterhalts durch die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bemühen.“
Die Regelung ist unklar, Einzelheiten sind nicht bekannt, weshalb nachstehend versucht werden soll, Lösungsansätze für die Praxis aufzuzeigen:
1) Der Beschluss bezieht sich auf die „auf der Grundlage der Bleiberechtsregelung vom 04.12.09 erteilten Aufenthaltserlaubnisse auf Probe“. Als solches bezeichnet der Beschluss vom 04.12.09 nur die nach § 23 I 1 AufenthG erteilten Aufenthaltserlaubnisse nach Ziff. 2c (Hier ist zu bedenken, dass z.B. Niedersachsen Ziffer 2 Buchstaben a)-c) als Aufenthaltserlaubnisse „auf Probe“ definiert hat), bei denen eine Verlängerung gemäß § 104 V auch i.V.m. § 104a Abs. 6 AufenthG mangels Erfüllung der gesetzlichen Vorgaben zur Lebensunterhaltssicherung nicht möglich war. Die Betroffenen hatten nach der früheren Regelung eine erneute Aufenthaltserlaubnis auf Probe erhalten, „sofern sie nachweisen, dass sie sich um die Sicherung des Lebensunterhalts für sich und etwaige Familienangehörige durch eigene Erwerbstätigkeit bemüht haben und wenn die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Lebensunterhalt nach diesen zwei Jahren eigenständig durch die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit gesichert sein wird“. Diese Aufenthaltserlaubnis auf Probe soll nun in Anwendung des § 8 I AufenthG verlängert werden. § 8 I AufenthG erklärt, dass auf die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis die selben Vorschriften Anwendung finden wie auf die Erteilung – mit anderen Worten ist der Nachweis verlangt, dass sich die Betroffenen um die Sicherung des Lebensunterhalts für sich und etwaige Familienangehörige durch eigene Erwerbstätigkeit (weiterhin vergeblich) bemüht haben und weiter bemühen und ferner eine positive Lebensunterhaltssicherungs-Prognose gestellt werden kann.
Die vorhandenen Verwaltungsvorschriften bzw. Hinweise der Länder können weiter angewandt werden. Soweit diese- wie etwa Niedersachsen, Aufenthaltserlaubnisse auf Probe anders definiert hatten, muß dies im Lichte des jetztigen Beschlusses überprüft werden.
2) Für Personen, die nach Ziffer 2a oder 2b des Beschlusses vom 04.12.09 im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 23 I 1 AufenthG sind, gilt der jetzige Beschluss nicht unmittelbar, da diese Titel keine Aufenthaltserlaubnisse auf Probe waren. Gleichwohl gebietet der Erst-Recht-Schluss auch in diesen Fällen § 8 AufenthG – gegebenenfalls analog – anzuwenden. Dies bedeutet:
a) Wer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 I 1 AufenthG gemäß Ziffer 2a des Beschlusses vom 04.12.09 hat, erhält eine Verlängerung, sofern der Lebensunterhalt gesichert ist.
Ist eine vollständige Lebensunterhaltssicherung nicht gewährleistet, ist eine entsprechende Anwendung der früheren Regelung geboten, der Betroffene muss also mindestens für die letzten sechs Monate eine Halbtagsbeschäftigung nachweisen oder bis zum 31.01.12 für die kommenden sechs Monate.
Da es sich bei der Aufenthaltserlaubnis nach Ziffer 2a des IMK-Beschlusses vom 04.12.09 um eine reguläre Aufenthaltserlaubnis nach § 23 I AufenthG handelt, kommt auch die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 26 IV AufenthG bei Vorliegen der Voraussetzungen in Betracht.
b) Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis nach § 23 I 1 AufenthG auf der Grundlage von Ziffer 2b des Beschlusses vom 04.12.09 erhalten eine Verlängerung, sofern sie sich weiter in Berufsausbildung befinden und erwartet werden kann, dass sie integrieren und künftig ihren Lebensunterhalt selbständig sichern werden. Eine entsprechende Anwendung ist geboten, sofern die Betroffenen zwischen dem 01.07.09 und 31.12.11 ihre Schul- oder Berufsausbildung mit einem Abschluss erfolgreich beendet haben.
Sind die Betroffenen bereits erwerbstätig und imstande, ihren Lebensunterhalt überwiegend zu sichern, wird die Aufenthaltserlaubnis verlängert.
Daneben sind bei diesen Fallkonstellationen stets § 18a AufenthG und § 25a AufenthG zu prüfen.
Auch bei diesen Fallkonstellationen kommt die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 26 IV AufenthG in Betracht.
2) Ungelöst sind die Fälle, bei denen der Lebensunterhalt auch nicht teilweise gesichert ist und dies auch künftig nicht erwartet werden kann. Für sie bietet die Bleiberechtsregelung keine Lösung.
Ihnen kann nach § 25 IV 1 AufenthG bei Vorliegen dringender humanitärer oder persönlicher Gründe oder erheblichem öffentlichem Interesse die Aufenthaltserlaubnis vorübergehend verlängert werden. Wenn aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls das Verlassen des Bundesgebiets eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde, kommt auch ein Übergang in eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis nach § 25 IV 2 AufenthG in Betracht.
Wird die Hürde der dringenden humanitären oder persönlichen Gründe nicht genommen, gleitet der Betroffene wieder in eine Duldung ab und wird vollziehbar ausreisepflichtig. Scheitert jedoch eine Abschiebung und auch eine freiwillige Ausreise unverschuldet an rechtlichen oder tatsächlichen Gründen ist zur Vermeidung von Dauer-Duldungen eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 V AufenthG zu prüfen. Die Dauer des Aufenthalts und die bereits erfolgte Integration sind bei der Ermessenshandhabung zu Gunsten der Betroffenen zu berücksichtigen.
Daneben muss auch geprüft werden, ob Anträge an den Landespetitionsausschuss oder die Härtefallkommission Sinn machen. Ebenso ist zu prüfen, ob wegen eventuell geänderter Lage im Herkunftsland Asyl- bzw Asylfolgeanträge oder isolierte Wiederaufgreifensanträge Sinn machen. Hat sich in der persönlichen Situation etwas gravierend verändert, kann das ebenfalls zu einem Bleiberechts unabhängigen Aufenthalt führen.
Der Beschlusstext ist zu finden unter: http://www.bundesrat.de/cln_161/nn_8780/DE/gremien-konf/fachministerkonf/imk/Sitzungen/11–12-09-termin.html?__nnn=true.
Hubert Heinhold, Rechtsanwalt München