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Einschätzungen zur aktuellen Sicherheits- und Antiterror-Debatte
PRO ASYL zu einigen Vorschlägen der Politik als Reaktion auf die Taten von Würzburg, München und Ansbach.
Die Anschläge der vergangenen Wochen haben neben der oft eher in den Hintergrund getretenen Trauer um die Opfer Verunsicherung in der Öffentlichkeit ausgelöst. Die blutigen Taten von Würzburg, München und Ansbach bedürfen weiterer Aufklärung. Ohne weitere Aufklärung gehen viele Vorschläge, was zu tun sei, vorläufig ins Leere.
Die Politik sieht sich offenbar bereits lange vorher unter großem Handlungsdruck. Sie wartet nicht ab, was die Sachverhaltsermittlung zutage fördert, sondern legt – wie auch große Teile der Medien – vorläufige Einschätzungen und Szenarien zugrunde. Von der CSU angefacht entstand ein Überbietungswettbewerb der sicherheitspolitischen Vorschläge. Einige mögen im Sachzusammenhang stehen, andere versuchen einen kurzschlüssige Verbindung mit der gesamten Flüchtlingspolitik herzustellen. Einige Forderungen lagen längst in den Schubladen insbesondere der Innenpolitiker und werden willkürlich zu jedem Anlass als Heilsmittel angepriesen.
In dieser Situation ist allen zu danken, die einem Generalverdacht gegen Flüchtlinge und Migranten, gegen Muslime und andere Religionen nicht das Wort reden.
München: Hinweise auf rechtsextremen Hintergrund verkommen zur Randnotiz
Frappierend sind aus der Perspektive von PRO ASYL zwei Aspekte:
- Während sich die politische und öffentliche Aufmerksamkeit auf den islamistischen Hintergrund der Taten richten, bleibt es in vielen Medien fast eine Randnotiz, dass es in Bezug auf den Täter von München Hinweise auf einen rechtsextremistischen Hintergrund gibt. Es wäre der schwerste rassistische Anschlag seit der NSU-Mordserie.
- Bei allen drei Taten waren unter den Opfern Menschen »mit Migrationshintergrund«, unter solchen wie auch den Inländern eine Reihe von Muslimen. Diese Feststellung sollte eigentlich eine Unterscheidung zwischen »Wir« und »Sie« entlang von religiösen Konfliktlinien oder Staatszugehörigkeiten schwerer machen. Festzustellen ist jedoch, dass der Terror, der sich gegen Menschen jeden Hintergrundes richtet – im Münchener Fall allerdings offenbar die Nicht-Deutschen meinte – in einen verschärften Ausgrenzungsdiskurs mündet, der sich keineswegs nur gegen Islamismus und Terrorismus wendet.
Aktionistische Maßnahmen bringen keine konkreten Verbesserungen der Sicherheitslage
In dieser Situation ist allen zu danken, die einem Generalverdacht gegen Flüchtlinge und Migranten, gegen Muslime und andere Religionen nicht das Wort reden. Wer zur Besonnenheit aufruft, sieht sich aktuell bereits mit dem Verdacht konfrontiert, er wolle wirksames Handeln verhindern. Die Stärke des Rechtsstaates besteht allerdings auch darin, dass er sich nicht vor sich hertreiben lässt – weder von terroristischen Strukturen noch von populistischen Positionen, die der Idee folgen, weniger Rechtsstaat wäre mehr. Gerade in schwierigen und krisenhaften Situationen haben sich rechtsstaatliche Prinzipien zu bewähren.
Der schlichte Ruf nach mehr Sicherheit ist verständlich, gehört doch der Schutz der Bevölkerung zu den elementaren Aufgaben eines Staates. Es ist jedoch mehr als problematisch, wenn der Staat unter Druck gerät, »Handlungsfähigkeit zu demonstrieren« statt durch gezieltes Handeln die Sicherheitssituation im Rahmen des Möglichen zu verbessern. Politik ist in einer solchen Situation leicht geneigt, Maßnahmen zu ergreifen, mit denen das subjektive Sicherheitsgefühl der Bürger*innen erhöht wird. Dies ist nicht identisch mit einer Verbesserung der konkreten Sicherheitssituation.
Von präventiven Sicherheitskonzepten ist von allen Seiten des politischen Spektrums die Rede. Oft ist damit jedoch nur Prävention im Sinne von möglichst frühzeitiger und umfassender Informationsgewinnung in Bezug auf alle Bürger*innen und ihre Daten gemeint. Eine Ausweitung solcher präventiven Sicherheitskonzepte muss sich an dem messen lassen, was sie für die Freiheitsrechte der hierzulande lebenden Menschen bedeutet.
PRO ASYL listet im Folgenden einige der in jüngster Zeit erhobenen politischen Forderungen auf, stellt sie in einen Kontext und versucht sie in ihrer möglichen Wirksamkeit zu bewerten:
Bezeichnenderweise wird nach den Anschlägen von Würzburg und Ansbach kaum über die Frage diskutiert, inwiefern Flüchtlingen eine psychologische Betreuung zuteil wird und insbesondere die Situation für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (UMF) sich darstellt. Zunächst ist festzustellen, dass es keine Kausalitätskette gibt, die vom Trauma zum Suizid, zum erweiterten Suizid oder gar zum Terroranschlag führt. Elise Bittenbinder, der Sprecherin der Bundesweiten Arbeitsgemeinschaft der psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer (BAfF), ist zuzustimmen, wenn sie sagt: „Trauma ist nicht gleich Gefahr.“
Zugleich muss aber deutlich klargestellt werden, dass die psychologische Behandlung von Flüchtlingen in Deutschland unter den rechtlich geforderten Standards liegt. Bereits 2013 hat die Europäische Union die Aufnahmerichtlinie (2013/33/EU – Aufnahme-RL) verändert, die gemeinsame Standards zur Aufnahme und Unterstützung von Asylsuchenden festlegt. Art. 21 der Aufnahme-RL erweitert die Garantien für besonders schutzbedürftige Asylsuchende. Hierzu zählen Minderjährige, unbegleitete Minderjährige, Behinderte, ältere Menschen, Schwangere, Alleinerziehende mit minderjährigen Kindern, Opfer des Menschenhandels, Personen mit schweren körperlichen Erkrankungen, Personen mit psychischen Störungen und Personen, die Folter, Vergewaltigung oder sonstige Formen psychischer, physischer oder sexueller Gewalt erlitten haben. Art. 25 Abs. 1 Aufnahme-RL hebt Opfer von Folter, Vergewaltigung oder anderen schweren Gewalttaten noch einmal besonders hervor. Für diese Personenkreise sieht Art. 19 Aufnahme-RL vor, dass sie eine besondere, ihren konkreten Bedürfnissen entsprechende, medizinische Behandlung erhalten. Damit sie diese Behandlung zuerkannt bekommen, muss der Mitgliedstaat nach Art. 22 Abs. 1 Aufnahme-RL dafür sorgen, dass ihre besondere Schutzbedürftigkeit im Rahmen des Asylverfahrens festgestellt werden kann.
Das deutsche Asylverfahren kennt bislang kein Verfahren zur Feststellung der besonderen Schutzbedürftigkeit von Asylsuchenden. Die deutsche Bundesregierung hat sich 2015 sogar geweigert die Aufnahmerichtlinie in das deutsche Asylrecht umzusetzen. Daraufhin hat die Europäische Kommission aufgrund des europarechtswidrigen Verhaltens ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland eingeleitet. Durch die Nichtumsetzung besteht die Gefahr, dass insbesondere Traumatisierte nicht die ihnen nach der Aufnahme-RL zustehende Behandlung erfahren, da sie schlicht nicht als Betroffene von Traumatisierungen erkannt werden. Der Gesetzgeber muss zwingend ein Verfahren implementieren, dass die Bedürfnisse von besonders schutzbedürftigen Asylsuchenden erfassen kann, damit sie Zugang zu benötigten Behandlungen erhalten können. Vollkommen widersinnig ist in diesem Zusammenhang, dass die Arbeit der psychosozialen Zentren in Deutschland nicht stärker finanziell unterstützt wird!
Nach den Taten in Bayern wurde von politischen Akteuren die Forderung erhoben, die ärztliche Schweigepflicht aufzuheben, um derartige Taten zu verhindern. Tatsächlich ist das Problem komplizierter. Schon heute können Ärzt*innen bei akuten Gefährdungssituationen die Schweigepflicht brechen und Erkenntnisse an Behörden weitergeben. Doch oft sind die Aussagen der Patient*innen im vertraulichen Gespräch nicht eindeutig. Würden Ärzt*innen bei jeder noch so vagen Annahme ihre Schweigepflicht brechen, so wäre das Vertrauensverhältnis massiv gestört. Der SZ-Autor Wolfgang Janisch bemerkt, dass hieraus nicht-intendierte Effekte resultieren könnten, die genau das Gegenteil bewirken: „Die Schweigepflicht soll Menschen, die an psychischen Störungen leiden, den Gang zum Arzt erleichtern, weil sie sich nicht vor Stigmatisierungen fürchten müssen. Wer damit rechnen muss, dass zum Beispiel die Polizei über seine Krankheit informiert wird, dürfte auf eine Behandlung verzichten. Das wäre ein Förderprogramm für tickende Zeitbomben“ (SZ vom 27. Juli 2016).
Im Hinblick auf die Situation von UMF hat der Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (BUMF) nach der Tat von Würzburg zu Recht erklärt: „Radikalisierung lässt sich nicht zu 100 Prozent verhindern, psychische Instabilität nicht in jedem Fall rechtzeitig auffangen, die Gefahren können jedoch reduziert werden. Die beste Prävention ist dabei die Gewährleistung von Schutz und der schnelle Aufbau von Perspektiven.“ Der BUMF bemerkt in diesem Zusammenhang, dass sich abrupte Hilfeabbrüche und die Verteilung in große Gemeinschaftsunterkünfte negativ auf die Situation der Jugendlichen auswirken.
Es werden von Teilen der Politik offenbar vorsätzlich die Begriffe Asylsuchende und Flüchtlinge in eins gesetzt. Die bayerische Staatsregierung etwa hat gefordert, Flüchtlinge auch in ihre Herkunftsländer abzuschieben. Man kommunizierte diese Absicht bewusst mit der Ansage, Tabus brechen zu wollen. Im Raum steht dabei z.B. die Forderung, auch bereits bei geringfügigen Straftaten, wobei man sich genauer offenbar nicht einlassen will, konsequenter abzuschieben. Dabei wurden die Hürden für die Ausweisung und Abschiebung von straffälligen Flüchtlingen gerade erst gesenkt. Erfahrungen liegen noch nicht vor. Wo die Grenze des rechtsstaatlich Akzeptablen verläuft, scheint selbst die CSU nicht sagen zu wollen. Ein Blick in Art. 33 Abs. 1 der Genfer Flüchtlingskonvention umreißt dabei den menschenrechtlichen Maßstab: „Keiner der vertragschließenden Staaten wird einen Flüchtling auf irgendeine Weise über die Grenzen von Gebieten ausweisen oder zurückweisen, in denen sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit. seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht sein würde.“ Wer Artikel 33 der Genfer Flüchtlingskonvention unterlaufen will, dem sei entgegengehalten: Er ruft zum Bruch des Völkerrechts auf.
Selbst diejenigen, die die Auffassung vertreten, jede Straftat müsse zur Aufenthaltsbeendigung führen, werden zugeben müssen, dass der Sicherheitsgewinn fraglich wäre, es sei denn, man betrachte z.B. einfachen Diebstahl als Beginn einer kriminellen, gar terroristischen Karriere oder als Symptom für eine generelle Verachtung des Rechtsstaates. Der Täter von Würzburg war nicht, der von Ansbach durch Drogen- und Nötigungsdelikte aufgefallen. Viele der Täter, die in den letzten Jahren im Ausland tödliche Anschläge begangen und Vergleichbares in Deutschland haben, waren zuvor strafrechtlich unauffällig geblieben.
Der Ruf nach verschärften Abschiebungen ertönt immer wieder, der Anlass ist dabei anscheinend nicht relevant, da die Forderung ohne Sachverhaltsbezug erhoben wird. Die Apologeten von „verschärften Abschiebungen“ bleiben jedenfalls schuldig, wie groß das angebliche „Vollzugsdefizit“ ist, das sich aus der Nichtdurchführung von Abschiebungen ergibt. Unseriös ist es, einfach die Gruppe der nach abgelehntem Asylantrag ausreisepflichtig gewordenen zu nehmen und zu behaupten, wer nicht das Land verlassen habe, gehöre in die angebliche Problem-Gruppe. Ein Blick in das Ausländerzentralregister ergibt, dass es mehr als 220.000 ausreisepflichtige Menschen in Deutschland gibt. Davon sind 168.000 aus sehr unterschiedlichen Gründen geduldet – die Gruppe ist derart heterogen, das hier nicht mit pauschalen Vereinfachungen gearbeitet werden kann. Denn viele Menschen können aus zwingenden rechtlichen – mitunter höherrangigen menschenrechtlichen Erwägungen – nicht abgeschoben werden. Dann ist das angebliche „Vollzugsdefizit“ aber nicht das Ergebnis zurückhaltender Behördenpraxis, sondern Ausfluss humanitärer Verpflichtungen des Staates.
Schaut man sich als Gegenprobe an, was aus erfolglos gebliebenen Asylbewerber*innen geworden ist, ergibt sich Überraschendes. Das Ausländerzentralregister weist aus, dass der Anteil der Asylsuchenden, die im Verfahren erfolglos geblieben sind, jedoch einen Aufenthaltstitel erhalten haben, überraschend hoch ist. Mitte 2015 lebten fast 450.000 Menschen mit rechtskräftigem abgelehntem Asylantrag in Deutschland. 47,1 % der Menschen aus dieser Personengruppe verfügten inzwischen über einen unbefristeten Aufenthaltstitel, 36,9 % über einen befristeten und nur 16 % hatten lediglich eine Duldung oder waren ohne Status im Ausländerzentralregister gespeichert. Es ist nicht so leicht, in Deutschland an einen Aufenthaltstitel zu kommen. Man muss eine ganze Reihe rechtlicher Voraussetzungen erfüllen. Mangels weiterer von staatlicher Seite erhobener Daten lässt sich schließen: Beim größten Teil der Fälle gab es offenbar gute Gründe für die Nichtausreise/Nichtabschiebung, sodass nach längerer Zeit die Erteilung eines Aufenthaltstitels möglich war. Die regelmäßig erhobene Forderung nach konsequenteren Abschiebungen, oft verbunden mit unseriösen Verallgemeinerungen von Einzelfällen, ist Propaganda.
Sicherheitsbehörden und Polizei können Asylsuchende wie andere Bürger auch, die im Lande leben, bei einer konkreten Gefahr ansprechen, die dann vorliegt, wenn eine Sachlage mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden der öffentlichen Sicherheit und Ordnung führen wird (sog. Gefährderansprache). Konkretisieren sich Gefährdungen, ist dies eine Sache klassischer Polizeiarbeit. Anlasslose Sicherheitsgespräche dürften wenig bringen. In den Verfolgerstaaten dürfen die Behörden aus grundsätzlichen rechtlichen Erwägungen heraus nicht anfragen. In Krieg- und Krisengebieten ist dies aufgrund einer zusammengebrochenen Staatlichkeit ohnehin kaum möglich.
Die Sicherheitsbehörden haben über das Vorleben der meisten Flüchtlinge keine eigenen Erkenntnisse. Wenn sich im Rahmen des Asylverfahrens Hinweise ergeben, dass Verbindungen zu terroristischen Organisationen bestehen, ja Asylsuchende an menschenrechtswidrigen Handlungen selbst beteiligt gewesen sein könnten, dann gibt dies Anlass zu Ermittlungen. All dies ist schon jetzt möglich, ohne eine Änderung der Gesetze.
Es ist sicherlich problematisch, dass mehr als 100.000 Flüchtlinge in Deutschland nicht ordentlich beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) registriert sind. Auch die meisten Flüchtlinge wären froh, dies wäre zeitnah geschehen und sie wären damit in ihren Asylverfahren auch schon einen Schritt weiter. Tatsächlich hat sich das Problem in der Zwischenzeit stark reduziert. Es ist im Übrigen nur in geringem Maße ein sicherheitspolitisches Problem. Bereits seit Ende des letzten Jahres werden Flüchtlinge fast ausnahmslos in Grenznähe erkennungsdienstlich behandelt. Dass sie nicht förmlich beim BAMF registriert sind, hat also nicht zur Folge, dass man sie nicht, falls sie Straftaten begingen, im EDV-System finden könnte.
Natürlich lässt sich aus der ED-Behandlung auf das Vorleben eines Menschen nicht schließen. Dies gilt allerdings auch, möglicherweise in reduziertem Maße, für alle Arten kontrollierter Grenzübertritte. Mit der Speicherung biometrischer Daten lässt sich keinesfalls jedes Risiko ausschließen. Politische Behauptungen derart „wir müssen wissen, wer bei uns lebt“ sind vor diesem Hintergrund aus gutem Grund unpräzise.
Es wird teilweise der Eindruck erweckt, Asylsuchende hätten Anteil an der Problematik, dass sie beim Bundesamt noch nicht registriert sind. Dies ist nicht der Fall, hängen doch ihre integrativen Perspektiven, von der Asylentscheidung über den Arbeitsmarktzugang, vom Besuch der Integrationskurse bis zur Familienzusammenführung mit der gelungenen Registrierung zusammen. In einigen Bundesländern klappen die sogenannten Nachregistrierungen besser, insbesondere da, wo die Länder es in die Hand genommen haben, die chaotischen Zustände beim Bundesamt mit eigenem Personal zu unterstützen.
Es ist zu hoffen, dass am Ende dieses Prozesses das mit dem sogenannten Datenaustauschverbesserungsgesetz auf eine veränderte Grundlage gestellte System so funktioniert, dass flexibel auf unterschiedliche Zugangszahlen von Asylsuchenden reagiert werden kann. Der Täter von Ansbach erreichte Deutschland im Jahr 2013 übrigens zu einem Zeitpunkt, als es die genannten Probleme im Registrierungsprozess nicht in dieser Form gab.
Anlass der Forderung ist, dass der Attentäter von Ansbach wohl seine Bombe in der Flüchtlingsunterkunft gebaut hat. Die näheren Umstände werden zu ermitteln sein. Daraus die Forderung nach einer regelmäßigen systematischen Durchsuchung aller von Flüchtlingen bewohnten Unterkünfte und Wohnungen abzuleiten, ohne dass ein konkreter Anlass bzw. Verdacht vorliegt, ist überzogen. Auch Asylsuchenden muss ein Minimum an Privatsphäre zugestanden werden.
Schon jetzt ist es an der Tagesordnung, dass Wohnheimbetreiber, Hausmeister, Mitarbeiter von Security Firmen sich ohne Anlass Zutritt zu Wohnräumen Asylsuchender verschaffen, ob sie anwesend sind oder nicht. Polizeibehörden haben in den vergangenen Jahren immer wieder betont, dass Flüchtlingswohnheime, von wenigen Ausnahmen abgesehen, nicht gefährliche Orte im Sinne von Kristallisationspunkten der Kriminalität sind. Hinzu kommt: In vielen Bundesländern wohnt ein Großteil der Asylsuchenden über kurz oder lang in Privatwohnungen. Es wäre sowohl unpraktikabel als auch grundrechtswidrig, hier die Voraussetzungen für anlasslose Razzien schaffen zu wollen. Praktikabel wären sie wegen des erforderlichen Personaleinsatzes auch nicht.
Unter den Parteien herrscht anscheinend Einigkeit über eine personelle Verstärkung der Polizei. Tatsächlich hat der Sparzwang der Politik auch vor den Polizeibehörden nicht Halt gemacht. Fraglich ist dennoch, ob eine reine finanzielle und personelle Aufwertung der Weisheit letzter Schluss ist. Fragt man bei Politiker*innen genauer nach, wie genau die Verstärkung der Polizei ausgestaltet werden soll, gibt es keine belastbaren Konzepte.
Der Einsatz von mehr Polizist*innen in den deutschen Innenstädten oder an neuralgischen Punkten dient letztlich nur dem subjektiven Sicherheitsgefühl der Bürger*innen, die präventive Wirkung gegenüber gewaltsamen Taten ist aber mehr als fraglich. Schließlich schlagen die Täter immer öfter an Orten zu, die fernab der sicherheitsbehördlichen Aufmerksamkeit liegen, z.B. Einkaufszentren, Musikfestivals etc. Die Forderung nach einer Vollüberwachung dieser Orte ist illusorisch. Der Ausnahmezustand in Frankreich zeigt zudem, dass sich selbst bei erhöhter Präsenz der Polizei verbunden mit ausgeweiteten Kompetenzen, bestimmte Anschläge nicht verhindern lassen.
Dass Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) mitteilte, in München hätten bereits die Feldjäger der Bundeswehr auf Abruf gestanden, ist ein gefährliches Signal. Bereits in der Vergangenheit wurde nach sehr vielen, unterschiedlichen Anlässen ein Einsatz der Bundeswehr im Innern gefordert. Ganz abgesehen von der verfassungsrechtlichen Unzulässigkeit dieses Vorhabens ist es fraglich, welches Mehr an Sicherheit die Bundeswehr gegenüber der Polizei ins Spiel bringen kann.
Die Polizeieinheiten selbst sind mittlerweile derart ausgestattet, dass sie in der Lage sind, auch paramilitärische Bedrohungen in den Griff zu bekommen. Außerdem gingen die Täter in den bayerischen Städten mit Waffen und Taktiken vor, die auch die Bundeswehr nicht hätte effektiv bekämpfen können – zumindest nicht anders oder besser als die Polizei.
Praxisbezogene Kritik kommt von Polizeigewerkschaften und vom Bundeswehrverband. Oliver Malchow, Vorsitzender der GdP, weist nicht nur auf die verfassungsmäßige Aufgabenteilung hin. Die Polizei habe auch einen ganz anderen Auftrag als die Bundeswehr. Die Polizei sei handlungsfähig bei Terrorgefahr und Amokläufen. Dabei gelte: „Für die Polizei sind solche Menschen in erster Linie Mörder und keine Krieger.“ „Die Bundeswehr ist keine Hilfspolizei.“, so äußerte sich der stellvertretende Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, Andreas Steinmetz. Terrorismus sei vor allem Polizeiarbeit. Anderes gelte nur für Großlagen, die ohne Streitkräfteeinsatz nicht mehr beherrschbar seien.