11.01.2012
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Nicht erst seit dem Aufstand in Syrien zwingt das Assad-Regime Menschen zur Flucht aus Syrien. Das Bild zeigt Demonstranten vor der syrischen Botschaft in Kairo. Foto: flickr / Maggie Osama (Lizenz <a href="http://creativecommons.org/licenses/by-nc-sa/2.0/deed.de">CC BY-NC-SA 2.0</a>)

Asylsuchende, die über Ungarn in die EU eingereist sind, werden im Zuge der Dublin-II-Verordnung nach Ungarn abgeschoben. Von dort aus droht ihnen die Abschiebung – sogar nach Syrien.

Asyl­su­chen­de, die das Gebiet der Euro­päi­schen Uni­on zuerst in Ungarn betre­ten haben, kön­nen nach der Dub­lin-II-Ver­ord­nung aus Deutsch­land und ande­ren EU-Staa­ten zurück nach Ungarn abge­scho­ben wer­den. Dort wer­den die Betrof­fe­nen inhaf­tiert und teil­wei­se sogar in ihr Her­kunfts­land abge­scho­ben. In Ungarn dro­hen auch Abschie­bun­gen nach Syrien.

Obwohl dort der­zeit täg­lich schwers­te Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen doku­men­tiert wer­den, will das unga­ri­sche Minis­te­ri­um für Flücht­lings­an­ge­le­gen­hei­ten fest­ge­stellt haben, „dass die Syri­sche Ara­bi­sche Repu­blik als ein siche­res Her­kunfts­land betrach­tet wer­den kann, wo der Abzu­schie­ben­de weder aus Grün­den der Her­kunft , Reli­gi­on, Natio­na­li­tät, gesell­schaft­li­cher Zuge­hö­rig­keit oder wegen sei­ner poli­ti­schen Mei­nung der Gefahr der Ver­fol­gung aus­ge­setzt ist“ – so ist in einem Ent­scheid der unga­ri­schen Behör­de für Immi­gra­ti­on zu lesen, in der es um die Abschie­bung eines Syrers geht, der in Syri­en an Demons­tra­tio­nen gegen das Assad-Regime teil­ge­nom­men hat­te und dar­auf­hin flüch­ten musste.

Der­zeit sit­zen vier syri­sche Asyl­su­chen­de in Mün­chen in Abschie­be­haft – sie sol­len von Deutsch­land nach Ungarn abge­scho­ben wer­den und müs­sen befürch­ten, von Ungarn aus wei­ter nach Syri­en abge­scho­ben zu wer­den. Dar­un­ter sind nach Anga­ben des baye­ri­schen Flücht­lings­rats zwei syri­sche Deser­teu­re. Nach einer Ant­wort des deut­schen Innen­mi­nis­te­ri­ums auf eine Pres­se­an­fra­ge sieht die­ses den­noch „kei­ne Ver­an­las­sung, von Über­stel­lun­gen gemäß der Dub­lin-Ver­ord­nung nach Ungarn abzu­se­hen, sofern nicht im Ein­zel­fall außer­ge­wöhn­li­che huma­ni­tä­re Umstän­de einer Über­stel­lung ent­ge­gen­ste­hen und zu einer Durch­füh­rung des Asyl­ver­fah­rens in Deutsch­land füh­ren.“ Eine sol­che Aus­nah­me, so das Bun­des­in­nen­mi­nis­te­ri­um, lie­ge aber „nicht bereits dar­in begrün­det, dass es sich bei den Asyl­be­wer­bern um Deser­teu­re der syri­schen Armee handelt.“

Das Bun­des­mi­nis­te­ri­um des Innern geht wei­ter davon aus, „dass die Gewähr­leis­tun­gen des euro­päi­schen und inter­na­tio­na­len Flücht­lings­rechts sowie der ein­schlä­gi­gen Men­schen­rechts­ko­di­fi­ka­tio­nen, ins­be­son­de­re das Ver­bot des Refou­le­ment, von Ungarn als Mit­glied­staat der Euro­päi­schen Uni­on ein­ge­hal­ten wer­den“. Das Minis­te­ri­um behaup­tet, gegen­tei­li­ge Erkennt­nis­se lägen der­zeit nicht vor.

Dabei zeigt ein aktu­el­ler Bericht des unga­ri­schen Hel­sin­ki-Komi­tees, dass Ungarn die vom Bun­des­in­nen­mi­nis­te­ri­um erwähn­ten ver­brief­ten Flücht­lings­rech­te ins­be­son­de­re im Fal­le von Schutz­su­chen­den miss­ach­tet, die im Zuge der Dub­lin-II-Ver­ord­nung nach Ungarn zurück­ge­scho­ben wur­den: Sie erhal­ten in Ungarn pau­schal eine Aus­wei­sungs­an­ord­nung – auch wenn sie einen Asyl­an­trag stellen.

Denn da die meis­ten Betrof­fe­nen bereits bei ihrer ers­ten Ankunft in Ungarn einen Asyl­an­trag gestellt haben, den sie nach ihrer Zurück­schie­bung nach Ungarn nicht wie­der auf­neh­men kön­nen, wird ab nun ihr Asyl­ge­such als Fol­ge­an­trag gewer­tet. Das per­fi­de dar­an: Wer in Ungarn einen sol­chen Fol­ge­an­trag stellt, bekommt kei­nen Rechts­schutz vor Abschie­bung und kann also ein­fach abge­scho­ben wer­den – obwohl ihr Asyl­ge­such in kei­nem EU-Staat abschlie­ßend geprüft wurde.

2010 wur­den 200 Men­schen von Deutsch­land nach Ungarn abge­scho­ben, im ers­ten Halb­jahr des Jah­res 2011 waren es 49.

 Ungarn: Sys­te­ma­ti­sche Ver­let­zung der Men­schen­rech­te von Flücht­lin­gen (15.03.12)