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Ein Bild aus einem Flüchtlingslager auf europäischem Boden im Jahr 2019: Schutzsuchende auf der griechischen Insel Kos im »Hotspot« von Pyli zwischen notdürftig aus Pappe und Decken gebauten Zelten. Das Lager umfasst 800 Aufnahmeplätze, Ende Juli 2019 mussten hier rund 1.800 Menschen hausen. Foto: ©UNHCR / Sokrates Baltagiannis

Die EU hat über Jahre das Lagerelend auf den griechischen Inseln ignoriert und die rechtswidrigen Zustände für Asylsuchende hingenommen. Statt Schutzsuchende aufzunehmen und ihnen einen Zugang zum Asylverfahren zu ermöglichen, setzt man nun mit aller Kraft auf Abschiebungen in die Türkei – ein Land, das nicht sicher ist.

Die Lage in der Ägä­is spitzt sich immer wei­ter zu. Auf den grie­chi­schen Inseln har­ren mehr als 25.000 Men­schen aus; rund 40 Pro­zent von ihnen sind UNHCR-Anga­ben zufol­ge Kin­der und Jugend­li­che unter 17 Jahren.

Die grie­chi­sche Regie­rung hat jüngst einen Hil­fe­ruf an die euro­päi­schen Staa­ten abge­setzt, vor­dring­lich Min­der­jäh­ri­gen die Wei­ter­rei­se in ande­re EU-Staa­ten zu ermög­li­chen. Dies könn­te akut Abhil­fe schaf­fen; vie­le von ihnen haben zudem Fami­li­en­an­ge­hö­ri­ge inner­halb der EU.

Die EU muss die rechts­wid­ri­gen Zustän­de für Asyl­su­chen­de in Grie­chen­land aller­dings dau­er­haft been­den. Flücht­lin­ge wer­den teils über Jah­re in über­füll­ten Lagern fest­ge­setzt, ihr Rechts­an­spruch auf Schutz sys­te­ma­tisch ignoriert.

Sie dro­hen zum Spiel­ball der Macht­in­ter­es­sen der Tür­kei, Grie­chen­lands und der EU-Staa­ten zu wer­den. Jüngs­te For­de­run­gen sei­tens der EU und auch Deutsch­land set­zen auf mehr Abschie­bun­gen in die Tür­kei. Die grie­chi­sche Regie­rung will mit einem Gesetz­ent­wurf Rück­füh­run­gen in die Tür­kei ermöglichen.

Türkei ist kein sicherer Drittstaat

Laut Medi­en­be­rich­ten sind im kom­men­den Herbst Ver­schär­fun­gen des grie­chi­schen Asyl­rechts und der Anwen­dung des EU-Tür­kei-Deals geplant. Dem­nach ist vor­ge­se­hen, die Tür­kei zum »siche­ren Dritt­staat« zu erklä­ren und auch vom Fest­land aus Schutz­su­chen­de in die Tür­kei zurückzubringen.

Es gibt für Afghan*innen, Syrer*innen und ande­re in der Tür­kei kei­nen Schutz nach der GFK.

Der­weil for­dert die EU-Kom­mis­si­on und laut Spie­gel-Online-Bericht auch die deut­schen Behör­den, die Rück­füh­run­gen in die Tür­kei im Rah­men des Deals zu ver­stär­ken. Eine Auf­for­de­rung, die voll­kom­men an der Rea­li­tät vor­bei­geht. Die Tür­kei ist nicht sicher. Eine Abschie­bung in die Tür­kei kann eine Ket­ten­ab­schie­bung in die Her­kunfts­län­der nach sich zie­hen. Die Tür­kei hat die Gen­fer Flücht­lings­kon­ven­ti­on (GFK) nur mit geo­gra­phi­schem Vor­be­halt rati­fi­ziert. Es gibt für Afghan*innen, Syrer*innen und ande­re kei­nen Schutz nach der GFK.

Auch für Syrer*innen hat sich die Situation in der Türkei verschärft

Syrer*innen droht erzwun­ge­ne Rück­kehr nach Syri­en. Seit Mit­te Juli wur­den hun­der­te syri­sche Flücht­lin­ge abge­scho­ben, u.a. in die wei­ter­hin umkämpf­te Regi­on Idlib. Am 22. Juli setz­te der Gou­ver­neur von Istan­bul den in der Stadt leben­den syri­schen Flücht­lin­gen ohne Regis­trie­rung oder mit Regis­trie­run­gen aus ande­ren Regio­nen eine Frist von einem Monat, um in die­se Regio­nen zurück zu keh­ren. Schon in der Woche davor wur­de aber laut Berich­ten ange­fan­gen, Syrer*innen ver­stärkt zu kontrollieren.

Berich­te gehen von meh­re­ren Tau­send abge­scho­be­nen Syrer*innen allein im Juli 2019 aus.

In der Tür­kei wur­de zudem die Mög­lich­keit der Inhaf­tie­rung Schutz­su­chen­der aus­ge­wei­tet. Unter Andro­hung unli­mi­tier­ter Haft wer­den Syrer*in Abschie­be­haft dazu genö­tigt, ihrer »frei­wil­li­gen« Rück­kehr zuzu­stim­men. Von frei­em Wil­len kann unter die­sen Umstän­den nicht die Rede sein. Berich­te gehen von meh­re­ren Tau­send abge­scho­be­nen Syrer*innen allein im Juli 2019 aus.

Die­se Abschie­bun­gen sind ein kla­rer Ver­stoß gegen das völ­ker­recht­li­che Abschie­bungs­ver­bot, das soge­nann­te Refou­le­ment-Ver­bot, denn in Syri­en droht wei­ter­hin poli­ti­sche Ver­fol­gung und Gefahr durch Kämp­fe – beson­ders in Idlib, wel­ches täg­lich vom Assad-Regime bom­bar­diert wird.

Die Flücht­lin­ge in der Tür­kei gera­ten zuneh­mend in eine aus­weg­lo­se Situa­ti­on: Sie wer­den einem Ver­trei­bungs­druck aus­ge­setzt, dem Euro­pa taten­los zusieht.

Die Abschie­bun­gen rei­hen sich ein in eine gene­rell für syri­sche Flücht­lin­ge ver­schärf­te Lage in der Tür­kei. So haben schon 2018 meh­re­re Pro­vin­zen, dar­un­ter auch Istan­bul, auf­ge­hört Syrer*innen zu regis­trie­ren – wodurch sie ohne Sta­tus und ohne Schutz in der Tür­kei leben. Auch wach­sen die Res­sen­ti­ments in der Tür­kei gegen Flücht­lin­ge und es kommt zu Übergriffen.

Die Flücht­lin­ge in der Tür­kei gera­ten zuneh­mend in eine aus­weg­lo­se Situa­ti­on: Sie wer­den einem Ver­trei­bungs­druck aus­ge­setzt, dem Euro­pa taten­los zusieht.

(akr / mz)