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Die wichtigsten Zahlen und Fakten zur Asyldebatte
Wie viele Menschen stellen einen Asylantrag in Deutschland? Was sind die Hauptherkunftsländer? Wie viele Geflüchtete bekommen Schutz zugesprochen? Wie viele Ausreisen und Abschiebungen gibt es? Mit Zahlen und Fakten den verbreiteten Vorurteilen in der Asyldebatte begegnen.
2015 war es in Deutschland weit verbreitete Überzeugung, dass die zu uns Geflüchteten ein Anrecht auf Schutz und Aufnahme haben. Inzwischen hat sich die öffentliche Stimmung gedreht – ohne dass an der Not der Menschen, die zu uns kommen, irgendetwas anders wäre.
Das vom Krieg verwüstete Syrien ist nach wie vor Hauptherkunftsland schutzsuchender Menschen in Deutschland. Ein weiteres Hauptherkunftsland, Afghanistan, hat Syrien 2019 als das unsicherste Land der Welt mittlerweile abgelöst und belegt auf dem Global Peace Index den letzten Platz.
Die Lage in der Türkei spitzt sich immer weiter zu – nicht nur für Flüchtlinge aus Syrien, Afghanistan und Iran, sondern auch für türkische Staatsbürger*innen. Der repressive Staatsapparat führt zu massiven Fluchtbewegungen; die Türkei gehört mittlerweile zu den Hauptherkunftsländern bei Asylerstanträgen in Deutschland.
Sinkende Flüchtlingszahlen
Der Trend der letzten Jahre setzt sich auch 2019 fort: Im ersten Halbjahr war die Zahl der Asylerstanträge mit 73.000 um fast 11% geringer im Vergleich zum selben Zeitraum 2018. Rund 21% der Erstanträge wurden zwischen Januar und Juni für hier geborene Kinder (15.600) gestellt, d.h. die Zahl der neu eingereisten Asylsuchenden lag bei rund 57.400.
Hinzu kommen noch 11.900 Folgeasylanträge von Personen, die i.d.R. bereits länger in Deutschland leben.
Antragszahlen deutlich unter Prognose
Die Bundesregierung rechnet für das Jahr 2019 mit einer Zuwanderung von 140.000 – 150.000 Personen und damit deutlich unter dem im Koalitionsvertrag vereinbarten »Korridor« von 180.000 – 220.000. Bei bislang rund 1.400 humanitären Aufnahmen und 14.000 Visa zum Familiennachzug, die man zu den Asylzahlen hinzuzählen kann und abzüglich 13.000 Abschiebungen und Dublin-Überstellungen sowie 6.800 »freiwilligen« Ausreisen kommt man im 1. Halbjahr 2019 auf rund 53.000 Zuwanderungen im Rahmen dieses »Korridors«, auf das Gesamtjahr hochgerechnet also auf 106.000.
Es kann davon ausgegangen werden, dass die Netto-Zuwanderung von Geflüchteten bei deutlich unter 50.000 im ersten Halbjahr 2019 liegt.
Ausreisen nicht vollständig erfasst
Da die Zahl der »freiwilligen Ausreisen« statistisch nicht erfasst wird und viel höher liegt als allein die statistisch erfassten geförderten Ausreisen, kann davon ausgegangen werden, dass die »Netto-Zuwanderung« im Flüchtlingsbereich bei deutlich unter 50.000 liegt, d.h. bis Ende des Jahres bei weniger als 100.000. Hierfür spricht zudem, dass unter den Erstanträgen mehrere Tausend Personen sind, die über den Familiennachzug kamen, zur Statusklärung hier aber einen Asylantrag stellen und damit doppelt gezählt werden. Bis Jahresende könnten dies ca. 15.000 Personen sein.
Aufnahmekapazitäten frei
Die faktische Zuwanderung von Geflüchteten ist also gerade einmal halb so hoch wie der von Innenminister Seehofer durchgesetzte Korridor. Dem stehen erhebliche freie Aufnahmekapazitäten in Deutschland gegenüber.
Selbst wenn man die flüchtlingsfeindlichen Kriterien von CSU-Hardlinern anlegt, gäben die geringen Zahlen ausreichend Raum, um menschenrechtswidrige Regelungen, wie den auf 1.000 Personen pro Monat kontingentierten Familiennachzug zu subsidiär Geschützten zurückzunehmen, der Flüchtlingsfamilien über viele Jahre voneinander trennt. Stattdessen wird weiter auf Basis zu hoher Zahlen restriktive Flüchtlingspolitik gemacht.
Menschen kommen aus Kriegs- und Krisengebieten
Dass die Zugangszahlen in Deutschland erneut deutlich zurückgehen, obwohl sich die Situation in den meisten Herkunftsländern nicht verbessert oder zum Teil sogar verschärft hat, hat vor allem mit zunehmender europäischer Abschottung, immer restriktiveren Gesetzen sowie einer äußerst rigiden Abschiebungspraxis zu tun.
Die Hauptherkunftsländer haben sich im Vergleich zu 2018 nämlich kaum geändert: Mit einem Anteil von über einem Viertel stellten erneut Syrer*innen (19.600) die größte Gruppe der Asylsuchenden. Dahinter folgen der Irak (6.900), Nigeria (6.400), die Türkei (4.700) und der Iran (4.400). Mit Somalia und Eritrea finden sich weitere Länder in den Top 10, in denen Verfolgung und schwerste Menschenrechtsverletzungen an der Tagesordnung sind.
Steigende Schutzquoten? Ja, aber…
Immerhin: die Schutzquote ist nach dem Sinkflug der vergangenen Jahre wieder ein wenig gestiegen. Nachdem sie von 71% im Jahr 2016 auf 53% in 2017 und nur noch 50% im vergangenen Jahr zurückging, liegt sie nunmehr bei 54%, was die inhaltlich geprüften Fälle angeht.
Auffällige Veränderungen im positiven Sinne sind insbesondere beim Irak (von 46% in 2018 auf 53% im ersten Halbjahr 2019) und bei Afghanistan (von 52% auf 63%) zu verzeichnen. Vor allem bei Afghanistan ist dies u.a. auf die überproportional hohe Erfolgsquote bei Gerichtsverfahren zurückzuführen: Im Jahr 2018 waren 58% der afghanischen Flüchtlinge vor Gericht erfolgreich, wenn ihre Klagen inhaltlich geprüft und entschieden wurden. Dass weit mehr als die Hälfte der Bescheide des BAMF zu Afghanistan als falsch bewertet wurde, musste irgendwann eine verbesserte Anerkennungspraxis als Konsequenz haben.
Viele durch Familienasyl anerkannt
Allerdings ist auch bei den erhöhten Schutzquoten Vorsicht geboten: 70% der vom BAMF als Flüchtlinge anerkannten Afghan*innen haben Familienasyl erhalten, welches sich vom engen Familienmitglied ableitet, also bspw. hier geborene Kinder von Anerkannten oder nachgezogene Ehegatt*innen oder Eltern von unbegleiteten Minderjährigen, die zur Statusklärung Asyl beantragt haben. Im Jahr 2018 lag dieser Anteil noch bei 48%, also deutlich niedriger.
Bezogen auf alle Herkunftsländer haben 25.000 Personen Flüchtlingsschutz durch das BAMF erhalten, 19.000 oder 78% von ihnen abgeleitet von Familienangehörigen. Besonders hoch ist diese Quote mit 96% bei Syrer*innen, 95% bei Eritreer*innen und 93% beim Irak. Oftmals dürfte es sich hierbei um in Deutschland geborene Kinder handeln.
Bei den Anerkennungen ergibt sich dadurch ein anderes Bild. Unter den Staaten mit den höchsten Schutzquoten gibt es kaum »eigenständige« Flüchtlingsanerkennungen. Damit setzt das BAMF um, was die Politik vorgibt. Wenn sich die Schutzzuerkennung für wichtige Hauptherkunftsländer nahezu ausschließlich auf den subsidiären Schutz und Abschiebungsverbote reduziert, wird der Nachzug potentieller Familienangehöriger massiv erschwert und über Jahre verzögert. Die langjährige Verhinderung der Familieneinheit durch eine solche Praxis soll Signale senden, dass Deutschland nicht attraktiv für Schutzsuchende ist.
Die bereinigte Schutzquote lag für Syrien insgesamt bei fast 100%, für Irak bei 53%, für Nigeria bei 15%, für die Türkei bei 51%, für den Iran bei 28%, für Afghanistan bei 63%, Somalia bei 67%, und für Eritrea bei 90%. Die Schutzquoten von fast allen Hauptherkunftsländern belegen – trotz der zunehmend restriktiven Praxis und der genannten Einschränkungen – erheblichen Schutzbedarf.
Weitere Verschlechterung bei der Anerkennungspraxis
Im Frühjahr 2019 wurden die Herkunftsländer-Leitsätze für Syrien vom BAMF zwischenzeitlich geändert, was die Ablehnung von internationalem Schutz für Syrer*innen zur Folge hatte. Sie erhielten für einige Wochen nur noch ein Abschiebungsverbot aufgrund der schlechten humanitären Lage in Syrien, bis diese Praxis und die Änderung der Leitsätze vom Bundesinnenministerium gestoppt wurden.
Auch bei Ländern wie Eritrea – 2017 erhielten mit 98% noch nahezu alle Betroffenen Schutz – lässt sich nicht nur eine sich verschlechternde Anerkennungspraxis durch zunehmende Gewährung von nur noch subsidiärem Schutz, sondern insbesondere auch eine verschärfte Ablehnungspraxis beobachten. Auch beim Iran hat sich die Quote von 57% in 2017 halbiert, ohne dass man von einer Verbesserung der menschenrechtliche Lage sprechen kann.
Im Frühjahr 2019 wurden die Herkunftsländer-Leitsätze für Syrien vom BAMF zwischenzeitlich geändert, was einige Wochen lang die Ablehnung von internationalem Schutz für Syrer*innen zur Folge hatte.
Mehr als ein Viertel falscher Bescheide
Die zunehmend restriktive BAMF-Linie wird von den Verwaltungsgerichten häufig nicht mitgetragen: Eine Vielzahl an Bescheiden des BAMF wird von den Verwaltungsgerichten als mangelhaft oder falsch erachtet und aufgehoben. Im ersten Quartal betraf dies über 6.000 Schutzsuchende oder 27% aller inhaltlich durch Gerichte überprüften Entscheidungen. Bis zum Halbjahr ist diese Quote offenbar leicht gesunken (ca. 26%, aktuelle Zahlen liegen derzeit noch nicht vor).
Erfolge vor Gericht für Afghan*innen
Afghanische Flüchtlinge erhielten im ersten Quartal in fast jedem zweiten Fall (48%) einen Schutzstatus zugesprochen, auch bei Staaten wie Somalia (48%) oder dem Iran (42%) waren die Erfolgsquoten recht hoch. Aus dem Iran kommen überwiegend iranische Christ*innen, denen das BAMF zumeist keinen Glauben schenkt, sondern ihnen »asyltaktische Motive« bei der Konvertierung unterstellt.
Lange, zermürbende Gerichtsverfahren
Da gerichtliche Verfahren im Durchschnitt rund 16 Monate, in vielen Fällen aber auch weit mehr als zwei oder drei Jahre dauern, sind viele Schutzsuchende durch die restriktiven Entscheidungen selbst im Falle einer Schutzgewährung durch die Gerichte über viele Jahre in Unsicherheit, was ihre persönliche Zukunft betrifft. Für die Betroffenen ist dies sehr zermürbend. Erschwerend kommt in diesen Fällen hinzu, dass ein möglicher Familiennachzug durch eine erst verspätete Schutzgewährung durch die Gerichte über viele Jahre hinweg ausgeschlossen ist.
Dublin: Sinnlose Bürokratie, Unmenschlichkeit und Überlastung der EU-Außenstaaten
Mehr als ein Drittel (35%) aller beim BAMF behandelten Asylfälle waren im 1. Halbjahr 2019 sogenannte Dublin-Fälle, in denen ein anderer europäischer Staat als zuständig erachtet wird. Rund 25.500 Mal wurde ein entsprechendes Übernahmeersuchen vom BAMF an einen anderen EU-Staat versendet, abgeschoben wurden 4.200.
Im Ergebnis sind Dublin-Verfahren vor allem Eines: sinnlose Bürokratie auf Kosten der Menschen. Zumal 3.000 Überstellungen aus anderen Dublin-Staaten im selben Zeitraum nach Deutschland erfolgten, Deutschland im Ergebnis also gerade einmal für 1.200 Asylverfahren weniger zuständig gewesen ist. Hinter diesen Zahlen steckt jedoch eine riesige Bürokratiemaschinerie und ein kaum vorstellbarer Personalaufwand – nicht nur in Deutschland, sondern in allen beteiligten Dublin-Staaten.
Ergebnis der gigantischen, europaweiten Dublin-Bürokratie im ersten Halbjahr 2019: Gerade einmal 1.200 Asylverfahren weniger in der deutschen Zuständigkeit.
Die Folgen der Dublin-Verordnung sind häufig verheerend: Fast 28% der Abgeschobenen landeten in Italien, wo ihnen oftmals ein perspektivloses Leben in Obdachlosigkeit und Elend droht. Auch nach Griechenland nimmt die Zahl der Überstellungen zu: Mit sieben an der Zahl war sie zwar noch sehr klein, aber bereits zum Halbjahr höher als im gesamten Jahr 2018. Mit über 4.200 gingen nach Italien die zweitmeisten Übernahmeersuche an Griechenland, das aufgrund mangelnder Aufnahmekapazitäten und –strukturen jedoch zumeist nicht die erforderlichen individuellen Garantien für eine adäquate Unterbringung abgeben konnte und die Übernahme zumeist verweigerte. Der Trend geht demzufolge weiter in eine äußerst bedenkliche Richtung. Nach wie vor sind insbesondere die Staaten an der EU-Außengrenze belastet.
Dass die neue EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vor Amtsantritt bekundete, dass sie die Dublin-Regel »nie wirklich verstanden« habe, ist plausibel. Angesichts der unzähligen menschlichen Härtefälle und Schicksale, die dieses System produziert, kann eine Reform des Dublin-Systems nur durch mehr Solidarität und eine gerechte Lastenverteilung erreicht werden. Vor allem muss sie menschenrechtliche Aspekte in den Vordergrund rücken.
Die Mär vom sogenannten »Identitätstäuscher«
Immer wieder wird behauptet, die meisten Asylsuchenden würden keine oder gefälschte Dokumente vorlegen und ihre Identität verschleiern. Nicht zuletzt ausgelöst durch den Fall Franco A., einen rechtsextremen Bundeswehroffizier, der sich im Asylverfahren als Syrer ausgab und anerkannt wurde, wurde gemutmaßt, dass viele der 2015 und 2016 eingereisten Flüchtlinge fälschlicherweise anerkannt worden seien. Auch in den Medien wurde immer wieder berichtet, dass 2015 Hunderttausende Schutz erhielten, weil sie lediglich ankreuzen mussten, dass sie Syrer*innen, Iraker*innen oder Eritreer*innen sind.
Kaum Widerrufe oder Rücknahmen
Die Widerrufsprüfverfahren, in die das BAMF seit dem zweiten Halbjahr 2017 massenhaft eingestiegen ist, entlarven diese Mutmaßungen jedoch als blanken, flüchtlingsfeindlichen Populismus, der jeglicher Grundlage entbehrt. Im ersten Halbjahr 2019 wurden fast 100.000 neue Widerrufsprüfungen eingeleitet, in 62.100 Fällen gab es Entscheidungen über Widerrufe. In gerade einmal 2,8% der Fälle kam es zu einem Widerruf oder einer Rücknahme des Schutzstatus.
Sonderlich verwunderlich ist diese geringe Quote kaum, da sich für einen Widerruf die Umstände immer Herkunftsland nachhaltig verändert haben müssen. Hiervon kann aber bei den Hauptherkunftsländern in den meisten Fällen keine Rede sein. Die meisten Widerrufe erfolgten wegen individueller Gründe.
In nur 0,5% der Fälle kam es zu einer Rücknahme des positiven Asylbescheids aufgrund falscher Angaben der Betroffenen, wie bspw. einer Täuschung der Identität.
In nur 0,5% der Fälle kam es zu einer Rücknahme des positiven Asylbescheids aufgrund falscher Angaben der Betroffenen, wie bspw. einer Täuschung der Identität. Im Fragebogenverfahren – also diejenigen Fälle, die scheinbar nur ihre Nationalität »ankreuzen« mussten – war der Anteil der Rücknahmen mit 0,2% noch geringer. Auch wurden bei nachträglichen Überprüfungen von Identitätsdokumenten nur 0,8% der überprüften Dokumente beanstandet – in wie vielen dieser Fälle eine Täuschung zur Herkunft oder Identität vorlag, kann die Bundesregierung noch nicht einmal sagen.
Mit anderen Worten: 99,5% der ursprünglichen positiven Asylentscheidungen sind völlig zu Recht ergangen, im Fragebogenverfahren sogar 99,8%. Der Anteil derer, die scheinbar zu Hunderttausenden fälschlicherweise Schutz erhalten haben sollen, ist also verschwindend gering. Die immer wiederkehrende Behauptung, Flüchtlinge würden zuhauf ihre Identität verschleiern und seien dadurch fälschlicherweise anerkannt worden, hält der Überprüfung nicht stand.
Statt mehr Qualität – mehr Widerrufsverfahren
Trotz dieser recht eindeutigen Zahlen zeigen die fast 100.000 Widerrufsprüfungen im ersten Halbjahr im Vergleich zu 73.000 Asylverfahren den von Präsident Sommer angekündigten Weg des BAMF: Die Nürnberger Behörde entwickelt sich von einer Asyl- zu einer Widerrufsbehörde. Seine angekündigte Qualitätsoffensive bei der Prüfung von Asylanträgen fiel hingegen weitgehend aus. Angesichts der Tatsache, dass nach wie vor mehr als ein Viertel aller BAMF-Asylbescheide mangelhaft oder falsch sind und den Betroffenen von den Verwaltungsgerichten immer noch zu Tausenden ein (besserer) Schutzstatus zuerkannt wird, sollte das BAMF sich vor allem um eine Überprüfung seiner negativen Bescheide kümmern.
Angesichts der zahlreichen Korrekturen der Bescheide durch Verwaltungsgerichte sollte das BAMF sich besser um eine Qualitätskontrolle und Überprüfung von negativen Entscheidungen kümmern.
Gibt es ein Abschiebungsvollzugsdefizit?
Wenn von abgelehnten Asylsuchenden gesprochen wird, wird häufig ein vermeintliches Vollzugsdefizit beklagt, also dass im Vergleich mit den Ablehnungszahlen viel zu wenige Menschen abgeschoben werden. Doch auch hier halten die Behauptungen politischer Hardliner den Fakten kaum Stand.
Im ersten Halbjahr 2019 gab es 11.500 Abschiebungen aus Deutschland. Damit bewegt sich die Zahl der Abschiebungen auf dem Niveau der Vorjahre, als es eine Vielzahl mehr an Asylanträgen und damit auch an Ablehnungen gab. Da Abschiebungen nicht angekündigt werden dürfen, ist es für Betroffene zudem kaum möglich, am Tag der geplanten Abschiebung zielgerichtet nicht auffindbar zu sein.
Ausreisen: Dunkelziffer höher
Zu den Abschiebungen kommen rund 6.800 so genannte »freiwillige Ausreisen«, wobei diese Zahl lediglich diejenigen Ausreisen beinhaltet, die im Rahmen von Rückkehrprogrammen staatlich gefördert werden. Die tatsächliche Zahl der Ausreisen dürfte aber um ein Vielfaches höher liegen, wie die Zahl von 14.500 im Ausländerzentralregister (AZR) erfassten »kontrollierten Ausreisen« mit einer Grenzübertrittsbescheinigung darlegt. Viele Menschen reisen darüber hinaus aus Deutschland aus, ganz ohne sich bei den Behörden abzumelden.
Nicht alle Ausreisepflichtigen sind Asylsuchende
Die Zahl der Ausreisepflichtigen ist zwar von 205.000 in 2015 auf 247.000 im 1.Halbjahr 2019 gestiegen. Unter den Ausreisepflichtigen sind jedoch nur 145.000 mit abgelehntem Asylantrag, also ein Anteil von 58%. Die anderen 42% sind bspw. Visa-Overstayer, nicht ausgereiste ausländische Studierende oder ehemals mit Deutschen Verheiratete, die nichts mit dem Flüchtlingszuzug der letzten Jahre zu tun haben.
Von den abgelehnten Asylsuchenden haben 119.000 eine Duldung, die weiteren 26.000 zählen zur Gruppe der Ausreisepflichtigen ohne Duldung. Wer diese Ausreisepflichtigen ohne Duldung im AZR sein sollen, ist unklar: Bereinigungen und Stichproben der Vergangenheit belegen, dass diese Zahlen sind überhöht sind und mehrfach nach unten korrigiert werden mussten. Nichtsdestotrotz werden mit diesen Zahlen politische Forderungen verknüpft. Der Großteil dieser 26.000 Menschen dürfte sich vermutlich nicht mehr in Deutschland aufhalten.
Wer diese 26.000 Ausreisepflichtigen ohne Duldung im AZR sein sollen, ist unklar: Bereinigungen und Stichproben der Vergangenheit belegen, dass diese Zahlen sind überhöht sind und mehrfach nach unten korrigiert werden mussten.
Viele der Geduldeten haben gute Gründe, warum sie nicht abgeschoben werden können. So kann es bspw. medizinische Abschiebungshindernisse geben, auch familiäre Gründe oder die Pflege von Angehörigen können Grund für eine Duldung sein. Auch eine qualifizierte Berufsausbildung kann ein Grund für eine Duldung sein, der sogar politisch gewollt ist.
Darüber hinaus wird bspw. in Staaten wie den Irak oder nach Afghanistan aufgrund der Sicherheitslage nur in eingeschränktem Umfang abgeschoben, d.h. Geduldete aus diesen Staaten sind nicht wegen Passlosigkeit oder Identitätsproblemen hier, wie oft suggeriert.
Mit über 15.000 kommen die meisten Geduldeten aus Afghanistan, dahinter folgt der Irak mit über 13.000 Geduldeten. Unter den Geduldeten ist zudem ein hoher Anteil an Menschen aus den Westbalkanstaaten wie Serbien, Kosovo, Albanien oder Nordmazedonien (insgesamt >30.000) – allesamt Staaten, in denen es keinerlei Probleme mit der Beschaffung von Dokumenten für die Rückkehr gibt. Oder im Umkehrschluss: In denen es offensichtlich gute Gründe für die Erteilung von Duldungen geben muss.
Ende 2018 hatten von den hier lebenden abgelehnten Asylsuchenden fast 80 % ein befristetes oder unbefristetes Aufenthaltsrecht.
Aus der zurecht erteilten Duldung kann im Lauf der Zeit durch Abschluss einer Ausbildung oder durch gute Integration ein Aufenthaltsrecht entstehen. Ende 2018 hatten von den hier lebenden abgelehnten Asylsuchenden fast 80 % ein befristetes oder unbefristetes Aufenthaltsrecht. Da für einen Aufenthaltstitel i.d.R. die Vorlage eines gültigen Passes notwendig ist, belegen auch diese Zahlen, dass die gebetsmühlenartige Wiederholung der massenhaften Verschleierung der Identität durch Asylsuchende in der Realität kein solches Problem sein kann, wie es häufig dargestellt wird.
(dmo)