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Der steinige Weg in den Arbeitsmarkt für geflüchtete Menschen
Für Geflüchtete ist die Arbeitsaufnahme essentiell beim Ankommen in Deutschland. Viele Perspektiven eröffnen sich erst mit der eigenen Lebensunterhaltssicherung, wie die auf eine eigene Wohnung (anstatt dem schwierigen Leben in Sammelunterkünften), auf adäquate Unterstützung der Kinder, auf Familiennachzug oder auf ein dauerhaftes Bleiberecht.
Nach wie vor erhalten alle Asylsuchenden nach Ankunft zunächst ein Beschäftigungsverbot. Trotz des starken Wunsches und der Fähigkeit zu arbeiten, bleiben diese Menschen vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen und verharren im perspektivlosen Nichtstun. Die Teilhabe an der Gesellschaft bleibt ihnen verwehrt, nicht selten führt dieser Zustand mittelfristig zu psychischen Erkrankungen.
Der aus dem Beschäftigungsverbot entstehende Zwang, Sozialleistungen beziehen zu müssen, ist zudem weder für die Menschen eine befriedigende Situation noch fördert er die Akzeptanz von geflüchteten Menschen in der Gesellschaft. Denn vielen ist nicht klar, dass Geflüchtete, die arbeiten könnten, schlicht nicht arbeiten dürfen. Schnell entsteht so der Vorwurf, dass die Menschen einfach nicht arbeiten wollen und die rechte Polemik über eine angebliche Einwanderung ins Sozialsystem trifft auf offene Ohren.
Auch die aktuellen Vorschläge von Bund und Ländern, eine »Arbeitspflicht« für Asylsuchende einzuführen, entlarven sich als reine Stimmungsmache gegen Geflüchtete. Denn es sind die hausgemachten gesetzlichen Restriktionen und komplizierten Verbote, die den Zugang zum Arbeitsmarkt für Asylsuchende und Geduldete versperren, nicht eine fehlende Bereitschaft bei den Menschen, die ohnehin in der überwiegenden Mehrheit aus eigener Motivation arbeiten wollen. Mit dem Vorschlag zur Arbeitspflicht wird das rassistische Narrativ über Schutzsuchende, die nicht arbeiten wollen, reproduziert
»Ich habe schon viel Arbeit gefunden, aber sie selten bekommen.«
Dabei würden schon einige gesetzliche Änderungen und die ausgebaute Förderung von Sprachkursen dazu beitragen, viel mehr Geflüchtete in Arbeit zu bringen. Dies zeigen auch die Analysen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, die darlegen, dass mit der Streichung des Beschäftigungsverbots nach den Fristen sowie nach dem Erlernen der deutschen Sprache die Zahl der erwerbstätigen Geflüchteten signifikant steigt. Ukrainische Flüchtlinge kommen demnach sogar noch schneller in Arbeit, da sie den Restriktionen des Beschäftigungsverbots nicht unterliegen, keine langen Asylverfahren durchführen müssen, sondern direkt einen Aufenthaltstitel erhalten, in der Regel einen Platz in einem Sprachkurs bekommen und ihre ukrainischen Bildungs- und Berufsabschlüsse zum großen Teil in Deutschland anerkannt werden.
Ahmad F. (Name geändert) floh 2018 aus dem Iran nach Deutschland. Sein Asylantrag wurde abgelehnt, die Klage gegen diese Ablehnung blieb erfolglos. Herr F. hatte bereits zwei Jahre gearbeitet, doch die Ausländerbehörde warf ihm vor, bei der Passbeschaffung nicht mitzuwirken und verweigerte ihm die Arbeitserlaubnis.
Zu Unrecht, denn Herr F. hatte sich sehr wohl um die Passbeschaffung bemüht, die sich jedoch kompliziert gestaltete. Als männlicher Antragsteller benötigt er für die Passausstellung bei der iranischen Botschaft eine Wehrdienstkarte als Nachweis eines abgeleisteten Militärdienstes. Ahmad hat diese Karte nach eigenen Angaben beim BAMF eingereicht – sie ging aber vermutlich bei den Behörden verloren. Also musste er seinen Vater im Iran beauftragen, diese Karte zu besorgen und ihn beim iranischen Konsulat dazu bevollmächtigen.
Bei der Vorsprache in der iranischen Auslandsvertretung durchlebte er aufgrund seiner Teilnahme an Protesten gegen das iranische Regime große Angst. Gemeinsam mit PRO ASYL und einer Anwältin gelang es ihm schließlich, eine Arbeitserlaubnis zu bekommen – anderthalb Jahre nachdem sie ihm entzogen wurde. In dieser Zeit konnte er sich und seine inzwischen schwangere Frau nicht selbst versorgen, obwohl er mehrere Job- und Ausbildungsangebote hatte. Ahmad F. fordert von der Politik Maßnahmen, die der tatsächlichen Lebenssituation von Menschen wie ihm gerecht werden und weniger bürokratisch sind.
Nicht eingehaltene Versprechen
Im Koalitionsvertrag heißt es unmissverständlich: »Arbeitsverbote für bereits in Deutschland Lebende schaffen wir ab.« Diese klare Ankündigung kann nur dahingehend verstanden werden, dass sämtliche Arbeitsverbote für alle im Bundesgebiet lebenden Personen aufgehoben und keine weiteren ausgesprochen werden. Konsequent umgesetzt bedeutet dies, dass Asylsuchende vom Tag ihrer Antragstellung an wie auch Geduldete uneingeschränkt arbeiten dürfen. Die Realität sieht jedoch ganz anders aus.
Situation für Asylbewerber*innen
Menschen im Asylverfahren erhalten in den ersten drei Monaten ein komplettes Arbeitsverbot. Das Arbeitsverbot verlängert sich auf sechs Monate (für Asylbewerber*innen mit minderjährigen Kindern) beziehungsweise auf neun Monate (für Asylbewerber*innen ohne minderjährige Kinder), solange die Menschen in einer Aufnahmeeinrichtung wohnen. Gleichzeitig sind Asylsuchende dazu verpflichtet, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen (siehe §§ 47 und 61 des Asylgesetzes), können also dem Arbeitsverbot in dieser Zeit nicht entgehen.
Zwischen Arbeitsangebot, Termin bei der Ausländerbehörde und Zustimmung durch die Ausländerbehörde vergehen mehrere Wochen.
Nach der Zeit des Arbeitsverbots folgt für Asylbewerber*innen in der Regel eine Arbeitserlaubnis zur Beschäftigung nur nach Zustimmung durch die Ausländerbehörde. Es muss also erst ein konkretes Arbeitsangebot der Ausländerbehörde vorgelegt werden, um die Zustimmung zur Arbeitsaufnahme zu erhalten. Das führt zu zahlreichen praktischen Problemen. Zunächst ist es bei vielen Ausländerbehörden, vor allem in Ballungsräumen, nahezu unmöglich, zeitnah einen Termin zu erhalten, um ein Arbeitsangebot vorzulegen. Wenn dies gelingt, muss zunächst die Arbeitsagentur mit einbezogen werden, um die arbeitsrechtlichen Bedingungen zu prüfen.
Erst dann kann die Ausländerbehörde dem Angebot zustimmen. Zwischen Arbeitsangebot, Termin bei der Ausländerbehörde und Zustimmung durch die Ausländerbehörde vergehen jedoch mehrere Wochen. Je nach Dringlichkeit und Arbeitgeber*in, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass bis dahin das Angebot nicht mehr steht, da bereits eine andere Person gefunden wurde.
Situation für Geduldete
Geduldete, die in einer Erstaufnahmeeinrichtung leben, haben in den ersten sechs Monaten ein Arbeitsverbot (§ 61 Abs. 1 AsylG). Geduldete, die nicht mehr in solch einer Einrichtung leben, können direkt eine Arbeitserlaubnis beantragen, wenn sie sich bereits seit mehr als drei Monaten in Deutschland aufhalten (§ 32 BeschVO).
Jedoch unterliegen sie weiteren Beschränkungen. Wirft ihnen die Ausländerbehörde vor, nicht ausreichend bei der Passbeschaffung und/oder der Identitätsklärung mitzuwirken, besteht auch über die drei beziehungsweise sechs Monate hinaus ein Beschäftigungsverbot (§ 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 AufenthG). Ob eine fehlende Mitwirkung vorliegt, definiert die oder der zuständige Sachbearbeiter*in der jeweiligen Ausländerbehörde. Wie falsch und folgenreich diese Einschätzung sein kann, zeigt der Fall von Ahmed F.
Aber auch bei Geduldeten, die nach einer gewissen Zeit keinem Beschäftigungsverbot mehr unterliegen, ist die Aufnahme einer Arbeit nur nach Erlaubnis der Ausländerbehörde gestattet, mit den gleichen Hürden und Problemen wie bei Asylbewerber*innen (siehe oben). Keine zeitnahen Termine und zu lange Bearbeitungszeiten in den Ausländerbehörden führen auch bei ihnen häufig zum Verlust des Arbeitsplatzangebotes. Zudem wirkt die Duldungsbescheinigung auf potentielle Arbeitgeber*innen abschreckend: Wer sich nur mit einem grünen Faltpapier mit einem roten Strich quer über das Blatt ausweisen kann, hat es bei der Arbeitssuche schwer. Die Praxis zeigt, dass viele Arbeitgeber*innen auch aufgrund der komplexen gesetzlichen Lage davor zurückschrecken, Geduldete zu beschäftigen.
Für Asylbewerber*innen, deren Asylverfahren als »offensichtlich unbegründet« oder unzulässig abgelehnt wurde, und für deren Klage dagegen keine aufschiebende Wirkung angeordnet wurde, besteht auch nach Ablauf der Fristen ein absolutes Beschäftigungsverbot (§ 61 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AsylG). Eine selbständige Tätigkeit bleibt allen Menschen mit Duldungspapieren untersagt.
Situation für Geflüchtete aus »sicheren Herkunftsländern«
Für geflüchtete Menschen aus einem sogenannten sicheren Herkunftsstaat (Albanien, Bosnien und Herzegowina, Ghana, Kosovo, Nordmazedonien, Montenegro, Senegal und Serbien), die nach dem 31. August 2015 einen Asylantrag gestellt haben, besteht während des Asylverfahrens und nach negativem Ausgang ein absolutes Beschäftigungsverbot. Nur ein Aufenthaltstitel ermöglicht ihnen die Aufnahme einer Beschäftigung.
Die Liste der sogenannten sicheren Herkunftsländer wird demnächst um Georgien und die Republik Moldau erweitert. Das Beschäftigungsverbot ohne Perspektive auf eine Arbeitserlaubnis bringt die betroffenen Personen in eine prekäre und frustrierende Lebenssituation – gesellschaftlich werden sie isoliert und außer Stande gesetzt, sich selbst zu versorgen.
Situation für Geflüchtete mit Aufenthaltserlaubnis
Geflüchtete mit einer Aufenthaltserlaubnis dürfen uneingeschränkt arbeiten. Jedoch gibt es auch für diese Personengruppe etliche Probleme beim Zugang zum Arbeitsmarkt. Besonders für ausgebildete Fachkräfte dauern die Anerkennungsprozesse von Zeugnissen und Abschlüssen immer noch sehr lange, zum Teil mehrere Jahre. Zudem werden ausländische Abschlüsse häufig nicht als in Deutschland voll anerkannte Abschlüsse gewertet. Dies verzögert für Fachkräfte mit Fluchtgeschichte den Einstieg in den Arbeitsmarkt enorm.
Hilfsweise müssen die komplizierten Verfahren für die Aufnahme einer Beschäftigung bei Asylbewerber*innen und Geduldeten extrem vereinfacht werden. Die Prüfung und Klärung eines Arbeitsangebots durch die zuständige Ausländerbehörde sollte innerhalb kürzester Zeit erfolgen, so dass das Arbeitsangebot nicht verloren geht. Dies, sowie weitere Maßnahmen wie die Digitalisierung des Beschäftigungserlaubnisverfahrens, würden nicht nur die Geflüchteten entlasten, sondern auch die Kommunen und Behörden. Es wären weniger Termine bei den Ausländer- und Leistungsbehörden nötig und Geflüchtete würden schneller finanziell auf eigenen Beinen stehen.
Zudem muss das Prinzip der Identitätsklärung und der Mitwirkungspflichten überarbeitet werden, so dass die Erfüllung der Mitwirkungspflichten nicht gänzlich vom good will der Sachbearbeiter*innen in den Ausländerbehörden abhängt. Diese gehen in der Regel nur von einer Erfüllung der Mitwirkungspflichten zur Identitätsklärung aus, wenn ein Nationalpass vorgelegt wird. Jedoch ist es für viele geflüchtete Menschen nicht möglich, diesen zu beschaffen. Hier muss ein Modus geschaffen werden, nach dem die Versuche der Passbeschaffung angemessen anerkannt und nach einem abgesteckten Zeitraum als erfüllt angesehen werden, auch wenn kein Pass vorgelegt werden kann.
Auch muss der Bund im großen Stil in Deutschkurse für alle investieren, um Neuankommende auf den Arbeitsmarkt vorzubereiten. Außerdem müssen alternative Anerkennungsstrukturen für ausländische Abschlüsse geschaffen werden, damit geflüchtete Fachkräfte möglichst schnell in dem Beruf arbeiten können, für den sie ausgebildet wurden.
Zu guter Letzt braucht es für geflüchtete Menschen die Möglichkeit eines Spurwechsels während und nach den Asylverfahren, um die Möglichkeit zu haben, in einen Aufenthaltsstatus aufgrund einer Beschäftigung zu wechseln, wie zum Beispiel den der Blue Card.
(nb, ta, fw)