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Der Anti-Integrationshaushalt der Ampel-Regierung
PRO ASYL hat sich den Haushaltsplan für das Jahr 2025 angeschaut, den die Ampelregierung am Mittwoch, 17. Juli, im Kabinett beschlossen hat. Innenministerin Faeser bezeichnet ihn als »Sicherheitshaushalt« – doch für Geflüchtete bedeutet er das Gegenteil von Sicherheit. Eine kurze Analyse.
Laut Haushaltsplan müssen einige Ministerien im Jahr 2025 mit weniger Geld auskommen als im laufenden Jahr 2024. Dazu zählen das Entwicklungshilfeministerium, das Außenministerium und das Wirtschaftsministerium. Mehr Geld als im Vorjahr erhalten das Arbeitsministerium, das Verkehrsministerium und das Verteidigungsministerium – sowie auch das für den Flüchtlingsschutz zuständige Innenministerium.
Das Bundesinnenministerium (BMI) bekommt 403 Millionen Euro mehr, davon sollen 200 Millionen Euro in den Bereich Migration und Integration fließen. Was zunächst gut klingt, hat einen Haken: Das Geld ist primär für technische Ausrüstung, Überwachung und die Bundespolizei gedacht. Die Integrationsmittel sollen dagegen halbiert werden. Am meisten gekürzt werden soll beim humanitären Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan (BAP) und beim Resettlement.
Bereich Migration & Integration: 200 Millionen Euro für technische Ausrüstung, Überwachung und die Bundespolizei
Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan steht auf der Kippe
Das Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan steht kurz vor dem Kippen. Nach dem Haushaltsplan der Bundesregierung, der in der Pressekonferenz offiziell vorgestellt wurde, soll der für die humanitäre Aufnahme und Resettlement vorgesehene Etat des Bundesinnenministeriums für das Jahr 2025 auf rund 13 Prozent des Budgets von 2024 gekürzt werden. Das würde de facto das Ende des BAP bedeuten und damit eine Missachtung der moralischen Verpflichtung des Schutzes von gefährdetem Afghan*innen. Zu den Zielgruppen des Programms gehören Personen, die aufgrund ihres Einsatzes für Frauen- und Menschenrechte, ihrer Tätigkeit, ihres Geschlechts, ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität und/oder ihrer Religion besonders gefährdet sind. Laut Aufnahmeanordnung sollen monatlich bis zu 1.000 gefährdete Personen und ihre Angehörigen eine Aufnahmezusage erhalten.
Schon jetzt gibt es große Schwierigkeiten beim BAP wegen bürokratischer und langsamer Verfahren. Die Aufnahmezahlen sind bisher weit hinter den Versprechungen zurückgeblieben: Mitte Juli 2024 sind erst 533 Personen über das BAP in Deutschland angekommen. Wenn demnächst kein oder viel weniger Geld zur Verfügung steht, wäre das Programm komplett tot. Eine der letzten Hoffnungen für verfolgte Afghan*innen würde erlöschen.
Die geplanten Kürzungen stehen im Widerspruch zum Koalitionsvertrag vom November 2021. Dort heißt es: »Wir werden unsere Verbündeten nicht zurücklassen. […] Insbesondere werden wir uns für Frauen- und Mädchenrechte sowie für den Schutz und die Aufnahme derer einsetzen, die durch eine frühere Zusammenarbeit mit uns gefährdet sind.« (S.142, 156)
Diesem Versprechen wird die Bundesregierung bis jetzt nicht gerecht – und wird es erst nicht werden, wenn sie das BAP einstellt. Gemeinsam mit anderen Organisationen wie Amnesty International Deutschland e.V. und der Kabul Luftbrücke fordert PRO ASYL, dass das Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan wie geplant weitergeführt und mindestens bis Ende der Legislaturperiode vollumfänglich weiter finanziert wird.
Dramatischer Sparkurs bei den Integrationskursen
Massive Einsparungen, die geflüchtete Menschen betreffen, sind bei den Integrationskursen geplant. Stehen dafür im aktuellen Haushalt noch 1,1 Milliarden Euro zur Verfügung, sollen es 2025 nur noch 500 Millionen Euro sein. Faeser selbst spricht von »schmerzhaften« Einsparungen. Laut Medienberichten soll außerdem die gesamte Struktur der Integrationskurse genauer evaluiert werden.
Die Kürzungen werden laut der Berichterstattung unter anderem damit gerechtfertigt, dass die von Bund und Ländern beschlossenen Maßnahmen zu zurückgehenden Ankunftszahlen führen werden. Diese Abschreckungsmaßnahmen hat PRO ASYL mehrfach kritisiert. Aber auch angesichts der aktuellen Zahlen und der schon in Deutschland lebenden Ukrainer*innen und Asylsuchenden wäre es fatal, ihre Ankunft und Teilhabe zu erschweren.
PRO ASYL warnt vor Kürzungen, gerade im Bereich der Teilhabe von Geflüchteten. Diese ist dringend notwendig für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und den sozialen Frieden. Frühe Investitionen in qualitativ gute Sprach- und Integrationskurse sind ein wichtiger Beitrag für eine offene, inkludierende Gesellschaft. Deshalb ist ein Ausbau der Sprachkurse dringend geboten, zumal sich Investitionen in Teilhabe nicht nur für die Menschen selbst, sondern auch gesamtgesellschaftlich lohnen.
Eine Evaluation der Integrationskurse, die nötig ist, sollte deshalb nicht mit weniger Geld gekoppelt werden. Schon jetzt gibt es zu wenige Kurse und die große Hürde, dass nicht alle Geflüchteten von Anfang an Kurse besuchen dürfen und können.
PRO ASYL fordert Sprachkurse für alle Geflüchteten von Anfang an, nur so gelingen Ankommen und Teilhabe. Denn der überwiegende Teil der geflüchteten Menschen bleibt in Deutschland, verpasst aber wegen der engen Vorgaben wichtige Monate und Jahre des Spracherwerbs.
Asylverfahrensberatung bleibt auf unzureichender Sparflamme
Gleichbleibend sind die vorgesehenen Ausgaben für die Migrations- oder Asylverfahrensberatung. Das ist jedoch kein Grund zur Freude, denn schon jetzt gibt es zu wenig Geld, um flächendeckend eine Asylverfahrensberatung zu gewährleisten. Dies ist aber dringend notwendig und wurde ursprünglich von der Bundesregierung auch in Aussicht gestellt.
Für die Beschleunigung und Digitalisierung von Asylverfahren sollen hingegen mehr Gelder fließen. Hier müssen die Beteiligten darauf achten, dass schnellere Asylverfahren nicht zu einem Qualitätsverlust führen. Schon jetzt müssen etliche negative Entscheidungen des Bundesamts für Asyl und Migration (BAMF) vor Gericht korrigiert werden.
Weniger Geld für Fluchtursachenbekämpfung
Außerdem ist im Haushaltsplan des Innenministeriums die Anschubfinanzierung für verwaltungstechnische Maßnahmen für die Umsetzung der vielfach kritisierten europäischen Asyl-Reform GEAS vorgesehen. Hierzu hat PRO ASYL mit anderen Organisationen eine Prioritätenliste für die gesetzliche Umsetzung der Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems in Deutschland erstellt.
Während also mehr Gelder in die Abwehr von Flüchtlingen fließen (GEAS), werden gleichzeitig Gelder massiv gekürzt, die das Potenzial haben, tatsächlich Fluchtursachen bereits in den Herkunftsländern zu bekämpfen. Das gefährdet Projekte, zum Beispiel in Syrien, die vom Auswärtigen Amt und vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) zu einem großen Teil mitfinanziert werden. Der Wegfall dieser Gelder wird über kurz oder lang zu einer massiven Verschlechterung der Lage vor Ort führen, da die Finanzierung der Projekte für ganze Regionen unverzichtbar für die Versorgung der Menschen ist. PRO ASYL kritisiert diese Einsparungen als extrem kurzsichtig und fatal für die Menschen vor Ort.
Bundestag muss den Haushalt korrigieren!
Auch wenn der Haushalt im Kabinett bereits beschlossen wurde, sind nun die Abgeordneten gefragt, im Rahmen der parlamentarischen Haushaltsberatungen die von PRO ASYL kritisierten Einsparungen besonders im Integrationsbereich und beim BAP abzuwenden. Denn genau jetzt, in einer Phase der gesellschaftlichen Spaltung, braucht es Investition in Teilhabe, Bildung und Integration.
(nb, wj)