17.07.2024
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Pressekonferenz zum Bundeshaushalt 2025. Foto: Bundesregierung/ Steffen Kugler

PRO ASYL hat sich den Haushaltsplan für das Jahr 2025 angeschaut, den die Ampelregierung am Mittwoch, 17. Juli, im Kabinett beschlossen hat. Innenministerin Faeser bezeichnet ihn als »Sicherheitshaushalt« – doch für Geflüchtete bedeutet er das Gegenteil von Sicherheit. Eine kurze Analyse.

Laut Haus­halts­plan müs­sen eini­ge Minis­te­ri­en im Jahr 2025 mit weni­ger Geld aus­kom­men als im lau­fen­den Jahr 2024. Dazu zäh­len das Ent­wick­lungs­hil­fe­mi­nis­te­ri­um, das Außen­mi­nis­te­ri­um und das Wirt­schafts­mi­nis­te­ri­um. Mehr Geld als im Vor­jahr erhal­ten das Arbeits­mi­nis­te­ri­um, das Ver­kehrs­mi­nis­te­ri­um und das Ver­tei­di­gungs­mi­nis­te­ri­um – sowie auch das für den Flücht­lings­schutz zustän­di­ge Innenministerium.

Das Bun­des­in­nen­mi­nis­te­ri­um (BMI) bekommt 403 Mil­lio­nen Euro mehr, davon sol­len 200 Mil­lio­nen Euro in den Bereich Migra­ti­on und Inte­gra­ti­on flie­ßen. Was zunächst gut klingt, hat einen Haken: Das Geld ist pri­mär für tech­ni­sche Aus­rüs­tung, Über­wa­chung und die Bun­des­po­li­zei gedacht. Die Inte­gra­ti­ons­mit­tel sol­len dage­gen hal­biert wer­den. Am meis­ten gekürzt wer­den soll beim huma­ni­tä­ren Bun­des­auf­nah­me­pro­gramm Afgha­ni­stan (BAP) und beim Resettlement.

Bereich Migra­ti­on & Inte­gra­ti­on: 200 Mil­lio­nen Euro für tech­ni­sche Aus­rüs­tung, Über­wa­chung und die Bundespolizei

Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan steht auf der Kippe

Das Bun­des­auf­nah­me­pro­gramm Afgha­ni­stan steht kurz vor dem Kip­pen. Nach dem Haus­halts­plan der Bun­des­re­gie­rung, der in der Pres­se­kon­fe­renz offi­zi­ell vor­ge­stellt wur­de, soll der für die huma­ni­tä­re Auf­nah­me und Resett­le­ment vor­ge­se­he­ne Etat des Bun­des­in­nen­mi­nis­te­ri­ums für das Jahr 2025 auf rund 13 Pro­zent des Bud­gets von 2024 gekürzt wer­den. Das wür­de de fac­to das Ende des BAP bedeu­ten und damit eine Miss­ach­tung der mora­li­schen Ver­pflich­tung des Schut­zes von gefähr­de­tem Afghan*innen. Zu den Ziel­grup­pen des Pro­gramms gehö­ren Per­so­nen, die auf­grund ihres Ein­sat­zes für Frau­en- und Men­schen­rech­te, ihrer Tätig­keit, ihres Geschlechts, ihrer sexu­el­len Ori­en­tie­rung oder Geschlechts­iden­ti­tät und/oder ihrer Reli­gi­on beson­ders gefähr­det sind. Laut Auf­nah­me­an­ord­nung sol­len monat­lich bis zu 1.000 gefähr­de­te Per­so­nen und ihre Ange­hö­ri­gen eine Auf­nah­me­zu­sa­ge erhalten.

Schon jetzt gibt es gro­ße Schwie­rig­kei­ten beim BAP wegen büro­kra­ti­scher und lang­sa­mer Ver­fah­ren. Die Auf­nah­me­zah­len sind bis­her weit hin­ter den Ver­spre­chun­gen zurück­ge­blie­ben: Mit­te Juli 2024 sind erst 533 Per­so­nen über das BAP in Deutsch­land ange­kom­men. Wenn dem­nächst kein oder viel weni­ger Geld zur Ver­fü­gung steht, wäre das Pro­gramm kom­plett tot. Eine der letz­ten Hoff­nun­gen für ver­folg­te Afghan*innen wür­de erlöschen.

Die geplan­ten Kür­zun­gen ste­hen im Wider­spruch zum Koali­ti­ons­ver­trag vom Novem­ber 2021. Dort heißt es: »Wir wer­den unse­re Ver­bün­de­ten nicht zurück­las­sen. […] Ins­be­son­de­re wer­den wir uns für Frau­en- und Mäd­chen­rech­te sowie für den Schutz und die Auf­nah­me derer ein­set­zen, die durch eine frü­he­re Zusam­men­ar­beit mit uns gefähr­det sind.« (S.142, 156)

Die­sem Ver­spre­chen wird die Bun­des­re­gie­rung bis jetzt nicht gerecht – und wird es erst nicht wer­den, wenn sie das BAP ein­stellt. Gemein­sam mit ande­ren Orga­ni­sa­tio­nen wie Amnes­ty Inter­na­tio­nal Deutsch­land e.V. und der Kabul Luft­brü­cke for­dert PRO ASYL, dass das Bun­des­auf­nah­me­pro­gramm Afgha­ni­stan wie geplant wei­ter­ge­führt und min­des­tens bis Ende der Legis­la­tur­pe­ri­ode voll­um­fäng­lich wei­ter finan­ziert wird.

Dramatischer Sparkurs bei den Integrationskursen

Mas­si­ve Ein­spa­run­gen, die geflüch­te­te Men­schen betref­fen, sind bei den Inte­gra­ti­ons­kur­sen geplant. Ste­hen dafür im aktu­el­len Haus­halt noch 1,1 Mil­li­ar­den Euro zur Ver­fü­gung, sol­len es 2025 nur noch 500 Mil­lio­nen Euro sein. Fae­ser selbst spricht von »schmerz­haf­ten« Ein­spa­run­gen. Laut Medi­en­be­rich­ten soll außer­dem die gesam­te Struk­tur der Inte­gra­ti­ons­kur­se genau­er eva­lu­iert werden.

Die Kür­zun­gen wer­den laut der Bericht­erstat­tung unter ande­rem damit gerecht­fer­tigt, dass die von Bund und Län­dern beschlos­se­nen Maß­nah­men zu zurück­ge­hen­den Ankunfts­zah­len füh­ren wer­den. Die­se Abschre­ckungs­maß­nah­men hat PRO ASYL mehr­fach kri­ti­siert. Aber auch ange­sichts der aktu­el­len Zah­len und der schon in Deutsch­land leben­den Ukrainer*innen und Asyl­su­chen­den wäre es fatal, ihre Ankunft und Teil­ha­be zu erschweren.

PRO ASYL warnt vor Kür­zun­gen, gera­de im Bereich der Teil­ha­be von Geflüch­te­ten. Die­se ist drin­gend not­wen­dig für den gesell­schaft­li­chen Zusam­men­halt und den sozia­len Frie­den. Frü­he Inves­ti­tio­nen in qua­li­ta­tiv gute Sprach- und Inte­gra­ti­ons­kur­se sind ein wich­ti­ger Bei­trag für eine offe­ne, inklu­die­ren­de Gesell­schaft. Des­halb ist ein Aus­bau der Sprach­kur­se drin­gend gebo­ten, zumal sich Inves­ti­tio­nen in Teil­ha­be nicht nur für die Men­schen selbst, son­dern auch gesamt­ge­sell­schaft­lich lohnen.

Eine Eva­lua­ti­on der Inte­gra­ti­ons­kur­se, die nötig ist, soll­te des­halb nicht mit weni­ger Geld gekop­pelt wer­den. Schon jetzt gibt es zu weni­ge Kur­se und die gro­ße Hür­de, dass nicht alle Geflüch­te­ten von Anfang an Kur­se besu­chen dür­fen und kön­nen.

PRO ASYL for­dert Sprach­kur­se für alle Geflüch­te­ten von Anfang an, nur so gelin­gen Ankom­men und Teil­ha­be. Denn der über­wie­gen­de Teil der geflüch­te­ten Men­schen bleibt in Deutsch­land, ver­passt aber wegen der engen Vor­ga­ben wich­ti­ge Mona­te und Jah­re des Spracherwerbs.

Asylverfahrensberatung bleibt auf unzureichender Sparflamme

Gleich­blei­bend sind die vor­ge­se­he­nen Aus­ga­ben für die Migra­ti­ons- oder Asyl­ver­fah­rens­be­ra­tung. Das ist jedoch kein Grund zur Freu­de, denn schon jetzt gibt es zu wenig Geld, um flä­chen­de­ckend eine Asyl­ver­fah­rens­be­ra­tung zu gewähr­leis­ten. Dies ist aber drin­gend not­wen­dig und wur­de ursprüng­lich von der Bun­des­re­gie­rung auch in Aus­sicht gestellt.

Für die Beschleu­ni­gung und Digi­ta­li­sie­rung von Asyl­ver­fah­ren sol­len hin­ge­gen mehr Gel­der flie­ßen. Hier müs­sen die Betei­lig­ten dar­auf ach­ten, dass schnel­le­re Asyl­ver­fah­ren nicht zu einem Qua­li­täts­ver­lust füh­ren. Schon jetzt müs­sen etli­che nega­ti­ve Ent­schei­dun­gen des Bun­des­amts für Asyl und Migra­ti­on (BAMF) vor Gericht kor­ri­giert werden.

Weniger Geld für Fluchtursachenbekämpfung

Außer­dem ist im Haus­halts­plan des Innen­mi­nis­te­ri­ums die Anschub­fi­nan­zie­rung für ver­wal­tungs­tech­ni­sche Maß­nah­men für die Umset­zung der viel­fach kri­ti­sier­ten euro­päi­schen Asyl-Reform GEAS vor­ge­se­hen. Hier­zu hat PRO ASYL mit ande­ren Orga­ni­sa­tio­nen eine Prio­ri­tä­ten­lis­te für die gesetz­li­che Umset­zung der Reform des Gemein­sa­men Euro­päi­schen Asyl­sys­tems in Deutsch­land erstellt.

Wäh­rend also mehr Gel­der in die Abwehr von Flücht­lin­gen flie­ßen (GEAS), wer­den gleich­zei­tig Gel­der mas­siv gekürzt, die das Poten­zi­al haben, tat­säch­lich Flucht­ur­sa­chen bereits in den Her­kunfts­län­dern zu bekämp­fen. Das gefähr­det Pro­jek­te, zum Bei­spiel in Syri­en, die vom Aus­wär­ti­gen Amt und vom Bun­des­mi­nis­te­ri­um für wirt­schaft­li­che Zusam­men­ar­beit und Ent­wick­lung (BMZ) zu einem gro­ßen Teil mit­fi­nan­ziert wer­den. Der Weg­fall die­ser Gel­der wird über kurz oder lang zu einer mas­si­ven Ver­schlech­te­rung der Lage vor Ort füh­ren, da die Finan­zie­rung der Pro­jek­te für gan­ze Regio­nen unver­zicht­bar für die Ver­sor­gung der Men­schen ist. PRO ASYL kri­ti­siert die­se Ein­spa­run­gen als extrem kurz­sich­tig und fatal für die Men­schen vor Ort.

Bundestag muss den Haushalt korrigieren! 

Auch wenn der Haus­halt im Kabi­nett bereits beschlos­sen wur­de, sind nun die Abge­ord­ne­ten gefragt, im Rah­men der par­la­men­ta­ri­schen Haus­halts­be­ra­tun­gen die von PRO ASYL kri­ti­sier­ten Ein­spa­run­gen beson­ders im Inte­gra­ti­ons­be­reich und beim BAP abzu­wen­den. Denn genau jetzt, in einer Pha­se der gesell­schaft­li­chen Spal­tung, braucht es Inves­ti­ti­on in Teil­ha­be, Bil­dung und Integration.

(nb, wj)