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Finden Kooperationen mit Despoten offenbar ziemlich witzig: EU-Kommissionsvize Timmermann und Außenbeauftragte Mogherini bei der Vorstellung ihres Flüchtlingsbekämpfungsprogramms. Foto: Reuters / Vincent Kessler

Die neueste Mitteilung der EU-Kommission bestätigt: Menschenrechtlich begründete Tabus scheinen sich für die EU erledigt zu haben. »Migrationspartnerschaften« werden nun als Plan zur Bekämpfung von Fluchtursachen verkauft. Tatsächlich werden in der vorgelegten Strategie aber Herkunfts- und Transitländer zur Fluchtverhinderung eingekauft.

Die am 7. Juni 2016 von der EU-Kom­mis­si­on ver­öf­fent­lich­te und in ers­ter Linie von Kom­mis­si­ons­vi­ze­prä­si­dent Franz Tim­mer­mann und der EU-Außen­be­auf­trag­ten Fede­ri­ca Mog­he­ri­ni ent­wor­fe­ne Stra­te­gie ent­hält Vor­schlä­ge, Hilfs­gel­der und tech­ni­sche Unter­stüt­zung an afri­ka­ni­sche und ara­bi­sche Län­der als Anreiz zu lie­fern – die Gegen­leis­tung: eine for­cier­te Bekämp­fung »irre­gu­lä­rer Migration«.

Die Anrei­ze rei­chen von güns­ti­gen Han­dels­ab­kom­men über Visa­li­be­ra­li­sie­rungs­pro­gram­me und Hilfs­gel­der – ins­ge­samt sol­len in den kom­men­den fünf Jah­ren 8 Mil­li­ar­den Euro zur Ver­fü­gung gestellt wer­den. Wer nicht koope­riert, muss hin­ge­gen mit Nega­tiv­kon­se­quen­zen, wie der Aus­set­zung von Han­dels­ab­kom­men oder der Strei­chung von Ent­wick­lungs­hilfs­gel­dern, rechnen.

Nach außen wird vor allem das Vor­ha­ben, pri­va­te Inves­ti­tio­nen in Her­kunfts­län­dern von Migrant*innen mit EU-Mit­teln zu för­dern, in den Vor­der­grund gestellt. Doch das Doku­ment macht unmiss­ver­ständ­lich klar: Pri­mä­res Ziel der Kom­mis­si­on ist die Bekämp­fung »irre­gu­lä­rer Migra­ti­on« schon in Her­kunfts- und Tran­sit­län­dern und der Abschluss von Rück­über­nah­me­ab­kom­men – ein Flüchtlingsbekämpfungsprogramm.

Eine Koope­ra­ti­on mit dem in Gewalt und Cha­os ver­sin­ken­den Liby­en käme dem voll­stän­di­gen Aus­ver­kauf der men­schen­recht­li­chen Ver­pflich­tun­gen Euro­pas gleich.

Migrationspartnerschaften nach türkischem Modell

Zunächst sol­len mit neun Län­dern neue »Migra­ti­ons­part­ner­schaf­ten« (soge­nann­te com­pacts) abge­schlos­sen wer­den. Im Inter­view mit der Welt nann­te EU-Migra­ti­ons­kom­mis­sar Dimit­ris Avra­mo­pou­los die Län­der Jor­da­ni­en, Liba­non, Tune­si­en, Niger, Mali, Äthio­pi­en, Sene­gal, Nige­ria und Libyen.

Unver­hoh­len erklärt er: »Das Ziel ist eine Bekämp­fung von Flucht­ur­sa­chen und ein Rück­gang der irre­gu­lä­ren Migra­ti­on nach Euro­pa.« Als Vor­bild die­ne das Abkom­men zwi­schen der EU und der Tür­kei, man wol­le jedoch »maß­ge­schnei­der­te Maß­nah­men für jedes ein­zel­ne Land« ent­wi­ckeln. Bereits am 8. April hat­te Ange­la Mer­kel ver­lau­ten las­sen, das Ziel sei nun »auch die Flücht­lings­rou­te von Liby­en nach Ita­li­en zu ord­nen und zu steu­ern, wie wir das bei der Tür­kei gemacht haben«.

Von einem »Ord­nen« der Flucht­rou­te von der Tür­kei nach Grie­chen­land zu spre­chen, ist ange­sichts der sys­te­ma­ti­schen Rechts­ver­stö­ße im Rah­men des EU-Tür­kei-Deals zynisch. Eine ähn­li­che Koope­ra­ti­on mit dem in Gewalt und Cha­os ver­sin­ken­den Liby­en käme dem voll­stän­di­gen Aus­ver­kauf der men­schen­recht­li­chen Ver­pflich­tun­gen Euro­pas gleich.

»Better Migration Management«: Kooperation mit Despoten

 Der Vor­schlag ent­hält dar­über hin­aus die Ankün­di­gung, das skan­dal­träch­ti­ge Pro­jekt »Bet­ter Migra­ti­on Manage­ment« im Som­mer zu star­ten. Öffent­lich gewor­de­ne Doku­men­te ent­hal­ten eine kon­kre­te Pro­jekt­be­schrei­bung, die unter ande­rem vor­sieht, Fahr­zeu­ge, Kame­ras, Aus­rüs­tung und mög­li­cher­wei­se ein Flug­zeug an die suda­ne­si­sche Regie­rung zu lie­fern – um die »Grenz­in­fra­struk­tur« an 17 Grenz­über­gän­gen zu ver­bes­sern. Auch Grenz­be­am­te sol­len Trai­nings erhalten.

Auch ande­re afri­ka­ni­sche Des­po­ten sol­len Part­ner der EU wer­den: In Eri­trea will man die Kapa­zi­tä­ten des Jus­tiz­sys­tems ver­grö­ßern, auch in Äthio­pi­en, Süd­su­dan und Soma­lia sind wei­te­re Maß­nah­men geplant.

Die anvi­sier­ten Part­ner­schaf­ten sind erschre­ckend und ein­fach nur wider­lich: Der suda­ne­si­sche Prä­si­dent Omar Al-Bas­hir wird vom Inter­na­tio­na­len Straf­ge­richts­hof wegen Kriegs­ver­bre­chen gesucht, die eri­tre­ische Mili­tär­dik­ta­tur unter Isay­as Afe­werki wird von der UN wegen Ver­bre­chen gegen die Mensch­lich­keit angeklagt.

Mit Zuckerbrot und Peitsche gegen Flüchtlinge

Mit Zucker­brot und Peit­sche sol­len Her­kunfts- und Tran­sit­län­der gefü­gig gemacht wer­den. Was unter dem Slo­gan der »Bekämp­fung von Flucht­ur­sa­chen« einen huma­ni­tä­ren Anstrich bekom­men soll, ist de fac­to ein Pro­gramm zum Fest­set­zen von Schutz­su­chen­den außer­halb Euro­pas. Flücht­lings­rech­te blei­ben in die­sen Ver­hand­lun­gen außen vor.