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Damit Momo, Nafii und viele weitere Geduldete bleiben dürfen
PRO ASYL hat eine Kampagne zum Bleiberecht gestartet: #RechtAufZukunft. Ziel ist es, auf die prekäre Situation geduldeter Menschen aufmerksam zu machen, denen die Abschiebung droht. Für sie fordert PRO ASYL gemeinsam mit Unternehmen wie Ben & Jerry’s und IKEA ein dauerhaftes Bleiberecht.
Mohammad Jaffari heißt der junge Mann mit dem strahlenden Lachen, doch seine Freunde nennen ihn Momo. Und Freunde hat er viele in Deutschland. Der gebürtige Iraner ist in seiner Heimat zum Christentum konvertiert und wurde nach dem heimlichen Besuch einer Hauskirche von fünf Männern niedergestochen. In einer Notoperation retteten die Ärzte ihm das Leben, woraufhin er sich entschied, sein Land zu verlassen.
2015 ist Momo nach Deutschland geflüchtet und gilt hier als einer, der sich vorbildlich integriert hat. In Hamburg macht er eine Ausbildung zum Erzieher, ist ehrenamtlich tätig als Coach für Kinder und Jugendliche, die Rap und Breakdance lernen wollen, und rappt selbst in der Gruppe »Rapfugees« – auch mit Texten, die sich kritisch mit der Regierung in seinem Herkunftsland beschäftigen. Momo, der fließend Deutsch spricht, liebt seinen Job und sein neues Leben in Freiheit. »Deutschland ist mein Zuhause geworden«, sagt er. Doch dieses Deutschland will ihn nicht.
»Dieses Gefühl, dass man hier nie ankommt, dass man die ganze Zeit wie ein Blatt in der Luft schwebt, ist ziemlich erbärmlich.«
Wie die gleichnamige Hauptfigur in dem bekannten Roman von Michael Ende kämpft Momo gegen die Zeit und die »grauen Herren«, die diese stehlen. Die grauen Herren, das sind Deutschlands Bürokraten, die finden: Seine Zeit in Deutschland ist abgelaufen. Obwohl der 29-Jährige als Christ und Regimegegner im Iran mit Folter oder Tod rechnen muss, will ihm das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge keinen Schutz gewähren. Er lebt mit einer Duldung und könnte täglich abgeschoben werden. Momo wünscht sich sehnlichst, endlich die Sicherheit zu haben, in Deutschland bleiben zu dürfen. »Dieses Gefühl, dass man hier nie ankommt, dass man die ganze Zeit wie ein Blatt in der Luft schwebt, ist ziemlich erbärmlich«, sagt er.
Rund 200.000 Geflüchtete leben in ständiger Angst vor der Abschiebung
So wie Momo geht es vielen Menschen in Deutschland: Rund 200.000 Geflüchtete leben in ständiger Angst, abgeschoben zu werden. In vielen Fällen sind es gut integrierte Männer und Frauen – mehr als 100.000 von ihnen haben nach dem Koalitionsvertrag eigentlich die Chance darauf, hier bleiben zu dürfen. Doch tatsächlich schieben die Ausländerbehörden jetzt noch Menschen ab, denen die Bundesregierung bereits die Chance auf eine sichere Zukunft versprochen hat.
Damit dieses Versprechen endlich eingelöst wird, hat PRO ASYL die Kampagne #RechtAufZukunft gestartet. Gemeinsam mit Unternehmen fordern wir, dass die Abschiebungen gestoppt werden, bis das neue Gesetz in Kraft tritt. Zu den Erstunterzeichnern des PRO ASYL-Aufrufs zählt der Eishersteller Ben & Jerry’s sowie der Möbelriese Ikea. Auch die Unternehmerinitiative Bayern, fritz-kola und Betriebe wie Bäckereien und Brauereien haben sich angeschlossen. Sie alle finden: Die bisherige politische Linie gegenüber Menschen mit Duldung wird einem modernen Einwanderungsland nicht gerecht.
Constanze Klotz, Gründerin und Geschäftsführerin des Hamburger Textilunternehmen Bridge & Tunnel, das ebenfalls zu den Erstunterzeichnern zählt, erklärt: »Seit sechs Jahren beschäftigen wir in unserer Textilproduktion Menschen, deren Heimatland nicht Deutschland ist. Die hier Fuß gefasst und sich angestrengt haben, die alte Welt zurückzulassen und die neue zu umarmen. Jede Abschiebung gefährdet unser Unternehmen, aber raubt unserer Gesellschaft vor allem ein Stück Vielfalt.«
Und Ludwig Neulinger von der Münchner Biobäckerei Neulinger sagt: »In unserer Bäckerei arbeiten Menschen aus 25 Nationen. Viele von ihnen kamen aus Krisengebieten als Flüchtende zu uns. Wir haben sehr positive Erfahrungen mit diesen Mitarbeitern gemacht. Ich könnte und möchte meinen Betrieb ohne diese vielen engagierten und ambitionierten Mitarbeiter nicht mehr führen. Deswegen unterstütze ich die Initiative von PROASYL mit Leib und Seele.«
»Jede Abschiebung gefährdet unser Unternehmen, aber raubt unserer Gesellschaft vor allem ein Stück Vielfalt!«
Die Regierung will das Bleiberecht ändern – doch ein Gesetz gibt es noch nicht
Die Ampel-Koalition sieht in ihrem Koalitionsvertrag vor dass Menschen, die seit fünf Jahren in Deutschland leben, die Chance auf dauerhaften Aufenthalt erhalten sollen. Ein sogenanntes Chancen-Aufenthaltsrecht auf Probe soll für die Dauer eines Jahres gelten und Menschen, die nicht straffällig geworden sind und sich zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennen, die Möglichkeit verschaffen, während dieser Zeit die Voraussetzungen für ein permanentes Bleibrecht zu erfüllen.
Darüber hinaus sollen gut integrierte Jugendliche nach § 25a AufenthG künftig bereits nach drei anstatt wie bislang erst nach vier Jahren geduldeten Aufenthalts in Deutschland ein Bleiberecht erhalten können und den diesbezüglichen Antrag bis zum Abschluss des 27. anstatt wie bisher nur bis zum Abschluss des 21. Lebensjahres stellen können. Und: Besondere Integrationsleistungen Geduldeter sollen im Rahmen des § 25b AufenthG dadurch gewürdigt werden, dass diesen in Zukunft bereits nach sechs anstatt wie aktuell noch nach acht Jahren ein Bleiberecht zu Teil werden soll. Personen mit minderjährigen ledigen Kindern sollen das Bleiberecht nach dieser Vorschrift künftig schon nach vier statt wie bisher erst nach sechs Jahren erwerben können.
Doch weil die Gesetze noch nicht entsprechend geändert wurden, werden jetzt noch Menschen abgeschoben, die von den angekündigten Verbesserungen profitieren würden.
Die ständige Angst als täglicher Begleiter
Zu ihnen zählt auch Nafii Minachi. »Jede Person hier in Deutschland, die eine Duldung hat, hat kein richtiges Leben«, sagt er. Der psychische Druck und die ständige Angst sind seine täglichen Begleiter. Nafii lebt seit sieben Jahren in Deutschland, er hat einen Vollzeitvertrag in einem Restaurant als Fahrer und Küchenhelfer. Bereits 2016 engagierte er sich als Flüchtlingshelfer und Dolmetscher bei der Diakonie. »Mein Leben ist hier. Wenn sie mich in meine Heimat abschieben, weiß ich nicht, was dort auf mich wartet. Die Abschiebung ist immer in meinem Kopf. Ich habe Angst davor, denn das kann jeden Tag passieren.« Eine Änderung des Bleiberechts verspricht ihm die Chance, dauerhaft zu bleiben. Doch bis sie gültig ist, kann er jeden Tag alles verlieren.
Eine Änderung des Bleiberechts verspricht Nafii die Chance, dauerhaft zu bleiben. Doch bis sie gültig ist, kann er jeden Tag alles verlieren.
Es gibt Wege, um das auch schon vor der notwendigen Gesetzesänderung zu verhindern: Mit einer sogenannten Vorgriffsregelung können die Innenministerien der Bundesländer dafür sorgen, dass jene, die künftig Anspruch auf das Chancen-Aufenthaltsrecht hätten, nicht mehr abgeschoben werden. In Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein, Bremen, Thüringen und Niedersachsen gibt es bereits eine solche Regelung. Das ist auch in allen anderen Bundesländern nötig – und eine Kernforderung von PRO ASYL und seinen Partnern zur bevorstehenden Innenministerkonferenz kommende Woche.
»Wir fordern die Innenminister*innen der Bundesländer auf: Es braucht eine Vorgriffsregelung! Weisen Sie die Ausländerbehörden an, schon jetzt niemanden abzuschieben, der von den baldigen Neuregelungen profitieren würde«, heißt es in dem Appell. Unterstützt werden kann die Forderung, indem eine E‑Mail an das jeweils zuständige Innenministerium im eigenen Bundesland versendet wird.
Für Momo, Nafii und all die anderen von drohender Abschiebung betroffenen Menschen – von denen PRO ASYL einige beispielhaft hier vorstellt – geht es um alles. Es geht um ihr Recht auf Zukunft!
(er)