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Auch in Flüchtlingsunterkünften gilt das Recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung
Eine anständige Unterbringung, die Unverletzlichkeit der Wohnung und der Verzicht auf nicht grund- und menschenrechtskonforme Eingriffe in das Privatleben sind Ausprägungen der Verpflichtung auf den Schutz der Menschenwürde. Zu oft lassen Flüchtlingsunterkünfte solche Mindeststandards missen.
Immer wieder erreichen PRO ASYL Berichte von Flüchtlingen, die sich über problematische Praktiken des Personals, der Sicherheitsunternehmen bzw. der Betreiberfirmen in Flüchtlingsunterkünften beschweren. Da werden Zimmer der Bewohner*innen ohne Ankündigung anlasslos betreten. Räumlichkeiten werden manchmal durchsucht, ohne dass Zweck oder Befugnis deutlich sind.
Strenge Hausregeln, rechtliche Grundlage unklar
Es werden Besuchsverbote verhängt oder eng gefasste Besuchsregelungen durchgesetzt. Manchmal werden Besucher*innen oder ehrenamtlichen Unterstützer*innen gar Hausverbote erteilt. In vielen dieser Fälle bleibt die rechtliche Grundlage unklar. Unterkunftsbetreibende und Behörden berufen sich auf Hausordnungen, die ihrerseits oft »freihändig« gestaltet werden. Viele Asylsuchende, aber auch Anerkannte sind aktuell gezwungen, in solchen Unterkünften über Monate oder Jahre hinweg zu leben.
Schutz der Wohnung rechtlich verbrieft
Umso wichtiger ist es, dass Behördensatzungen und Hausordnungen nicht unverhältnismäßig in Grund- und Menschenrechte eingreifen. Art. 13 GG enthält das Recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung, Art. 6 GG und Art. 8 EMRK schützen Ehe und Familie sowie das Privatleben. Art. 11 Abs. 1 UN-Sozialpakt konstituiert das Recht auf Wohnen.
Hausordnungen müssen auf Menschenrechten fußen
Das Deutsche Institut für Menschenrechte (DIMR) hat es jüngst unternommen, die Grauzone der Hausordnungen und sonstiger Regelungen für den Unterbringungsbereich in einem Papier »Hausordnungen menschenrechtskonform gestalten« auszuleuchten. Dabei wurde insbesondere untersucht, welche Anforderungen sich aus dem Schutz der Wohnung gemäß Art. 13 GG ergeben.
»Der Staat bleibt an die Grund und Menschenrechte gebunden. Er kann sich seiner Verantwortung nicht entledigen, indem er durch einfaches Gesetz oder eine Auflage ein besonderes Rechtsverhältnis schafft, in dem die Grundrechte nicht gelten sollen.«
In Schlaf- und Wohnräumen gilt »Hausrecht«
Eines der Ergebnisse: Auch wenn bei gemeinschaftlicher Nutzung von Räumen gewisse Einschränkungen aus praktischen Gründen hinzunehmen sind, kommt Bewohner*innen zumindest für Schlaf- und Wohnräume ein »Hausrecht« zu, weil sie als Wohnung im Sinne von Art. 13 GG einzuordnen sind. »Der Staat bleibt an die Grund und Menschenrechte gebunden. Er kann sich seiner Verantwortung nicht entledigen, indem er durch einfaches Gesetz oder eine Auflage ein besonderes Rechtsverhältnis schafft, in dem die Grundrechte nicht gelten sollen«, so das DIMR.
Privatsphäre respektieren
Anlassloses jederzeitiges Betreten von Wohn- oder Schlafräumen wird diesen Anforderungen nicht gerecht. Durchsuchungen sind nur dann zulässig, wenn dafür eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage besteht. In Sachen Besuchsregelungen ist das legitime Interesse der Bewohner*innen aus Art. 13 GG an Kontakt und Austausch mit anderen im Rahmen der Privatsphäre zu beachten. In Rechnung zu stellen ist aber auch das Interesse anderer Bewohner*innen, nicht durch Besuche über Gebühr beeinträchtigt zu werden.
Menschen, die Flüchtlinge in Unterkünften unterstützen, sollten die Untersuchung zum Anlass nehmen, im Dialog mit den Behörden, ggf. auch im Konflikt, dafür zu sorgen, dass Unterbringungspraktiken und Hausordnungen Grund- und Menschenrechten Rechnung tragen.
Für grund- und menschenrechtliche Standards in Unterkünften
PRO ASYL hat im Jahr 2014 eine Untersuchung von Kay Wendel zur Unterbringungspraxis der Bundesländer veröffentlicht. Schon damals war klar, wie unzureichend z.B. Mindestanforderungen an die Unterbringung – Räume, Ausstattung, Personal, Aufsichtsfunktionen usw. – geregelt sind. Wo sie existierten, wurden sie überwiegend während der sog. Flüchtlingskrise außer Kraft gesetzt. Es ist an der Zeit, die Debatte weiterzuführen. Flüchtlinge dürfen nicht reine Objekte staatlichen Handelns sein.
(bm)