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Ägäis: Jetzt soll es die NATO richten?
Zum „Kampf gegen Schleuserbanden“ werden nun NATO-Militärboote unter deutscher Führung in die Ägäis entsendet. Ein weiterer Bruch der Menschenrechte von Flüchtlingen droht.
Nachdem der schmutzige Deal mit dem türkischen Präsidenten Erdogan offenbar noch nicht die gewünschten Ergebnisse zeigt, wird nun ein weiterer Akteur ins Boot geholt: „Auf Bitten mehrerer Staaten“ beteiligt sich nun die NATO mit militärischen Mitteln an der Abschottung Europas. Offiziell dient der Einsatz, wie auch die europäische Mission „EUNAFVOR Med“ vor der Küste Nordafrikas, der „Schlepperbekämpfung“, die Boote sollen Aufklärungs- und Überwachungsaufgaben übernehmen.
Aushebelung des Flüchtlingsrechts auf kaltem Weg
In der Realität will man erreichen, dass die Fluchtwege durch die Türkei nach Europa blockiert werden. Flüchtlinge sollen noch auf türkischem Gebiet an der weiteren Flucht gehindert werden. Das wird auch zu Menschenrechtsverletzungen führen – sobald griechisches Gebiet erreicht ist, sind Zurückweisungen und sogenannte „Push-Backs“ illegal.
Angesichts solcher Maßnahmen sind die aktuellen Äußerungen aus der EU-Kommission blanker Hohn: In Hinblick auf die Zehntausenden Menschen, die aus Aleppo geflohen sind und momentan an der türkischen Grenze ausharren, erinnerte die EU-Außenbeauftragte Mogherini die Türkei an ihre „moralische und rechtliche Pflicht“, Schutzsuchenden zu helfen. Die eigene Verantwortung möchte man aber offenbar abgeben – um dabei den Anschein der Legalität zu wahren, soll die Türkei nun auch zum „sicheren Drittstaat“ erklärt werden.
Die Türkei ist kein „sicherer Drittstaat“
Schutzsuchenden drohen in der Türkei Menschenrechtsverletzungen: Misshandlungen, willkürliche Inhaftierungen und sogar Abschiebungen in die Krisenregionen, z.B. Syrien und Irak. Und die Türkei kann kein „sicherer Drittstaat“ sein, denn diese Einstufung kann nur bei Staaten vorgenommen werden, in denen die Genfer Flüchtlingskonvention uneingeschränkt gilt. Die Türkei hat die GFK zwar ratifiziert, behält aber bis heute den sogenannten geographischen Vorbehalt bei: Nur Schutzsuchende aus Europa können von der Türkei selbst als Flüchtlinge anerkannt werden. Alle anderen haben in der Türkei keine Aussicht auf einen Flüchtlingsstatus, keine soziale Unterstützung, kaum Zugang zum Arbeitsmarkt oder zum Gesundheitssystem.
Die EU will die Türkei zum Flüchtlingslager Europas machen
Das Konzept der EU ist realitätsfern: Eine Staatengemeinschaft mit 550 Millionen Einwohnern will einem anderen Staat, der bereits 2,5 Mio. syrische Flüchtlinge aufgenommen hat, die alleinige Verantwortung für den Flüchtlingsschutz aufbürden. Damit bereitet die EU ihren kollektiven Ausstieg aus dem Flüchtlingsschutz vor.
Weil man innerhalb der EU keine solidarische Lösung untereinander findet, soll nun die Türkei zum Flüchtlingslager Europas werden. Dafür sieht man auch bereitwillig über Menschenrechtsverletzungen hinweg – wie Innenminister de Maizière auch unverhohlen zugibt, als er Kritik am Verhalten der türkischen Regierung mit der Aussage, man habe schließlich „einen Interessensausgleich vor“ beiseite wischte.
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