02.06.2014
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Aram Ali bei der PRO-ASYL-Pressekonferenz zur Aufnahme syrischer Flüchtlinge am 21. Mai in Berlin. Foto: Schokofeh Kamiz

Viele in Deutschland lebende Syrerinnen und Syrer versuchen verzweifelt, Angehörige aus der syrischen Krisenregion zu sich zu retten. Allein im Rahmen des zweiten Bundesprogramms zur Aufnahme syrischer Flüchtlinge wurden 76.000 Aufnahmeanträge gestellt – doch das Programm umfasste gerade einmal 5.000 Plätze. Einer, der verzweifelt versucht, Verwandte nach Deutschland zu retten, ist Aram Ali.

Er darf sei­ne Ange­hö­ri­gen nicht zu sich holen, weil er als Stu­dent nicht genug Geld hat. Dar­über berich­te­te Ali Aram auf einer PRO-ASYL-Pres­se­kon­fe­renz im Mai in Ber­lin. Seit 14 Jah­ren lebt er mit sei­ner Fami­lie in Deutsch­land. Zwei Onkel von ihm und deren Fami­li­en ste­cken in der hart umkämpf­ten Stadt Alep­po in Syri­en fest, es ist ein Leben in stän­di­ger Bedrohung. 

Ange­sichts der Kriegs­to­ten und der Mil­lio­nen Flücht­lin­ge inner­halb und außer­halb  der syri­schen Gren­zen bewer­tet der han­no­ve­ra­ner Jura­stu­dent die deut­sche Flücht­lings­po­li­tik im Hin­blick auf Syri­en kri­tisch. „Die Debat­te um Inte­gra­ti­on, auch Flücht­lin­ge, ist sehr geprägt von den The­men Sozi­al­miss­brauch oder Ein­nah­men von Kin­der­geld“, sagt er, und erklärt: „Die Men­schen, die hier her­kom­men wol­len, haben erst­mal nur das Ziel, wie­der ein nor­ma­les Leben zu füh­ren, wie­der zu arbei­ten, sich selbst zu ver­sor­gen und nach drei Jah­ren wie­der ihre Kin­der in die Schu­le zu schicken.“

Alle ver­su­chen, die Ange­hö­ri­gen aus Alep­po zu holen – bis­lang vergeblich

Aram Alis Mut­ter ist selbst­stän­dig, sie betreibt eine Ände­rungs­schnei­de­rei in Han­no­ver. In Schles­wig-Hol­stein lebt eine Tan­te von ihm mit zwei Töch­tern. Eine der Töch­ter ist Ärz­tin, die ande­re stu­diert Phar­ma­zie. Alle ver­su­chen, die bei­den Onkel und ihre Fami­li­en aus Alep­po zu holen – bis­lang vergeblich.

Die in Syri­en leben­den Ange­hö­ri­gen hat­ten sich als Flücht­lin­ge bei UNHCR im Liba­non gemel­det – eine der Vor­aus­set­zun­gen, die Flücht­lin­ge für eine Auf­nah­me im Rah­men des ers­ten deut­schen Auf­nah­me­pro­gramms erfül­len muss­ten. Doch sie wur­den bei der Aus­wahl der 5.000 Schutz­be­dürf­ti­gen, die im Rah­men des 1. Bun­des­pro­gram­mes kom­men durf­ten, nicht berücksichtigt.

Auch über das Län­der­auf­nah­me­pro­gramm  konn­te kein Visum erteilt wer­den, weil die Vor­aus­set­zun­gen für die Ver­pflich­tungs­er­klä­rung nicht erfüllt waren: Als Stu­dent ver­dient Aram Ali gera­de genug für sich selbst. Auch sei­ne Mut­ter erwirt­schaf­tet mit ihrer Ände­rungs­schnei­de­rei kein Ver­mö­gen. Obwohl nicht nur sie, son­dern auch die in Schles­wig-Hol­stein leben­de Fami­lie bereit sind, ihre Ver­wand­ten  aus Alep­po hier zu unter­stüt­zen, könn­ten von den bei­den Fami­li­en in Syri­en ledig­lich zwei Per­so­nen kom­men, weil das Geld der Fami­li­en in Deutsch­land für mehr nicht reicht. 

Vor­rang für Gutverdienende

Die Not der bei­den Onkel von Aram Ali in Alep­po ist groß: Einer von ihnen lebt im Ver­steck, nach­dem sei­ne Frau und er zwi­schen die Fron­ten des Krie­ges gera­ten sind. Der ande­re Onkel arbei­tet als Kin­der­arzt, ein Sohn hat es in die Tür­kei geschafft. Die Chan­cen auf Schutz in Deutsch­land sind gering:

Zwar ist ein Antrag auf Auf­nah­me nach dem 2. Bun­des­pro­gramm, bei dem noch­mals 5.000  Flücht­lin­ge kom­men dür­fen, bereits gestellt – aber in der Pra­xis sol­len vor­ran­gig die­je­ni­gen Anträ­ge berück­sich­tigt wer­den, bei denen die Vor­aus­set­zun­gen erfüllt ist, dass die in Deutsch­land leben­den Per­so­nen für ihre syri­schen Ver­wand­ten kom­plett auf­kom­men können.

„Wenn man die Auf­nah­me­pro­gram­me aus mei­ner Sicht irgend­wie aus­wer­tet, bedeu­tet das in der Rea­li­tät, dass hoch Ver­die­nen­de eine Chan­ce haben, irgend­wie wei­ter­zu­le­ben, und die Ange­hö­ri­gen von Gering­ver­die­nen­den kön­nen letz­ten Endes dort in Syri­en auf den Tod war­ten“, sagt Aram Ali. „Mei­ner Mei­nung nach ist die­se Abschot­tungs­po­li­tik, die die Bun­des­re­gie­rung betreibt, eigent­lich ein För­der­pro­gramm für Schlepper.“

Der syri­sche Bür­ger­krieg hat eine der größ­ten Flücht­lings­ka­ta­stro­phen unse­rer Zeit aus­ge­löst. Mehr als 2,7 Mil­lio­nen Men­schen sind aus Syri­en ins Aus­land geflüch­tet, wo sie not­dürf­tig über­le­ben. Euro­pa muss jetzt handeln.

Geben Sie syri­schen Flücht­lin­gen ihre Stim­me! Unter­zeich­nen Sie die euro­pa­wei­te Peti­ti­on »Help Syri­as Refu­gees«

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