13.09.2012
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Abschiebungshaftanstalt in Eisenhüttenstadt (Brandenburg). Viele Inhaftierte verstehen nicht, warum sie eingesperrt werden, obwohl sie kein Verbrechen begangen haben. Bild: privat

Zahl der Inhaftierten, die in andere EU-Länder abgeschoben werden sollen, gestiegen

Die Bun­des­re­gie­rung hat eine gro­ße Anfra­ge der Bun­des­tags­frak­ti­on Bünd­nis 90/Die Grü­nen beant­wor­tet. Es geht um die Situa­ti­on in deut­schen Abschie­bungs­haft­an­stal­ten. Abge­fragt wur­den Infor­ma­tio­nen für den Zeit­raum 2008 bis 2010, weil durch die Zustän­dig­keit der Län­der sta­tis­ti­sche Erhe­bun­gen in die­sem Bereich recht lan­ge dauern.

Aus­kunfts­la­ge wei­ter­hin dünn

Trotz­dem wer­den Pro­ble­me deut­lich, die bis heu­te aktu­ell sind. Und dies, obwohl vie­le Bun­des­län­der wenig Bereit­schaft zeig­ten, die not­wen­di­gen Daten zu erhe­ben, unter Beru­fung dar­auf, dass der Auf­wand hier­für unzu­mut­bar sei.

Immer­noch blei­ben Men­schen 18 Mona­te lang inhaftiert 

So machen die Län­der zu Haft­an­trä­gen und ‑grün­den kaum Anga­ben. Immer­hin ist die Zahl der von Gerich­ten abge­lehn­ten Haft­an­trä­ge zwi­schen 2008 und 2010 gestie­gen. Den­noch ging die Zahl der Men­schen in Haft nur rela­tiv gering­fü­gig zurück, von 8 805 im Jahr 2008 auf 7 495 im Jahr 2010. Immer noch kom­men Fäl­le vor, in denen die gesetz­lich mög­li­che Haft­dau­er von bis zu 18 Mona­ten aus­ge­schöpft wird.

Mehr Inhaf­tier­te im Rah­men von „Dub­lin II“-Verfahren

Auf­fäl­lig ist die Zunah­me von Abschie­bungs­haft in Ver­fah­ren nach der Dub­lin-II-Ver­ord­nung, in denen Schutz­su­chen­de in ein ande­res EU-Land abge­scho­ben wer­den sol­len. Die Hälf­te der Bun­des­län­der hat jedoch Fra­gen zu die­sem The­ma nicht beant­wor­tet. Ein Groß­teil der Haft­an­trä­ge wird in die­sen Fäl­len von der Bun­des­po­li­zei gestellt. Das Bun­des­mi­nis­te­ri­um des Innern ver­wei­gert hier­zu die Auskunft.

Inhaf­tie­rung von Jugendlichen

Nicht sehr aus­kunfts­freu­dig zei­gen sich die Län­der auch zur Fra­ge, inwie­weit Jugend­li­che inhaf­tiert wer­den. Aller­dings wird deut­lich, dass meh­re­re Bun­des­län­der Schwan­ge­re und Min­der­jäh­ri­ge mit ihren Sor­ge­be­rech­tig­ten inhaftierten.

Unter­brin­gung zu Bedin­gun­gen der Strafhaft

Die soge­nann­te EU-Rück­füh­rungs­richt­li­nie sieht vor, dass Abschie­bungs­häft­lin­ge in spe­zi­el­len Haft­an­stal­ten unter­ge­bracht wer­den sol­len, denn sie sind kei­ne Straf­tä­ter. Meh­re­re Bun­des­län­der hiel­ten und hal­ten sich nicht dar­an. Sie nut­zen Anstal­ten des Straf­voll­zugs. Vie­le ein­zel­ne Miss­stän­de bele­gen: Eine umfas­sen­de Reform der Abschie­bungs­haft muss in Rich­tung ihrer weit­ge­hen­den Abschaf­fung führen.

Ant­wort der Bun­des­re­gie­rung vom 5.9.2012 auf die Gro­ße Anfra­ge der Frak­ti­on Bünd­nis 90/Die Grünen »

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