17.07.2013
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Abschiebungsgefängnis Eisenhüttenstadt. Viele dort Inhaftierte bekommen erst in der Haft die Gelegenheit, Asyl zu beantragen. Dort haben sie keinen Anspruch auf einen Rechtsbeistand. Foto: Marei Pelzer

Mindestens vier Inhaftierte setzten am Dienstagnachmittag den Hungerstreik fort, den offenbar 11 Gefangene bereits am Freitag begonnen haben. Die Einrichtung steht schon lange wegen mangelnder medizinischer und psychologischer Versorgung in der Kritik.

Bei den am Diens­tag noch strei­ken­den Per­so­nen han­delt es sich um drei Män­ner aus Geor­gi­en und einen aus Paki­stan. Min­des­tens ein Geor­gi­er ver­wei­gert auch die Auf­nah­me von Flüs­sig­keit. Nach Ein­schät­zung eines evan­ge­li­schen Seel­sor­gers ist die Situa­ti­on ins­be­son­de­re für ihn bedroh­lich. Er wur­de am Diens­tag­nach­mit­tag kurz­zei­tig in ein Kran­ken­haus gebracht. Ein wei­te­rer Mann aus Geor­gi­en hat­te sich in den letz­ten Tagen selbst verletzt.

Bei dem Paki­sta­ner han­delt es sich um Usman Munir (27), des­sen Abschie­bung nach Ungarn am 20. Juni durch den Pro­test eines Akti­vis­ten im Flug­zeug ver­hin­dert wor­den war. In sei­ner Hei­mat wird Usman Munir von Tali­ban ver­folgt. Nach sei­ner Flucht wur­de er in einem Flücht­lings­la­ger in Ungarn von Unbe­kann­ten schwer ver­letzt und lei­det seit­her unter Taub­heit auf einem Ohr und Panik­at­ta­cken. Der Abschie­bungs­ver­such an dem schwer trau­ma­ti­sier­ten Asyl­su­chen­den war Unter­stüt­zen­den zufol­ge ein Mit­aus­lö­ser des Hungerstreiks.

Inhaf­tier­te for­dern fai­ren Zugang zu Asylverfahren

Dem „Netz­werk Lager Eisen­hüt­ten­stadt“  zufol­ge ver­wei­ger­te am Diens­tag­vor­mit­tag auch noch ein 31-Jäh­ri­ger aus Indi­en die Nah­rungs­auf­nah­me, nicht nur einer, son­dern alle drei Män­ner aus Geor­gi­en sol­len sich im tro­cke­nen Hun­ger­streik befin­den. Den Unter­stüt­zen­den wur­de am Diens­tag­nach­mit­tag der Besuch der Hun­ger­strei­ken­den ver­wei­gert. Nach Anga­ben des Netz­werks for­dern die Flücht­lin­ge die Auf­he­bung der Haft und aller Abschie­be­be­schei­de, fai­ren Zugang zu einem Asyl­ver­fah­ren, frei­en Zugang zu exter­ner, unab­hän­gi­ger medi­zi­ni­scher und psy­cho­trau­ma­ti­scher Ver­sor­gung, frei­en und kos­ten­lo­sen Rechts­schutz sowie Zugang zu unab­hän­gi­gen Dol­met­schen­den, zudem die Ver­le­gung des Man­nes, der sich selbst ver­letzt hat­te, in ein Krankenhaus.

Unter­stüt­zen­de der Flücht­lin­ge in Eisen­hüt­ten­stadt, dar­un­ter Flücht­lin­ge aus dem Ber­li­ner Refu­ge­ecamp, haben am Diens­tag­nach­mit­tag ein Pro­test­zelt vor dem gemein­sa­men Gelän­de des Abschie­bungs­ge­wahr­sams und der zen­tra­len Erst­auf­nah­me­stel­le für Asyl­su­chen­de errich­tet. Das Pro­test­camp ist zunächst bis zum kom­men­den Frei­tag geplant. Dann soll eine Demons­tra­ti­on in Eisen­hüt­ten­stadt stattfinden.

Kri­tik­wür­di­ge Inhaftierungspraxis

Die drei Män­ner aus Geor­gi­en hat­ten aus der Abschie­bungs­haft her­aus Asyl bean­tragt. Im grenz­na­hen Eisen­hüt­ten­stadt wer­den Flücht­lin­ge häu­fig durch die Bun­des­po­li­zei inhaf­tiert, bevor sie die Mög­lich­keit bekom­men, einen Asyl­an­trag zu stel­len. Im umge­kehr­ten Fall wür­de sich die Haft ver­mei­den las­sen. Die Anträ­ge der drei hun­ger­strei­ken­den Geor­gi­er waren als „offen­sicht­lich unbe­grün­det“ abge­lehnt wor­den, damit droht ihnen die Abschie­bung nach Georgien.

Man­geln­de medi­zi­ni­sche und psy­cho­lo­gi­sche Versorgung 

Die Ein­rich­tung in Eisen­hüt­ten­stadt wird vom Flücht­lings­rat Bran­den­burg schon län­ger wegen man­geln­der psy­cho­lo­gi­scher Ver­sor­gung trau­ma­ti­sier­ter Flücht­lin­ge kri­ti­siert. Anläss­lich des heu­te ver­öf­fent­lich­ten PRO-ASYL-Berichts „Schutz­los hin­ter Git­tern – Abschie­bungs­haft in Deutsch­land“ erklärt PRO ASYL: 

Am Bei­spiel Eisen­hüt­ten­stadt las­sen sich typi­sche Pro­ble­me der Abschie­bungs­haft zei­gen: Eine sozia­le Betreu­ung ist nicht vor­han­den, Dol­met­scher wer­den selbst dann, wenn es um gesund­heit­li­che Fra­gen geht fast nie ein­ge­setzt. Die Inhaf­tier­ten sind in Eisen­hüt­ten­stadt beson­ders stark sich selbst über­las­sen, wodurch die ohne­hin psy­cho­lo­gisch ange­spann­te Situa­ti­on ver­schärft wird. Wenn etwas aus den Sui­zi­den der letz­ten Jah­re in Abschie­bungs­haft zu ler­nen war, dann, dass man die oft­mals ver­zwei­fel­ten Men­schen nicht sich selbst über­las­sen darf. 

Medi­en­be­rich­te: Flücht­lings­rat Bran­den­burg; rbb; PNN  

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