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Kampagne von PRO ASYL gegen die Grundgesetzänderung 1993.

1993 wurde durch den sogenannten »Asylkompromiss« der Artikel 16 des Grundgesetzes geändert. Damals ging es um ein deutsches Grundrecht, heute um die Fundamente eines Europas der Menschenrechte.

Am 26. Mai 1993 ver­än­der­te der Deut­sche Bun­des­tag das aus his­to­ri­scher Erfah­rung ent­stan­de­ne Asyl­recht des Arti­kels 16 GG bis zur Unkennt­lich­keit. Das deut­sche Grund­ge­setz schütz­te bis dahin jeden poli­tisch Ver­folg­ten, der deut­schen Boden erreich­te. Im Mai 1993 erfolg­te der grund­recht­li­che Kahl­schlag: Wer über einen soge­nann­ten siche­ren Dritt­staat ein­reist, soll sich nicht mehr auf das Asyl­recht beru­fen können.

Die Ver­fas­sungs­än­de­rung und die dar­auf­fol­gen­den Geset­zes­ver­schär­fun­gen waren die Initi­al­zün­dung für einen Wett­lauf der Schä­big­kei­ten gegen­über Schutz­su­chen­den, der die EU-Flücht­lings­po­li­tik bis heu­te prägt. Damals ging es um das deut­sche Grund­ge­setz, heu­te ste­hen die Grund- und Men­schen­rech­te Euro­pas auf dem Spiel.

Völlige Abschaffung des Rechts auf Asyl in Europa droht

Das euro­päi­sche Asyl­recht soll fun­da­men­tal ent­kernt wer­den. Dar­über bera­ten die Staats- und Regie­rungs­chefs Ende Juni. Die Dimen­sio­nen gehen über die deut­sche Grund­ge­setz­än­de­rung hin­aus. Die mili­tä­ri­sche Mau­er vor Euro­pa wird ergänzt um eine Mau­er aus Geset­zen, die den Zugang zum Recht auf Asyl in Euro­pa sys­te­ma­tisch ver­hin­dern sol­len. Wer an Euro­pas Gren­zen um Asyl bit­tet, soll zurück­ge­schickt wer­den, ohne, dass die Flucht­grün­de über­haupt inhalt­lich geprüft wurden.

1) Es wird nicht mehr nach Flucht­grün­den gefragt. Statt­des­sen wird fest­ge­stellt, ob Asyl­su­chen­de durch einen angeb­li­chen »Siche­ren Dritt­staat« gekom­men sind, wohin man sie zurück­schi­cken kann. Flücht­lin­ge wer­den einem vor­ge­schal­te­tem Zuläs­sig­keits­ver­fah­ren« unter­wor­fen, in dem ein­zig und allein geklärt wird, ob ihr Asyl­an­trag zuge­las­sen wird. Falls nicht, kann die Zurück­wei­sung in den Dritt­staat erfol­gen. Mit die­ser Kon­struk­ti­on wird Arti­kel 33 der Gen­fer Flücht­lings­kon­ven­ti­on in Fra­ge gestellt, der das Ver­bot for­mu­liert, Flücht­lin­ge in Gebie­te zurück­zu­wei­sen, in denen ihr Leben oder ihre Frei­heit bedroht ist.

25 Jah­re nach der Ände­rung des deut­schen Grund­rechts steht die Euro­päi­sche Uni­on vor einer ent­schei­den­den Weichenstellung.

2) Schutz­su­chen­de wer­den in Lagern iso­liert. Ob »Hot­spot« an der Außen­gren­ze oder »ANkER« in Deutsch­land (Aufnahme‑, Ent­schei­dungs- und Rück­füh­rungs­zen­trum), Flücht­lin­gen wird ihre per­sön­li­che Frei­heit genom­men. Der Zweck die­ser Lager ist über­all gleich: Ankom­men­de Flücht­lin­ge sol­len fest­ge­hal­ten wer­den, um unmit­tel­bar Zugriff auf sie zu haben. Jah­re­lan­ge Erfah­run­gen mit Lagern an den EU-Außen­gren­zen zei­gen, dass die­se Unter­brin­gungs­pra­xis men­schen­un­wür­dig, trau­ma­ti­sie­rend und ent­rech­tend ist.

3) Wirk­sa­mer Rechts­schutz wird ver­wei­gert. In Haft- und Mas­sen­la­gern gibt es für Flücht­lin­ge kei­nen Zugang zu einem fai­ren Asyl­ver­fah­ren, anwalt­li­cher Bera­tung und effek­ti­vem Rechts­schutz. Unter den neu­en euro­pa­weit geplan­ten Rah­men­be­din­gun­gen für Asyl­su­chen­de wer­den die betrof­fe­nen Men­schen zu Objek­ten degra­diert, über die büro­kra­tisch ent­schie­den wird. Die gerech­te Behand­lung des Ein­zel­falls bleibt im Zwei­fel auf der Stre­cke. Zu einem fai­ren Asyl­ver­fah­ren zählt zudem, dass die betrof­fe­nen Men­schen das Recht wahr­neh­men kön­nen, gegen eine nega­ti­ve Ent­schei­dung einen wirk­sa­men Rechts­be­helf bei Gericht einzulegen.

Es geht um die fun­da­men­ta­le Fra­ge, ob Euro­pa auch künf­tig auf Men­schen­rech­ten und Demo­kra­tie basiert oder ob Rechts­po­pu­lis­ten die­ses Euro­pa bis zur Unkennt­lich­keit zerlegen.

4) Es droht die Zurück­schie­bung in Dritt­staa­ten. Sol­che so genann­ten Siche­ren Dritt­staa­ten müs­sen nicht sicher sein: Es sol­len bereits die Durch­rei­se genü­gen. Die Gen­fer Flücht­lings­kon­ven­ti­on muss in die­sen Staa­ten nicht gel­ten. Ent­schei­dend ist, mit wel­chen Dritt­staa­ten die EU ent­spre­chen­de Deals abschließt. Dazu wer­den sys­te­ma­tisch die Kri­te­ri­en gesenkt, ab wann ein Dritt­staat als sicher ein­ge­stuft wird: In der Tür­kei gilt z. B. die Gen­fer Flücht­lings­kon­ven­ti­on nicht, Schutz­su­chen­de aus Syri­en, Afgha­ni­stan oder dem Irak wer­den will­kür­lich inhaf­tiert und zurück­über­wie­sen, Flüch­ten­de im Grenz­ge­biet zu Syri­en wer­den beschossen.

5) Durch Deals mit Dritt­staa­ten und regio­na­len War­lords zieht sich die EU aus der Ver­ant­wor­tung für den Flücht­lings­schutz. Schwe­re Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen wer­den dabei bewusst in Kauf genom­men und ver­schwie­gen. Die Ein­heits­re­gie­rung Liby­ens ist bereits ein sol­cher Part­ner der EU zur Exter­na­li­sie­rung Schutz­su­chen­der. In Gefäng­nis­sen, die die­ser Regie­rung unter­ste­hen, wur­den laut einem UN-Bericht Flücht­lin­ge gefol­tert. Nach Aus­sa­gen ehe­ma­li­ger Inhaf­tier­ter kam es zu Todesfällen.

Europafeindliche Kräfte nehmen zu, Europa der Menschenrechte in Gefahr 

Nicht nur das Recht auf Asyl in Euro­pa steht auf dem Spiel, es geht um mehr als um den Schutz von Flücht­lin­gen. In ras­sis­tisch geführ­ten Wahl­kämp­fen in Öster­reich und Ita­li­en wur­den Flücht­lin­ge zu Sün­den­bö­cken instru­men­ta­li­siert und für Pro­ble­me ver­ant­wort­lich gemacht, die sie nicht zu ver­ant­wor­ten haben. In Deutsch­land sind Rechts­po­pu­lis­ten in den Bun­des­tag eingezogen.

25 Jah­re nach der Ände­rung des deut­schen Grund­rechts steht die Euro­päi­sche Uni­on vor einer ent­schei­den­den Wei­chen­stel­lung: Es geht um die fun­da­men­ta­le Fra­ge, ob Euro­pa auch künf­tig auf Men­schen­rech­ten und Demo­kra­tie basiert oder ob Rechts­po­pu­lis­ten die­ses Euro­pa bis zur Unkennt­lich­keit zerlegen.

(gb / akr)