Hintergrund
Voraussetzungen für die Einbürgerung seit Juni 2024
Das Gesetz zur Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts ist am 27. Juni 2024 in Kraft getreten. Durch die Änderungen sind einige Erleichterungen bei der Einbürgerung geschaffen worden: Personen, die sich einbürgern lassen wollen, müssen ihre bisherigen Staatsbürgerschaften nicht abgeben und die geforderte Aufenthaltsdauer in Deutschland ist verkürzt worden. Allerdings sind auch höhere Anforderungen bei der Lebensunterhaltssicherung und mehr Indizien für eine fehlende Grundgesetztreue eingeführt worden. Im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens haben wir diese und andere Änderungen in einer Stellungnahme kritisch kommentiert.
In diesen Beratungshinweisen stellen wir die Voraussetzungen für die Einbürgerung, vordergründig für Personen mit einem Schutzstatus oder einem humanitären Aufenthaltstitel in Deutschland dar. An manchen Stellen werden in diesen Beratungshinweisen zur Erläuterung der gleichgebliebenen Voraussetzungen die vorläufigen Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Innern (BMI) zum Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) vom 01. Juni 2015 herangezogen, da es zurzeit keine neuen Anwendungshinweise gibt. Anwendungshinweise sind für die Behörden nicht rechtsverbindlich, sie bieten jedoch den Behörden bei der Auslegung der Gesetze eine Orientierung.
Diese Beratungshinweise können keine ausführliche Beratung ersetzen. Daher empfehlen wir, sich im Zweifel an regionale Beratungsstellen oder die jeweiligen Flüchtlingsräte zu wenden.
Die Anspruchseinbürgerung (10 StAG)
Einen Anspruch auf eine Einbürgerung hat eine Person, wenn sie folgende Voraussetzungen erfüllt:
Rechtmäßiger Aufenthalt in Deutschland seit fünf Jahren
Als rechtmäßiger Aufenthalt sind anrechenbar:
- Eine deutsche Aufenthaltserlaubnis nach dem Aufenthaltsgesetz (§ 16 – § 36a Aufenthaltsgesetz (AufenthG))
- Eine Fiktionsbescheinigung (§ 81 Abs. 3 und 4 AufenthG)
- Eine deutsche Niederlassungserlaubnis (§ 9 AufenthG)
- Ein Daueraufenthalt-EU (§ 9a AufenthG)
- Die Dauer des Aufenthalts eines erfolgreichen Asylverfahrens, das zur Anerkennung als Asylberechtigte*r oder zum Flüchtlingsschutz führte, während eine Person im Besitz einer Aufenthaltsgestattung (§ 55 Asylgesetz (AsylG)) war. Ob dies auch für Personen mit subsidiärem Schutz gilt, ist strittig. (vgl. 55 Abs. 3 AsylG und S. 7 der vorläufigen Anwendungshinweise zum Staatsangehörigkeitsgesetz von 01. Juni 2015)
- Zeiten, in denen Unionsbürger*innen sowie Staatsangehörige aus Island, Liechtenstein und Norwegen und der Schweiz in Deutschland Freizügigkeit genossen haben.
- Zeiten, in denen Personen mit türkischer Staatsangehörigkeit sich in Deutschland nach dem Assoziationsabkommen EWG-Türkei rechtmäßig aufgehalten haben.
- Zeiten, in denen eine Befreiung von einem Aufenthaltstitel bestand.
Nach Abschluss eines erfolglosen Asylverfahrens werden Zeiten, in denen eine Person im Besitz einer Aufenthaltsgestattung war, nicht angerechnet. Auch Zeiten mit einer Duldung werden nicht angerechnet.
Der rechtmäßige Aufenthalt in Deutschland muss grundsätzlich ununterbrochen bestanden haben. Hierbei ist Folgendes zu berücksichtigen:
- Eine Unterbrechung des Aufenthalts in Deutschland liegt in der Regel vor, wenn eine Person sich länger als sechs Monate im Ausland aufgehalten hat ( 12b Abs. 1 S. 1 StAG). Dies bedeutet, dass Aufenthalte im Ausland von bis zu sechs Monaten grundsätzlich nicht als Unterbrechungen des rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalts in Deutschland zu berücksichtigen sind (z.B. Urlaubsreisen, Verwandtenbesuche oder Erledigung von geschäftlichen Angelegenheiten).
- Inwieweit bei einer Unterbrechung von mehr als sechs Monaten ein früherer rechtmäßiger Aufenthalt in Deutschland anrechenbar ist, ist von der Ausländerbehörde nach Ermessen zu prüfen (§ 12b Abs. 2 StAG). Die Prüfung bezieht sich darauf, ob dem früheren Aufenthalt in Deutschland trotz der Unterbrechung integrierende Wirkung zuerkannt werden kann (vgl. Anwendungshinweise, S. 38).
- Der rechtmäßige Aufenthalt gilt auch als unterbrochen, wenn eine Person sich nicht rechtmäßig in Deutschland aufgehalten hat. Allerdings bleiben kurzfristige Unterbrechungen des rechtmäßigen Aufenthalts infolge einer nicht rechtzeitigen Beantragung des Aufenthaltstitels oder der Verlängerung außer Betracht, wenn sie bereits bei der Entscheidung über den Aufenthaltstitel außer Betracht geblieben sind (vgl. § 12b Abs. 3 S. 1 StAG und Anwendungshinweise, S. 38).
- Für weitere Ausnahmen, siehe § 12b Abs. 1 S. 2–4 StAG.
Ein*e Ehegatt*in oder eingetragene*r Lebenspartner*in und die minderjährigen Kinder einer antragstellenden Person können mit eingebürgert werden, auch wenn sie sich noch nicht seit fünf Jahren rechtmäßig in Deutschland aufhalten (§ 10 Abs. 2 StAG).
- Für miteinzubürgernde Ehegatt*innen genügt ein rechtmäßiger Aufenthalt in Deutschland von vier Jahren bei zweijähriger Dauer der Ehe oder eingetragener Lebenspartnerschaft. Ein miteinzubürgerndes Kind, das im Zeitpunkt der Einbürgerung das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, soll sich seit drei Jahren rechtmäßig in Deutschland aufhalten (vgl. vorläufige Anwendungshinweise, S. 29). Wovon jedoch grundsätzlich abgesehen werden sollte, wenn beide Elternteile einzubürgern sind oder bzw. dann, wenn der allein sorgeberechtigte Elternteil einen Anspruch auf Einbürgerung hat (vgl. GK-StAR/Berlit StAG § 10 Rn. 374).
- Bei miteinzubürgernden Kindern unter sechs Jahren genügt es, wenn das Kind sein halbes Leben rechtmäßig in Deutschland verbracht hat. Ein minderjähriges Kind, das zum Zeitpunkt der Einbürgerung das 16. Lebensjahr bereits vollendet hat, kann selbstständig eingebürgert werden, solange es die Mindestaufenthaltszeit von fünf Jahren erfüllt hat (vgl. vorläufige Anwendungshinweise, S. 29).
Besitz einer Niederlassungserlaubnis oder einer Aufenthaltserlaubnis
Zum Zeitpunkt der Einbürgerung muss die Person in der Regel im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis oder Niederlassungserlaubnis sein. Zu den Ausnahmen und anderen Aufenthaltstiteln siehe § 10 Abs. Abs. 1 Nr. 2 StAG. Aus den folgenden Aufenthaltserlaubnissen können Personen jedoch nicht direkt eingebürgert werden: §§ 16a, 16b, 16d, 16e, 16f, 17, 18f, 19, 19b, 19e, 20, 22, 23a, 24, 25 Abs. 3 bis 5 und 104c AufenthG. Sie müssen zunächst eine Niederlassungserlaubnis erhalten. Weder die Anspruchs- noch die Ermessenseinbürgerung (siehe unten) kommt für Personen mit einer dieser Aufenthaltserlaubnis in Frage- mit einer Ausnahme: Personen, die die Aufenthaltserlaubnis nach § 23a AufenthG haben, können ohne den Umweg über die Niederlassungserlaubnis direkt die Ermessenseinbürgerung beantragen (vgl. vorläufige Anwendungshinweise, S. 15).
Geklärte Identität und Staatsangehörigkeit
Die Klärung der Identität und Staatsangehörigkeit sollte in der Regel im Einbürgerungsverfahren durch einen nationalen Pass erfolgen. Allerdings hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 23. September 2020 klargestellt, dass diese Anforderung objektiv möglich und subjektiv zumutbar sein muss. Sollte der Herkunftsstaat z.B. kein funktionierendes Personalwesen haben, oder die Person durch die Kontaktaufnahme mit den Behörden des Herkunftslandes Repressalien für andere Personen auslösen, müssen auch andere Beweise zur Klärung der Identität und Staatsangehörigkeit herangezogen werden. Das Bundesverwaltungsgericht formuliert in diesem Urteil ein Stufenmodell, das zur Prüfung von den Einbürgerungsbehörden herangezogen werden soll:
- Pass, Passersatz oder anderes amtliches Identitätsdokument mit Lichtbild;
- andere geeignete amtliche Urkunden mit (z.B. Führerschein, Dienstausweis, Wehrpass) und ohne (z.B. Geburtsurkunde, Melde- Tauf- und Schulbescheinigungen) Lichtbild, bei deren Ausstellung Gegenstand der Überprüfung (auch) die Richtigkeit der Verbindung von Person und Name ist;
- Stufe: sonstige Beweismittel wie beispielsweise Auskünfte und Zeugen.
Auf der letzten Stufe können also in besonderen Ausnahmefällen zur Klärung der Identität auch im Rahmen einer Gesamtwürdigung eines schlüssigen und glaubhaften Vorbringens allein die Angaben der antragstellenden Person ausreichen.
In der Praxis wird jedoch häufig ein gültiger Pass für die Identitätsklärung verlangt. Sollte dieser nicht beschafft werden könne, empfehlen wir Kontakt zu einer Beratungsstelle aufzunehmen.
Lebensunterhaltssicherung
Die antragstellende Person muss (Ausnahmen hiervon siehe unten) den Lebensunterhalt für sich und unterhaltsberechtigte Familienangehörige aus einem selbst erwirtschafteten Einkommen, einem eigenen Vermögen oder einem bestehenden Unterhaltsanspruch bestreiten können. Für die Frage, ob diese Voraussetzung erfüllt ist, wird die Höhe der Regelsätze des Bürgergelds als Maßstab herangezogen (§ 20 GB II zuzüglich der notwendigen Mehrbedarfe und sonstigen Leistungen nach §§ 21–28 SGB II).
Der Lebensunterhalt gilt als gesichert, wenn keine Ansprüche auf Leistungen nach dem SGB II (Bürgergeld) oder SGB XII (Sozialhilfe) bestehen. Die Lebensunterhaltssicherung umfasst auch eine ausreichende soziale Absicherung gegen Krankheit, Pflegebedürftigkeit, Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit und für das Alter (§ 2 Abs. 3 AufenthG). Bei verheirateten Personen ist es ausreichend, dass die Ehegatt*innen hierzu gemeinsam in der Lage sind (vgl. vorläufige Anwendungshinweise, S. 26).
Bei Bezug von andersartigen Leistungen ist eine Prognoseentscheidung erforderlich. Hier wird geprüft, ob die antragstellende Person künftig in der Lage sein wird, ohne Bezug solcher Leistungen den Lebensunterhalt zu sichern. Der Einbürgerung steht es zwar nicht entgegen, wenn die antragstellende Person Kindergeld oder eine Rente eines deutschen Trägers bezogen hat oder bezieht. Bei Bezug anderer Leistungen, wie Arbeitslosengeld, Erziehungsgeld, Unterhaltsgeld, Krankengeld, Wohngeld oder Ausbildungsförderung ist aber eine Prognoseentscheidung erforderlich (vgl. vorläufige Anwendungshinweise, S. 13). In der Praxis ist es schwierig, eine positive Prognoseentscheidung zu erhalten und sich dementsprechend einbürgern zu lassen, wenn diese Leistungen zur Zeit der Antragstellung bezogen werden.
Von der Lebensunterhaltssicherung gibt es einige Ausnahmen:
- Der Bezug von unschädlichen Leistungen. Das sind unter anderem: Kindergeld, Kinderzuschlag, Unterhaltsvorschuss, Elterngeld, Wohngeld, BAföG, Berufsausbildungsbeihilfe, Eingliederungshilfe, Hilfe zur Pflege und eine Rente eines deutschen Trägers.
- Wenn die antragstellende Person zum Zeitpunkt der Antragstellung in Vollzeit erwerbstätig ist und dies auch innerhalb der letzten 24 Monate mindestens 20 Monate war (§ 10 Abs. 1 Nr. 3b StAG). Auch bei der*dem Ehegatt*in und der*dem eingetragene*r Lebenspartner*in, die*der mit dieser erwerbstätigen Person und einem minderjährigen Kind in familiärer Gemeinschaft lebt, wird von der Lebensunterhaltssicherung abgesehen (§ 10 Abs. 1 Nr. 3c StAG).
Sollte die Lebensunterhaltssicherung aus anderen Gründen, zum Beispiel auf Grund einer Krankheit oder Behinderung, eines Studiums oder bei Alleinerziehenden unmöglich sein, kann laut Gesetzesbegründung die Härtefallregelung in § 8 Abs. 2 StAG zum Tragen kommen:
- Zur Vermeidung einer besonderen Härte kann eine Person im Ermessen der Behörde trotz Leistungsbezug nach dem SGB II oder SGB XII eingebürgert werden. Dies ist der Fall, wenn sie alles objektiv Mögliche und subjektiv Zumutbare unternommen hat, um ihren Lebensunterhalt dauerhaft zu sichern (vgl. BT-Drs. 20/9044, S. 34).
- Die Tatsache, dass die Nicht-Erfüllung der Voraussetzung der Lebensunterhaltssicherung außerhalb der Beeinflussungsmöglichkeiten von einzelnen Personengruppen liegt, sollte laut der Gesetzesbegründung von den zuständigen Behörden und Gerichten bei der Auslegung der Härtefallregelung in § 8 Abs. 2 StAG zu berücksichtigen werden (vgl. BT-Drs. 20/9044, S. 34).
Zudem gibt es eine Übergangsregelung im § 40a StAG für Personen, die einen Antrag auf Einbürgerung vor dem 23. August 2023 gestellt haben: Bei der Frage der Lebensunterhaltssicherung soll die alte Fassung des StAG angewandt werden, soweit sie für die antragstellende Person günstigere Bestimmungen enthält.
Nachweis von Deutschsprachkenntnissen auf dem B1 Level
In der Regel wird dieser Nachweis durch ein Zertifikat, das man nach einem erfolgreich absolvierten Integrationskurs bekommt, erbracht. Andere Zertifikate können ebenfalls herangezogen werden (vgl. vorläufige Anwendungshinweise, S. 14). Von dem Nachweis der Deutschsprachkenntnisse auf dem B1-Level durch ein Zertifikat gibt es Ausnahmen:
- Wenn der Erwerb der Deutschkenntnisse auf dem B1 Level trotz ernsthafter Bemühungen nicht möglich oder dauerhaft wesentlich erschwert ist, kann es ausreichen, wenn der*die Sachbearbeiter*in den Eindruck gewinnen, dass die antragstellende Person sich im Alltagsleben ohne nennenswerte Probleme verständigen kann (§ 10 Abs. 4a StAG).
- Von dem Nachweis wird abgesehen, wenn die Person ihn wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Krankheit oder Behinderung oder aus Altersgründen nicht erbringen kann (§ 10 Abs. 6 StAG).
- Bei einem minderjährigen Kind, das zum Zeitpunkt der Einbürgerung das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, ist diese Voraussetzung bei einer altersgemäßen Sprachentwicklung (Nachweis durch Schulzeugnisse) erfüllt (vgl. vorläufige Anwendungshinweise, S. 14).
- Die Deutschkenntnisse sind in der Regel ebenfalls nachgewiesen, wenn die Person vier Jahre eine deutschsprachige Schule mit Erfolg (Versetzung in die nächsthöhere Klasse) besucht hat oder einen Hauptschulabschluss oder wenigstens gleichwertigen deutschen Schulabschluss erworben hat oder in die zehnte Klasse einer weiterführenden deutschsprachigen Schule (Realschule, Gymnasium oder Gesamtschule) versetzt worden ist oder ein Studium an einer deutschsprachigen Hochschule oder Fachhochschule oder eine deutsche Berufsausbildung erfolgreich abgeschlossen hat (vgl. vorläufige Anwendungshinweise, S. 14).
- Im Rahmen des Ermessens sind weitere Ausnahmen möglich, z.B. bei Analphabetismus, bei Personen über 60 Jahren mit mindestens zwölfjährigem rechtmäßigen Aufenthalt in Deutschland, bei Personen, an deren Einbürgerung ein besonderes öffentliches Interesse besteht (vgl. vorläufige Anwendungshinweise, S. 14).
Nachweis der Kenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und Lebensverhältnisse in Deutschland (RuGO-Kenntnisse)
Die RuGO-Kenntnisse müssen ab dem 16. Lebensjahr nachgewiesen werden. In der Regel erfolgt der Nachweis durch den bestandenen Teil des Integrationskurses »Leben in Deutschland« (Einbürgerungstest). Von dem Nachweis der RuGO-Kenntnisse durch den Test »Leben in Deutschland« gibt es Ausnahmen.
- Wenn der Nachweis der RuGO-Kenntnisse trotz ernsthafter Bemühungen nicht möglich oder dauerhaft wesentlich erschwert ist, kann von dem Nachweis abgesehen werden (§ 10 Abs. 6 StAG).
- Von dem Nachweis wird abgesehen, wenn die Person ihn wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Krankheit oder Behinderung oder aus Altersgründen nicht erbringen kann (§ 10 Abs. 6 StAG).
- Vom erfolgreichen Testnachweis »Leben in Deutschland« wird abgesehen, wenn die Person einen Abschluss einer deutschen Hauptschule oder einen vergleichbaren oder höheren Schulabschluss einer deutschen allgemeinbildenden Schule nachweisen kann (vgl. vorläufige Anwendungshinweise, S. 28).
Im Gesetz wird ergänzend zum Nachweis der RuGO-Kenntnisse im §10 Abs. 3 Satz 3 StAG ausgeführt, dass antisemitische, rassistische oder andere menschenverachtende Handlungen mit dem Grundgesetz und der freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht vereinbar sind. Wie die Auslegung dieses Satzes in der Praxis verlaufen wird, kann noch nicht eindeutig eingeordnet werden.
Bekenntnis zur Freiheitlichen demokratischen Grundordnung (fdGO) und Loyalitätserklärung
Das Bekenntnis zur fdGO und die Loyalitätserklärung erfolgt in der Regel durch die Unterschrift dieses Dokumentes. Da das Bekenntnis um den Satz im § 10 Abs. 1 Satz 1 Nummer 1a StAG erweitert wurde, wird diese Vorlage vermutlich bald aktualisiert werden. Bei der Erweiterung handelt es sich um das Bekenntnis zur besonderen historischen Verantwortung Deutschlands zu nationalsozialistischen Verbrechen. Neben dem schriftlichen Bekenntnis durch eine Unterschrift soll auch das mündliche feierliche Bekenntnis vor Aushändigung der Einbürgerungsurkunde erfolgen (vgl. vorläufige Anwendungshinweise, S. 39).
Keine strafrechtliche und sonstige Ausschlussgründe für die Einbürgerung
Verurteilungen oder die Anordnung einer Maßregel der Besserung und Sicherung wegen Schuldunfähigkeit stehen der Einbürgerung entgegen. Dabei gelten folgende Ausnahmen (§ 12a Abs. 1 Satz 1 StAG):
- Verhängung von Erziehungsmaßnahmen oder Zuchtmitteln nach dem Jugendgerichtsgesetz
- Verurteilungen zu Geldstrafen bis zu 90 Tagessätzen
- Verurteilungen zu Freiheitsstrafe bis zu 3 Monaten, wenn die zur Bewährung ausgesetzt und nach Ablauf der Bewährungszeit erlassen worden ist
Diese Ausnahmen gelten jedoch nicht, wenn die Verurteilung wegen einer antisemitischen, rassistischen oder sonstigen menschenverachtenden Tat erfolgte (§ 12a Abs. 1 Satz 2 StAG).
Die Einbürgerung ist ausgeschlossen, wenn nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 oder 4 AufenthG ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse festgestellt wird, etwa bei Terrorismusunterstützung.
Zudem lehnt die Behörde den Einbürgerungsantrag ab, wenn sie Anhaltspunkte feststellt, dass die Person Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung verfolgt oder verfolgt hat oder das fdGO-Bekenntnis unwahr ist (siehe ausführlicher in § 11 Satz 1 Nr. 1 und 1a StAG). Dabei ist es möglich, glaubhaft zu machen, dass die Person sich von den früheren Bestrebungen abgewandt hat.
Von der Einbürgerung ausgeschlossen ist zudem eine Person, die gleichzeitig mit mehreren Ehegatt*innen verheiratet ist oder ein Verhalten zeigt, dass die Gleichberechtigung von Mann und Frau missachtet (§ 11 Satz 1 Nr. 3 StAG).
Einbürgerung mit Verkürzung der Voraufenthaltszeit (10 Abs. 3 StAG)
Die für die Anspruchseinbürgerung geforderte Voraufenthaltsdauer von fünf Jahren kann auf bis zu drei Jahre verkürzt werden, wenn zusätzlich folgende Voraussetzungen kumulativ vorliegen:
Besondere Integrationsleistungen
Hierzu zählen insbesondere besonders gute schulische, berufsqualifizierende oder berufliche Leistungen oder bürgerschaftliches Engagement. Als weitere besondere Integrationsleistungen kommen z.B. eine längere ehrenamtliche Tätigkeit bei einer gemeinnützigen Organisation oder einem Verein in Betracht. Bei der Ermessensentscheidung soll die Einbürgerungsbehörde in jedem Einzelfall eine Gesamtbetrachtung vornehmen, bei der auch mehrere Leistungen zusammen erst eine privilegierte Einbürgerung rechtfertigen können (vgl. vorläufige Anwendungshinweise, S. 30).
Unterhaltsfähigkeit
Obwohl hier der Begriff »Unterhaltsfähigkeit« benutzt wird, gelten für diese Voraussetzung die gleichen Anforderungen wie für die Lebensunterhaltssicherung bei der regulären Anspruchseinbürgerung.
Nachweis von Deutschsprachkenntnissen auf dem Level C1
Dieser Nachweis wird durch ein Sprachzertifikat, Deutsch C1 erbracht.
Neben diesen Voraussetzungen müssen die übrigen Voraussetzungen des § 10 StAG erfüllt sein.
Die Ermessenseinbürgerung (8 StAG)
Neben der Anspruchseinbürgerung kann eine Person im Ermessen der Einbürgerungsbehörde eingebürgert werden. Für die Einbürgerung im Wege des Ermessens müssen folgende Voraussetzungen des § 8 StAG erfüllt sein:
Rechtmäßiger Aufenthalt in Deutschland
Hier gelten die gleichen Anforderungen wie für die Anspruchseinbürgerung. Allerdings ist eine Ermesseneinbürgerung auch aus § 23a AufenthG möglich (vgl. Anwendungshinweise, S. 15). Die Aufenthaltsdauer soll drei Jahre nicht unterschreiten (vgl. Anwendungshinweise, S. 19).
Geklärte Identität und Staatsangehörigkeit
Hier gelten die gleichen Anforderungen wie für die Anspruchseinbürgerung.
Keine Verurteilung wegen Straftaten
Verurteilungen oder die Anordnung einer Maßregel der Besserung und Sicherung wegen Schuldunfähigkeit stehen der Einbürgerung entgegen. Dafür gelten die gleichen Anforderungen und Ausnahmen wie für die Anspruchseinbürgerung.
Vorhandensein einer Wohnung oder eines Unterkommens
Unter Wohnung ist eine Unterkunft zu verstehen, die der antragstellenden Person und den mit ihr in häuslicher Gemeinschaft lebenden Familienangehörigen die Führung eines Haushalts ermöglicht. Es muss sich hierbei nicht um eine selbst angemietete Wohnung handeln, auch ein Untermietverhältnis reicht aus. Eine lediglich provisorische Unterbringung genügt nicht.
Als Unterkommen gilt ein Ort, der dem ständigen Aufenthalt zu Wohnzwecken dient, beispielsweise ein Wohnheim. Eine Gemeinschaftsunterkunft erfüllt nicht die Voraussetzungen einer eigenen Wohnung oder eines Unterkommens (vgl. Anwendungshinweise, S. 12).
Unterhaltsfähigkeit
Hier gelten die gleichen Anforderungen wie für die Lebensunterhaltssicherung bei der Anspruchseinbürgerung bzw. Unterhaltsfähigkeit bei der Einbürgerung mit Verkürzung der Voraufenthaltszeit.
Weitere Voraussetzungen und Einzelfallprüfung
In den Anwendungshinweisen werden für die Ermessenseinbürgerung weitere Voraussetzungen genannt, wie z.B. der Nachweis von Deutschsprachkenntnissen und das Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung (vgl. Anwendungshinweise, S. 14–15). Die Anforderungen der Ermessenseinbürgerung ähneln damit stark denen der Anspruchseinbürgerung. In der Praxis ist eine Einbürgerung nach § 8 StAG also umso wahrscheinlicher, je mehr der Voraussetzungen des § 10 StAG erfüllt sind.
Von der Verpflichtung zur Unterhaltsfähigkeit und von der Maßgabe, dass die antragstellende Person nicht wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt worden sein darf, kann im Einzelfall abgesehen werden, wenn ein besonderes öffentliches Interesse vorliegt oder eine besondere Härte abgewendet werden soll (vgl. § 8 Abs. 2 StAG). Es müssen daher für die antragstellende Person besonders schwere Umstände vorliegen, die im Einzelfall ein Absehen von den Voraussetzungen der Unterhaltsfähigkeit und strafrechtlichen Verurteilungen rechtfertigen (vgl. Anwendungshinweise, S. 21).
Besteht ein besonderes öffentliches Interesse an der Einbürgerung einer Person, kann im Einzelfall von weiteren Voraussetzungen abgesehen werden. Ein besonderes öffentliches Interesse an der Einbürgerung kann vorliegen, wenn die antragstellende Person durch die Einbürgerung für eine Tätigkeit im deutschen Interesse, insbesondere im Bereich der Wissenschaft, Forschung, Wirtschaft, Kunst, Kultur, Medien, des Sports oder des öffentlichen Dienstes gewonnen oder erhalten werden soll (vgl. Anwendungshinweise, S. 19).
Einbürgerungsfeier (16 StAG)
Die Einbürgerungsurkunde wird von der zuständigen Staatsangehörigkeitsbehörde bei einer speziellen Feier ausgehändigt. Vor der Aushändigung ist folgendes Bekenntnis abzugeben: »Ich erkläre feierlich, dass ich das Grundgesetz und die Gesetze der Bundesrepublik Deutschland achten und alles unterlassen werde, was ihr schaden könnte.«
Wie oft die Einbürgerungsfeier stattfindet, unterscheidet sich je nach Einbürgerungsbehörde.
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