Hintergrund
Sichere Folterstaaten? Hintergründe zur Einstufung der Maghreb-Staaten als »sicher«
Gegenwärtig werden immer mehr Staaten als »sicher« eingestuft. Ziel ist es, Asylsuchende aus diesen Staaten durch Schnellverfahren und Schlechterstellung abzuschrecken. Im Februar 2016 hat die Bundesregierung ein Gesetz zur Einstufung von Algerien, Marokko und Tunesien als sichere Herkunftsstaaten initiiert. Doch sind diese Staaten sicher?
Ist das Konzept des „sicheren Herkunftsstaates“ an sich schon fragwürdig, so stellt es eine völlige Infragestellung des Asylrechts dar, wenn Folterstaaten als „sicher“ deklariert werden. Folgt man etwa den Maßstäben des Bundesverfassungsgerichts, so lässt die Menschenrechtssituation in den betroffenen Staaten eine Einstufung als sichere Herkunftsstaaten nicht zu:
Wie unten detailliert aufgezeigt wird, bestehen in allen drei Maghreb-Staaten gravierende Menschenrechtsprobleme, die eine Einstufung dieser Staaten als sicher verbieten: Die Todesstrafe besteht in allen drei Ländern und wird von Gerichten verhängt; es kommt zu Folterfällen und extralegalen Tötungen, Demonstrations- und Meinungsfreiheit sind nicht ausreichend gewährleistet und die Rechte von Frauen oder Homosexuellen werden missachtet.
Doch die Bundesregierung beschönigt die Lage in den Ländern. Im Fall von Tunesien stellt sie das Bestehen von Folter zwar fest, zieht jedoch daraus keine Schlussfolgerung. Das widerspricht eklatant den Vorgaben, die das Bundesverfassungsgericht für die Einstufung von »sicheren Herkunftstaaten« macht.
Zur Menschenrechtslage in der Monarchie Marokko
Nach den oben beschriebenen Kriterien des Bundesverfassungsgerichts kann Marokko schon deswegen kein „sicherer Herkunftsstaat“ sein, weil es sich nicht um eine Demokratie handelt. Die demokratischen Strukturen eines Staates sind jedoch von entscheidender Bedeutung, will man in dem Staat eine Verfolgungssicherheit annehmen.
Marokko ist keine Demokratie, sondern eine konstitutionelle Monarchie, in der König Mohammed VI. weitreichende Kompetenzen innehat. Der König sitzt den Ministern der Regierung vor, er kann Minister entlassen und das Parlament auflösen und Neuwahlen ausrufen. Das Volk kann von den verfassungsrechtlichen Voraussetzungen nicht die Staatsform von der konstitutionellen Monarchie in eine Demokratie umwandeln. Dies sowie die Korruption in allen Regierungsbereichen und das Fehlen von Rechtsstaatlichkeit beschreibt das US Departement of State als die größten Menschenrechtsprobleme von Marokko.
Die Bundesregierung attestiert dem Staatswesen dementgegen Gewaltenteilung und eine demokratische Regierungsführung, wenngleich festgestellt wird, dass der König die höchstrangige staatliche Entscheidungsgewalt habe. Diese Aussage soll offenbar die fehlende demokratische Verfasstheit Marokkos beschönigen.
Wie das US Departement of State bestätigt, kann von einer demokratischen Struktur nicht die Rede sein, wenn demokratischer Wandel und eine Überwindung der Monarchie mit demokratischen Mitteln nicht möglich ist und zugleich das Königshaus auf jedes einzelne Ministerium entscheidenden Einfluss hat.
Meinungs- und Versammlungsfreiheit
Die undemokratischen Staatsstrukturen Marokkos zeigen sich auch im Umgang mit der Meinungs- und Versammlungsfreiheit. Kritische Äußerungen über den König, die Monarchie, den Islam oder den Anspruch Marokkos über die Westsahara werden kriminalisiert. Darüber berichtet neben dem US State Department auch Human Rights Watch im World Report 2016.
Auch nach Informationen von Amnesty International schränkten die Behörden die Rechte auf freie Meinungsäußerung, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit massiv ein, wenn es um diese Themen geht. Kritik an der Regierung wurde unterdrückt, Journalisten riskieren strafrechtliche Verfolgung, Aktivisten werden festgenommen. Menschenrechtsorganisationen und andere Vereinigungen können nur unter Auflagen arbeiten. Friedliche Demonstrationen und Protestaktionen werden gewaltsam aufgelöst.
Pressefreiheit
Das Antiterrorgesetz und das Presserecht ermöglichen es der Regierung, gegen Journalisten Haft- oder Geldstrafen zu erlassen, wenn sie sich der Diffamierung oder Beleidigung schuldig machen.
Das Beispiel des Journalisten Ali Anouzla zeigt, wie es um die Pressefreiheit in Marokko bestellt ist. Anouzla war Eigentümer und Chefredakteur von arabischsprachigen Zeitungen, die wegen Kritik an der Monarchie verboten wurden. 2010 gründete er die Onlinezeitung lakome.com, die auch auf Französisch erschien. Sie wurde zum Sprachrohr des Arabischen Frühlings und 2013 verboten. Anouzla wurde in Rabat verhaftet. Er wurde nach dem Antiterrorgesetz verurteilt. Nach internationalen Protesten, darunter von Reporter ohne Grenzen und Amnesty International, kam er nach 40 Tagen vorläufig frei.
Die Bundesregierung stellt in der Gesetzesbegründung fest, es würde in Marokko keine systematische Folter geben. Schon der Maßstab ist fragwürdig.
Die Bundesregierung behauptet demgegenüber in ihrer Gesetzesbegründung, dass staatliche Repressionsmaßnahmen gegen bestimmte Personen, z.B. wegen ihrer politischen Überzeugung, nicht festzustellen seien. Allein der Fall Anouzla steht im Widerspruch zu dieser Behauptung.
Mit der Antiterrorgesetzgebung, die dazu geeignet ist, politische Verfolgung gegen Regierungs- und Königskritischen Journalisten zu begründen, hat sich der Gesetzgeber nicht adäquat auseinandergesetzt.
Folter und Todesstrafe
Die Bundesregierung stellt in der Gesetzesbegründung fest, es würde in Marokko keine systematische Folter geben. Schon der Maßstab ist fragwürdig. Ein Staat ist auch bei der Anwendung von unsystematischer Folter nicht als „sicherer Herkunftsstaat“ einzustufen. Es muss nicht ein extremer Folter-Staat sein, um als Herkunftsland von Asylberechtigten gelten zu können.
Das US Departement of State hat in seinem Bericht zur Menschenrechtslage in Marokko verschiedenen Quellen von UN Gremien zitiert, die nach wie vor Folterfälle in Marokko festgestellt haben. Demnach hat die UN Arbeitsgruppe zu Inhaftierungen sogar systematische Anwendung von Folter in der Haft festgestellt, wenn es um Terrorismusvorwürfe oder um die Staatssicherheit geht. Amnesty International berichtet, dass nach wie vor unter Folter erpresste „Geständnisse“ vor Gericht zugelassen werden.
Allein der Westsahara-Konflikt reicht aus, um Marokko nicht als sicheren Herkunftsstaat einzustufen.
Die Todesstrafe ist nach wie vor in Kraft. Es gilt jedoch ein Moratorium für Hinrichtungen. Das Bestehen der Todesstrafe, die nach wie vor auch ausgesprochen, nur nicht vollstreckt wird, widerspricht schon für sich genommen der Einstufung Marokkos als sicherer Herkunftsstaat. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung gibt zwar das Bestehen der Todesstrafe in Marokko korrekt wieder, ohne jedoch irgendwelche Schlussfolgerungen daraus zu ziehen. So kann eine Auseinandersetzung mit der Menschenrechtslage, wie es das Bundesverfassungsgericht fordert, nicht aussehen.
Situation von Flüchtlingen und Migrant*innen
Dass es weder zu Folter oder extralegalen Tötungen durch den marokkanischen Staat kommt, ist auch in Hinblick auf die Situation der Flüchtlinge und Migrantinnen höchst zweifelhaft. Es kommt regelmäßig zu völkerrechtswidrigen Push-Backs von Flüchtlingen an der marokkanisch-spanischen Grenze. Bei den Rückschiebungen am Zaun von Melilla kommt es immer wieder zu Folter und sogar Misshandlungen. Dabei hat es auch Todesfälle gegeben. Unter anderem wegen dieser Praktiken läuft derzeit ein Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, das sich allerdings gegen Spanien richtet.
Besatzung der Westsahara
Marokko hat seit 1975 große Teile der Westsahara annektiert. Nach Menschenrechtsberichten geht der marokkanische Staat massiv gegen sahrauische politische Aktivisten, Protestierende, Menschenrechtsverteidiger und Medienschaffende vor. Sie werden häufig festgenommen, gefoltert oder anderweitig misshandelt und strafrechtlich verfolgt. Die Behörden verbieten jeglichen Protest und lösten Zusammenkünfte gewaltsam auf, oft auch unter Anwendung exzessiver Gewalt. Allein der Westsahara-Konflikt reicht aus, um Marokko nicht als sicheren Herkunftsstaat einzustufen.
Zur Menschenrechtslage in Algerien
Die Menschenrechtslage in Algerien entspricht ebenfalls nicht den Anforderungen, die das Bundesverfassungsgericht an die Einstufung als sicherer Herkunftsstaat aufgestellt hat.
Abdelaziz Bouteflika ist seit 1999 Präsident von Algerien. Im Jahr 2014 wurde er wiedergewählt. Bouteflika hatte unter dem Eindruck des Arabischen Frühlings 2011 weitreichende demokratische Reformen und Verfassungsänderungen angekündigt. Mit einem neuen Wahlrecht und einem neuen Parteiengesetz sollen die Mitbestimmungsrechte gestärkt werden. Dennoch beschneidet Algerien die Menschenrechte nach wie vor in verschiedener Hinsicht.
Laut dem US Departement of State bestehen besonders große Probleme bei der Beachtung der Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit. Ebenso seien die Meinungs- und Pressefreiheit beschränkt. Weitere Probleme stellen die weitreichende Korruption, die Straflosigkeit gegenüber Tätern dar, die zu Tausenden Menschen ermordet und gefoltert haben. Ebenso sind die Bedingungen in Gefängnissen und die Misshandlungen von Inhaftierten, Gewalt gegenüber und Diskriminierung von Frauen und die Einschränkung von Arbeitnehmerrechten zu nennen.
Beschränkung der Versammlungsfreiheit
In Algerien werden Demonstrationen Berichten von HRW zufolge dadurch verhindert, indem die Organisatoren von im Vorfeld von Demonstrationen verhaftet werden und die Polizei die Demonstrationswege blockiert. Die Festgenommenen werden mit Strafen versehen. Betroffen sind auch Menschenrechtsaktivisten und Gewerkschaftsfunktionäre.
Für das Jahr 2014 berichtete Amnesty International, dass die Behörden weiterhin alle Demonstrationen in der Hauptstadt Algier untersagten, auch wenn einige Kundgebungen ohne Einschreiten der Polizei geduldet wurden.
Man kann einen Staat nicht als sicher einstufen, der friedliche Proteste weitgehend unterdrückt.
Weiterhin berichtete Amnesty International von Vorfällen, in denen die Polizei unverhältnismäßige Gewalt bei der Auflösung einer Demonstration einsetzte. Es kam zu Haftstrafen gegenüber Demonstrationsteilnehmern.
Die Gesetzesbegründung der Bundesregierung bestätigt, dass oppositionelle Gruppierungen und Nichtregierungsorganisationen Einschränkungen bei der Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit geltend machen würden. Bestätigt wird ebenso, dass gegen Beschränkungen faktisch kein gerichtlicher Rechtsschutz vorhanden sei.
Aus dieser Feststellung wird jedoch keine Schlussfolgerung für die Einstufung von Algerien als sicheren Herkunftsstaat gezogen. Das Bundesverfassungsgericht hat betont, dass die demokratische Verfasstheit wesentlich für die Beurteilung eines Staates als sicher ist. Da die Gewährung der Versammlungsfreiheit Wesenskern einer demokratischen Verfasstheit eines Staates ist, vermag die neutrale Haltung der Bundesregierung gegenüber der weitreichenden Einschränkung dieses Grundrechts in keiner Weise zu überzeugen. Man kann einen Staat nicht als sicher einstufen, der friedliche Proteste weitgehend unterdrückt.
Kein ausreichender Schutz vor Gewalt gegen Frauen
Laut Amnesty International gibt es in Algerien einige Fortschritte in Sachen Frauenrechte. Allerdings bestünden auf der anderen Seite nach wie vor keinen ausreichenden Schutz vor Gewalt und sexuellen Übergriffen an Frauen. So seien beispielsweise die gesetzliche Bestimmung in Kraft geblieben, dass Männer, die ein Mädchen unter 18 Jahren vergewaltigt haben, straffrei ausgehen, wenn sie ihr Opfer ehelichen. Frauen sind zudem durch das Familienrecht noch immer hinsichtlich Heirat, Scheidung, Sorgerecht für die Kinder und Erbrecht benachteiligt.
Gefangene gaben an, man habe sie geschlagen, mit Elektroschocks gefoltert, an der Decke aufgehängt und gezwungen, große Mengen von dreckigem Wasser, Urin oder Chemikalien zu schlucken.
Folter
Amnesty International berichtet weiter, dass es in Algerien im Zusammenhang mit Terrorismusbekämpfung zu Folterfällen kommt. Der Militärgeheimdienst DRS halte weiterhin Personen, die der Unterstützung des Terrorismus verdächtigt werden, in geheimer Haft ohne Kontakt zur Außenwelt fest. Die Gefangenen würden sich in inoffiziellen Haftanstalten aufhalten, wie etwa Kasernen, die nicht dem Justizministerium unterstehen.
In der Vergangenheit wandte der DRS Berichten zufolge oft Folter an den Gefangenen an. Diese gaben an, man habe sie geschlagen, mit Elektroschocks gefoltert, an der Decke aufgehängt und gezwungen, große Mengen von dreckigem Wasser, Urin oder Chemikalien zu schlucken. Foltervorwürfen wurde in der Regel nicht nachgegangen.
Im September 2013 sei laut Amnesty die Zentralstelle der Kriminalpolizei des DRS zwar abgeschafft worden, allerdings würden Bestimmungen im algerischen Recht es dem DRS weiterhin erlauben, die Funktion der Kriminalpolizei zu übernehmen, die im Allgemeinen von der Polizei und der Gendarmerie ausgeübt werden.
Todesstrafe
Algerien sieht weiterhin die Todesstrafe vor und verhängt sie auch. Allerdings werden keine Todesurteile vollstreckt. Das Bestehen der Todesstrafe ist aus menschenrechtlicher Sicht jedoch ein Umstand, der dazu führen muss, Algerien nicht als „sicheren Herkunftsstaat“ einzustufen.
Zur Menschenrechtslage in Tunesien
Tunesien ist das Land, von dem der Arabische Frühling ausgegangen ist und in dem die Entwicklung hin zu nachhaltigen demokratischen Strukturen am hoffnungsvollsten ist. Am 23. Oktober 2011 fanden die ersten freien Wahlen zu einer Verfassunggebenden Versammlung statt.
Trotz dieser Demokratisierungsprozesse in Tunesien ist eine Einstufung des Landes als sicherer Herkunftsstaat nicht sachgerecht.
Bezogen auf Tunesien reichen die Ausführungen der Bundesregierung selbst zur Menschenrechtslage schon aus, um zu verdeutlichen, dass Tunesien kein „sicherer Herkunftsstaat“ ist. Der Gesetzentwurf selbst bestätigt, dass es zu extralegalen Tötungen in Haft sowie zu Folterfällen gekommen ist und dass eine Bestrafung von homosexuellen Handlungen praktiziert wird, die flüchtlingsrechtlich nicht anders als Verfolgung einzustufen ist. Schon der Gesetzentwurf selbst macht also deutlich, warum sich die Einstufung von Tunesien als sicherer Herkunftsstaat nicht rechtfertigen lässt.
Das Bundesverfassungsgericht hat gefordert, dass besondere Anforderungen im Blick auf Staaten mit einer diktatorischen und totalitären Vergangenheit zu stellen sind. Die Menschenrechtslage ist besonders sorgfältig zu untersuchen.
Die Bundesregierung stellt in der Gesetzesbegründung fest, dass es als „weitgehend gewährleistet angesehen“ werden kann, „dass in Tunesien keine asylrelevante Verfolgung stattfindet“. Eine sorgfältige Überprüfung schon bei Zugrundelegung der von der Bundesregierung selbst referierten Tatsachen hätte zu einem anderen Ergebnisse führen müssen.
Todesfälle in Haft
Nichtregierungsorganisationen beanstandeten laut Bundesregierung dubiose Todesfälle von inhaftierten Personen. Relativierend führt die Bundesregierung aus, dass staatlichen Stellen grundsätzlich das Leben des Einzelnen achten würden. Ausnahmen von der grundsätzlichen Beachtung scheinen nicht ins Gewicht zu fallen. Dies ist mit dem hohen Gut menschlichen Lebens nicht zu vereinbaren. Von einem sicheren Herkunftsstaat ist zu fordern, dass es ausnahmslos nicht zu extralegalen Tötungen durch staatliche Stellen kommt.
Verfolgung von Homosexuellen
Die Bundesregierung berichtet ebenso unkritisch über die Bestrafung von homosexuellen Handlungen nach § 230 des tunesischen Strafgesetzbuchs mit Haftstrafen von drei Jahren. Bestätigt wird auch, dass diese Strafnorm wiederholt angewandt worden sei. Eine Wertung, was dies für die Einordnung als sicherer Herkunftsstaat zu bedeuten hat, wird indes nicht vorgenommen.
Eine Haftstrafe wegen homosexueller Handlungen ist eine Verfolgung wegen der sexuellen Orientierung – sie führt nach der Genfer Flüchtlingskonvention zur Anerkennung als Flüchtling.
Dabei ist es ganz offensichtlich, dass eine mehrjährige Haftstrafe wegen homosexueller Handlungen eine Verfolgung wegen der sexuellen Orientierung darstellt, die nach der Genfer Flüchtlingskonvention zur Anerkennung als Flüchtling führt. Deutsche Behörden und Gerichte gewähren regelmäßig Flüchtlingsschutz in solchen Fällen. Der Umgang mit Homosexuellen in steht einer Einordnung von Tunesien als sicherer Herkunftsstaat entgegen.
Folter und Todesstrafe
Die Bundesregierung bestätigt in der Gesetzesbegründung, dass die tunesische Regierung selbst einräumt, dass es im Zusammenhang mit Antiterrormaßnahmen zu Folterfällen gekommen ist. Zwar würde sich die tunesische Regierung zur Folterprävention bekennen. Allerdings komme es laut Menschenrechtsorganisationen und Medienberichte regelmäßig zu Folter-Fällen, insbesondere in der Polizeihaft, unmenschliche Behandlung in den Haftanstalten. Bislang ist es in keinem Fall gelungen, eine Amtsperson, die sich der Folter schuldig gemacht hat, zur Verantwortung zu ziehen.
Die Todesstrafe ist auch in Tunesien nicht abgeschafft und wird auch verhängt, wenngleich sie nicht vollstreckt wird. Ein Staat, in dem Folter praktiziert wird und die Todesstrafe nach wie vor gesetzlich vorgesehen ist und verhängt wird, darf nicht als sicherer Herkunftsstaat eingestuft werden.
Konzept sichere Herkunftsstaaten widerspricht individuellem Recht auf Asyl
Mit dem Konzept der „sicheren Herkunftsstaaten“ wird Schutzsuchenden aus den entsprechenden Ländern pauschal unterstellt, keine Schutzgründe zu haben. Dem Grundprinzip des Asylverfahrens – einer individuellen, sorgfältigen Prüfung von Anträgen auf internationalen Schutz – läuft eine solche Annahme diametral entgegen. Den Schutzsuchenden wird eine kaum zu bewältigende Beweislast aufgebürdet – nach dem Prinzip „im Zweifel gegen den Schutzsuchenden“.
Im Fall von Marokko, Algerien und Tunesien ist eine Einstufung als „sichere Herkunftsstaaten“ nicht zu rechtfertigen.