13.04.2016
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Das Asylsystem in Griechenland funktioniert schon seit Jahren nicht: Bereits 2010 warteten Hunderte Asylsuchende tagelang vor den griechischen Asylbehörden, um einen Asylantrag zu stellen. Seit April 2016 ist ein neues Asylgesetz in Kraft - wie es in der Praxis umgesetzt werden soll, ist unklar. Foto: UNHCR / Jón Björgvinsson

Die Verwirrung ist groß: Weder die Flüchtlinge noch ihre Unterstützer*innen und Rechtsanwält*innen wissen genau, welches Recht in Griechenland seit dem EU-Türkei-Deal gilt. Einige Rechtsgrundlagen aus dem neuen griechischen Asylgesetz wurden jetzt übersetzt.

Die Asyl­um Infor­ma­ti­on Data­ba­se (AIDA) hat eini­ge Pas­sa­gen des grie­chi­schen Asyl­ge­set­zes ins Eng­li­sche über­setzt. Wir möch­ten ein paar Ele­men­te vor­stel­len – auch wenn frag­lich ist, wie der Deal in der Pra­xis umge­setzt wird und vie­le der neu­en Rechts­grund­la­gen recht unscharf for­mu­liert sind und daher gro­ßen Spiel­raum für Inter­pre­ta­tio­nen lassen.

Flücht­lin­ge sol­len in Grie­chen­land eine kos­ten­lo­se anwalt­li­che Unter­stüt­zung in Beru­fungs­ver­fah­ren erhal­ten (Art. 44 Abs. 3), wenn ihre Kla­ge vor der ers­ten Instanz geschei­tert ist.

Ände­run­gen gibt es auch bezüg­lich der Inhaf­tie­rung von Flücht­lin­gen (Art. 14). Sie sol­len die »Hot­spots« und die neu­en Regis­trie­rungs­zen­tren, die de fac­to zu Haft­la­gern wur­den, nicht mehr ver­las­sen dür­fen. Unter Umstän­den wird hier sogar ihr gesam­tes Asyl­ver­fah­ren durch­ge­führt. Wie AIDA berich­tet, läuft die­se Rege­lung in der Pra­xis auf eine dau­er­haf­te Inhaf­tie­rung der Schutz­su­chen­den hin­aus, wie auf den ägäi­schen Inseln beob­ach­tet wer­den kann.

Ent­ge­gen öffent­li­cher Behaup­tun­gen hat Grie­chen­land die Tür­kei im Gesetz nicht als siche­ren Dritt­staat ein­ge­stuft (Art. 56). Über­ra­schend kommt nun das Kon­zept des ers­ten Asyl­staats ins Spiel (Art. 55). Dem­nach sol­len die Asyl­an­trä­ge von den­je­ni­gen Flücht­lin­gen abge­wie­sen wer­den, die in einem ande­ren Staat außer­halb Euro­pas bereits »Schutz« gefun­den haben – frei­lich ohne dass unter die­sem Schutz die Vor­aus­set­zun­gen der Gen­fer Flücht­lings­kon­ven­ti­on ver­stan­den wer­den. Dem­nach könn­ten auch Flücht­lin­ge, die in der Tür­kei nur einen tem­po­rä­ren Schutz­sta­tus ohne Per­spek­ti­ve haben, wie­der in die Tür­kei zurück ver­bracht werden.

Aus­nah­me­re­geln grei­fen bei »gro­ßen Zugangs­zah­len von Flücht­lin­gen« (Art. 60 Abs. 4). Das Euro­päi­sche Unter­stüt­zungs­bü­ro für Asyl­fra­gen (EASO) kann zur Unter­stüt­zung bei der Regis­trie­rung sowie für Dol­met­scher­tä­tig­kei­ten hin­zu­ge­zo­gen wer­den. Asyl­su­chen­de dür­fen sich im Rah­men der Aus­nah­me­re­ge­lun­gen nur noch einen Tag lang auf ihre Anhö­rung vor­be­rei­ten; über Asyl­an­trä­ge müs­sen die Behör­den inner­halb von drei Tagen ent­schei­den. Bei beson­ders schutz­be­dürf­ti­gen Grup­pen dür­fen die Aus­nah­me­re­ge­lun­gen nicht ange­wandt wer­den, auch nicht bei Per­so­nen, die über Dub­lin-III Anspruch auf Fami­li­en­zu­sam­men­füh­rung in einem ande­ren EU-Mit­glieds­staat haben. Wie die­se Prü­fung in der Pra­xis ablau­fen soll, gera­de in so kur­zer Zeit, ist jedoch voll­kom­men unklar.

Leich­te Ver­bes­se­run­gen gibt es bei den Fris­ten gegen nega­ti­ve Ent­schei­dun­gen. Für Flücht­lin­ge die sich in Haft befin­den, wur­de die Kla­ge­frist auf 15 Tage erhöht, an der Gren­ze oder in Regis­trie­rungs­zen­tren beträgt die Frist jedoch nur fünf Tage. Alle Kla­gen haben dabei auf­schie­ben­de Wir­kun­gen gegen die Rück­füh­rung in einen ande­ren Staat. Jedoch gibt es auch hier Aus­nah­men, die aller­dings kryp­tisch for­mu­liert sind. So ist bei­spiels­wei­se von der Mög­lich­keit die Rede, die auf­schie­ben­de Wir­kung wie­der auf­zu­he­ben. Für wel­che Fäl­le die­se Aus­nah­me­re­ge­lung gilt, ist bis dato unklar.


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