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Anfang September 2011 flohen Zenhntausende Syrer in den Libanon. Die Hälfte von ihnen sind Kinder. Foto: D.Khamissy / UNHCR

2011 stieg die Zahl der Asylsuchenden in Deutschland im Vergleich zum Vorjahr um 11 Prozent. Doch die Unterbringungsprobleme verdanken sich nicht den rund 45.741 Asylerstantragstellenden, sondern der Tatsache, dass in den Vorjahren Unterbringungskapazitäten abgebaut wurden.

Die Medi­en ver­mit­teln den Ein­druck einer fast bedroh­li­chen Lage: Immer­hin wur­den im Jahr 2011 45.741 Asy­l­erst­an­trä­ge in Deutsch­land gezählt, der höchs­te Stand seit acht Jah­ren. Man­cher­orts kommt es gar zu Unter­brin­gungs­pro­ble­men. Doch rea­lis­tisch betrach­tet ist der Anstieg der Asyl­su­chen­den­zahl – im Ver­gleich zum Vor­jahr um 11 Pro­zent – nichts, was in einem Staat wie Deutsch­land Anlass zu Kopf­zer­bre­chen geben müss­te. Denn die Unter­brin­gungs­schwie­rig­kei­ten sind vor allem eine Fol­ge davon, dass man in den letz­ten Jah­ren die Unter­brin­gungs­plät­ze kon­se­quent abge­baut hatte.

Ins­ge­samt bewegt sich die Zahl der Asy­l­erst­an­trä­ge nur leicht über dem Durch­schnitt der letz­ten zehn Jah­re, von den Höchst­stän­den der begin­nen­den neun­zi­ger Jah­re ist sie mei­len­weit ent­fernt. Zudem liegt der Zuwachs in Deutsch­land unter dem welt­wei­ten Schnitt: Um rund 20 Pro­zent stieg die Zahl der Schutz­su­chen­den laut UNHCR gegen­über dem Vor­jahr welt­weit, um 19 Pro­zent stieg sie in den 38 euro­päi­schen Staa­ten. Ins­ge­samt 441.300 Asyl­ge­su­che in 44 indus­tria­li­sier­ten Staa­ten gab UNHCR für das Jahr 2011 an – eine Grö­ßen­ord­nung, die sich im welt­wei­ten Kon­text noch immer klein aus­nimmt. Denn die meis­ten Flücht­lin­ge blei­ben nach wie vor in der Her­kunfts­re­gi­on: Spit­zen­rei­ter Süd­afri­ka, vom UNHCR-Report nicht erfasst, hat­te 2011 allein 107.000 neue Asyl­ge­su­che zu verzeichnen.

Die­se Zah­len geben tat­säch­lich Anlass zur Sor­ge, und zwar weni­ger im Hin­blick auf den west­li­chen Wohl­stand als im Hin­blick auf die Situa­ti­on der Men­schen in den Her­kunfts­län­dern: Die meis­ten Asyl­ge­su­che in Deutsch­land kamen aus dem wei­ter von einer äußerst pre­kä­ren Sicher­heits­la­ge gepräg­ten Afgha­ni­stan (7.767) sowie dem Irak (5.831). Ange­sichts der Sicher­heits­la­ge in bei­den Län­dern braucht man kei­ne pro­gnos­ti­schen Fähig­kei­ten, um einen wei­te­ren Zuwachs an Asyl­su­chen­den vorauszusehen.

Auch aus dem Iran flie­hen nach dem Schei­tern der Demo­kra­tie­be­we­gung kon­ti­nu­ier­lich Men­schen. Mit 3.352 Asyl­su­chen­den ist auch hier eine Stei­ge­rung um mehr als ein Drit­tel zu beob­ach­ten, wäh­rend die Zahl der syri­schen Antrag­stel­ler vor dem Hin­ter­grund des aktu­el­len Regime­ter­rors sogar um mehr als 75 Pro­zent auf 2.634 gestie­gen ist. Außer beim Her­kunfts­land Syri­en macht sich der soge­nann­te ara­bi­sche Früh­ling in der Zahl der Asyl­su­chen­den in Deutsch­land jedoch kaum bemerk­bar. Nur Tune­si­en ist mit 473 Asyl­an­trä­gen noch unter den Top 20 der Haupt­her­kunfts­län­der zu fin­den. Von den befürch­te­ten Mas­sen­flucht­be­we­gun­gen nach dem Ende der Dik­ta­tu­ren kann also kei­ne Rede sein.

Auf Rang 3 der Haupt­her­kunfts­län­der, also noch vor dem Iran und Syri­en, befin­det sich Ser­bi­en mit 4.579 Asy­l­erst­an­trä­gen. Dies ist den äußerst schwie­ri­gen Lebens­be­din­gun­gen in Ser­bi­en geschul­det – ins­be­son­de­re Roma haben unter Armut und Aus­gren­zung, ras­sis­ti­schen Über­grif­fen und Ver­fol­gung zu lei­den. Knapp 93 Pro­zent der ser­bi­schen Asyl­su­chen­den des Jah­res 2011 waren Ange­hö­ri­ge der Min­der­heit der Roma. Wie vie­le von ihnen einst als Flücht­lin­ge in Deutsch­land hei­misch waren, ist bis­lang nicht erfasst.

Trotz der schwie­ri­gen Bedin­gun­gen in Ser­bi­en ist die Zahl ser­bi­scher Asyl­su­chen­der im Ver­gleich zum Vor­jahr um rund 400 Per­so­nen oder acht Pro­zent gesun­ken. Das geht vor allem auf zwei­fel­haf­te Initia­ti­ven der was EU-Staa­ten zurück, die auf Ser­bi­en und auch Maze­do­ni­en mas­siv Druck aus­ge­übt haben. Dro­hun­gen mit der Rück­nah­me der Visums­frei­heit führ­ten dazu, dass die bei­den Staa­ten nun über Aus­rei­se­kon­trol­len, Straf­vor­schrif­ten und ande­res ver­su­chen, die Aus­rei­se von poten­zi­el­len Asyl­an­trag­stel­lern zu ver­hin­dern. In Maze­do­ni­en ist die Zahl der Asyl­ge­su­che seit­her um über 54 Pro­zent gesunken.

Stagnierende Anerkennungsquoten

Das Bun­des­amt hat im Jahr 2011 ins­ge­samt 43.362 Ent­schei­dun­gen über Asy­l­erst- und ‑fol­ge­an­trä­ge getrof­fen. Nur 653 Per­so­nen oder 1,5 Pro­zent wur­den als Asyl­be­rech­tig­te nach dem Grund­ge­setz aner­kannt. 6.446 Per­so­nen oder 14,9 Pro­zent wur­de Flücht­lings­schutz gemäß § 60 Abs. 1 Auf­enthG gewährt. Ins­ge­samt wur­den 16,4 Pro­zent der Asyl­su­chen­den als Flücht­lin­ge aner­kannt. Ergän­zen­den Schutz bzw. Abschie­bungs­ver­bo­te gem. § 60 Abs. 2, 3, 5, 7 Auf­enthG erhiel­ten 2.577 Per­so­nen oder 5,9 Pro­zent. Damit lag die Gesamt­schutz­quo­te im Jahr 2011 bei 22,3 Pro­zent. Im Ver­gleich zum Vor­jahr mit einer Gesamt­schutz­quo­te von 21,6 Pro­zent sind die Zah­len nahe­zu kon­stant geblieben.

Ein Ver­gleich der Aner­ken­nungs­sta­tis­ti­ken der letz­ten Jah­re legt nahe, dass zwi­schen den Zugangs­zah­len und Aner­ken­nungs­quo­ten ein Zusam­men­hang besteht, den es eigent­lich nicht geben dürf­te: Bei stei­gen­den Antrags­zah­len sinkt die Schutz­quo­te. 2009 noch lag die Schutz­quo­te bei 27.649 Asyl­an­trä­gen bei 33,8 Pro­zent, 2008 bei 22.085 Asyl­an­trä­gen sogar bei 37,7 Prozent.

Natür­lich spielt es immer auch eine Rol­le, aus wel­chen Her­kunfts­län­dern die Betrof­fe­nen mehr­heit­lich kom­men, und auch, wann und wie schnell bestimm­te Asyl­an­trä­ge vom BAMF ent­schie­den wer­den, ob Asyl­an­trä­ge bestimm­ter Her­kunfts­län­der also »auf Eis« gelegt oder beson­ders schnell ent­schie­den werden.

Den­noch lässt sich ein ungu­ter Trend zum Bei­spiel am Her­kunfts­land Afgha­ni­stan beob­ach­ten: Die Antrags­zah­len von afgha­ni­schen Asyl­su­chen­den stie­gen die letz­ten Jah­re deut­lich an, von 3.375 im Jahr 2009, 5.905 im Jahr 2010 auf 7.767 im letz­ten Jahr. Gleich­zei­tig fiel die Schutz­quo­te von 58,6 Pro­zent im Jahr 2009 auf 43,8 Pro­zent im Jahr 2010 und nun­mehr nur noch 34,3 Pro­zent im Jahr 2011. Ange­sichts der Tat­sa­che, dass sich die Situa­ti­on in Afgha­ni­stan sowie in vie­len Kriegs- und Kri­sen­staa­ten, die auf der Lis­te der Haupt­her­kunfts­län­der ste­hen, im letz­ten Jahr eher ver­schärft denn ver­bes­sert hat, bedür­fen die­se Zah­len von Sei­ten des Bun­des­amts einer poli­ti­schen Erklärung.

Weiterhin sehr viele Dublinverfahren

In soge­nann­ten Dub­lin­ver­fah­ren geht es dar­um, dass die EU-Staa­ten unter­ein­an­der die Zustän­dig­keit für Asyl­ver­fah­ren klä­ren. In der Regel ist der­je­ni­ge Staat für ein Asyl­ver­fah­ren zustän­dig, über den die

Ein­rei­se in die EU erfolgt ist. Da Deutsch­land von Dub­lin­staa­ten umge­ben ist, kommt ihm die­se Rege­lung sehr zugu­te. Im Jahr 2011 gab es 9.075 Über­nah­me­ersu­chen Deutsch­lands an die Dub­lin-II-Mit­glied­staa­ten. Die­se Zahl blieb damit im Ver­gleich zu 2010 (9.432) nahe­zu kon­stant. Damit war jedes fünf­te Asyl­ver­fah­ren in Deutsch­land ein Dublinverfahren.

Die Quo­te läge sogar bei 30 Pro­zent, hät­te die Bun­des­re­pu­blik im Janu­ar 2011 nicht Abschie­bun­gen in den Dub­lin-II-Staat Grie­chen­land auf­grund der kata­stro­pha­len Situa­ti­on dort aus­ge­setzt, um ein Urteil des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts zu ver­mei­den, das Betrof­fe­nen wahr­schein­lich mehr Rechts­schutz ver­schafft hät­te. In 4.630 Fäl­len wur­de gegen­über Grie­chen­land vom Selbst­ein­tritts­recht Gebrauch gemacht, d.h. Deutsch­land hat die Zustän­dig­keit für die­se Ver­fah­ren erklärt, obwohl eigent­lich Grie­chen­land zustän­dig gewe­sen wäre.

Den 9.075 Über­nah­me­ersu­chen Deutsch­lands an die Mit­glied­staa­ten ste­hen 2.995 Über­nah­me­ersu­chen der Mit­glied­staa­ten an Deutsch­land gegen­über. Allein an die­sen Zah­len kann abge­le­sen wer­den, wes­halb Deutsch­land ein der­art gro­ßes Inter­es­se dar­an hat, dass das Dub­lin­sys­tem wei­ter­hin Bestand hat und sogar bereit ist, Abschie­bun­gen nach Grie­chen­land aus­zu­set­zen, um das Sys­tem in der jet­zi­gen Form auf­recht zu erhalten.

In soge­nann­ten Dub­lin­ver­fah­ren geht es dar­um, dass die EU-Staa­ten unter­ein­an­der die Zustän­dig­keit für Asyl­ver­fah­ren klä­ren. In der Regel ist der­je­ni­ge Staat für ein Asyl­ver­fah­ren zustän­dig, über den die

Ein­rei­se in die EU erfolgt ist. Da Deutsch­land von Dub­lin­staa­ten umge­ben ist, kommt ihm die­se Rege­lung sehr zugu­te. Im Jahr 2011 gab es 9.075 Über­nah­me­ersu­chen Deutsch­lands an die Dub­lin-II-Mit­glied­staa­ten. Die­se Zahl blieb damit im Ver­gleich zu 2010 (9.432) nahe­zu kon­stant. Damit war jedes fünf­te Asyl­ver­fah­ren in Deutsch­land ein Dublinverfahren.

Die Quo­te läge sogar bei 30 Pro­zent, hät­te die Bun­des­re­pu­blik im Janu­ar 2011 nicht Abschie­bun­gen in den Dub­lin-II-Staat Grie­chen­land auf­grund der kata­stro­pha­len Situa­ti­on dort aus­ge­setzt, um ein Urteil des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts zu ver­mei­den, das Betrof­fe­nen wahr­schein­lich mehr Rechts­schutz ver­schafft hät­te. In 4.630 Fäl­len wur­de gegen­über Grie­chen­land vom Selbst­ein­tritts­recht Gebrauch gemacht, d.h. Deutsch­land hat die Zustän­dig­keit für die­se Ver­fah­ren erklärt, obwohl eigent­lich Grie­chen­land zustän­dig gewe­sen wäre. Den 9.075 Über­nah­me­ersu­chen Deutsch­lands an die Mit­glied­staa­ten ste­hen 2.995 Über­nah­me­ersu­chen der Mit­glied­staa­ten an Deutsch­land gegen­über. Allein an die­sen Zah­len kann abge­le­sen wer­den, wes­halb Deutsch­land ein der­art gro­ßes Inter­es­se dar­an hat, dass das Dub­lin­sys­tem wei­ter­hin Bestand hat und sogar bereit ist, Abschie­bun­gen nach Grie­chen­land aus­zu­set­zen, um das Sys­tem in der jet­zi­gen Form auf­recht zu erhalten.

Die meis­ten Über­nah­me­ersu­chen von Deutsch­land gin­gen an Ita­li­en (2.279), Schwe­den (1.083) und Polen (1.012). Damit hat sich die Zahl der Über­nah­me­ersu­chen an Ita­li­en im Ver­gleich zum Vor­jahr nahe­zu ver­dop­pelt. Dies, obwohl Asyl­su­chen­de in Ita­li­en gro­ßen­teils unter men­schen­un­wür­di­gen Umstän­den im abso­lu­ten Elend und in Obdach­lo­sig­keit leben müs­sen. Mehr und mehr Ver­wal­tungs­ge­rich­te stop­pen aus die­sem Grund Abschie­bun­gen nach Ita­li­en. Aber auch der Euro­päi­sche Gerichts­hof für Men­schen­rech­te (EGMR) hat in meh­re­ren Ver­fah­ren Abschie­bun­gen nach Ita­li­en ausgesetzt.

Auch in ande­ren Dub­lin-Staa­ten ist die Situa­ti­on für Asyl­su­chen­de höchst pro­ble­ma­tisch. So hat der EGMR eine Abschie­bung aus Öster­reich nach Ungarn gestoppt, wo Asyl­su­chen­de regel­mä­ßig inhaf­tiert und miss­han­delt wer­den. Ende Dezem­ber hat der Euro­päi­sche Gerichts­hof in einem Urteil zur Aus­le­gung der Dub­lin-II-Ver­ord­nung klar­ge­stellt, dass natio­nal­staat­li­che Rege­lun­gen wie in Deutsch­land, die eine unwi­der­ba­re Sicher­heits­ver­mu­tung beinhal­ten, nicht mit euro­päi­schem Recht ver­ein­bar sind. Blin­des Abschie­ben, ohne dass sich ein Gericht mit den Ver­hält­nis­sen in dem ande­ren Mit­glieds­land befasst, ist also nicht im Ein­klang mit EU- Recht.

Obwohl Deutsch­land Dub­lin­ver­fah­ren mit Grie­chen­land aus­ge­setzt hat und kei­ne Abschie­bun­gen dort­hin erfol­gen, zudem Gerich­te in einer Viel­zahl von Fäl­len Abschie­bun­gen in Staa­ten wie Ita­li­en, aber auch ande­re EU-Grenz­staa­ten wie Ungarn, Mal­ta, Bul­ga­ri­en oder Zypern gestoppt haben, ist Deutsch­land auch bezo­gen auf die Zahl der Abschie­bun­gen stark vom Dub­lin­sys­tem begüns­tigt. Der Über­stel­lung von 2.902 Flücht­lin­gen in ande­re Staa­ten steht die Auf­nah­me von 1.303 Flücht­lin­gen, also weni­ger als die Hälf­te gegen­über. Haupt­be­trof­fe­ne der Dub­lin-Abschie­bun­gen waren Flücht­lin­ge aus Afgha­ni­stan (346), der Rus­si­schen Föde­ra­ti­on (275) und dem Irak (222).

Mehr unbegleitete minderjährige Flüchtlinge

Um neun Pro­zent gestie­gen ist die Zahl der unbe­glei­te­ten min­der­jäh­ri­gen Flücht­lin­ge. Betrach­tet man nur die Zahl der unbe­glei­te­ten Min­der­jäh­ri­gen unter 16 Jah­ren, ergibt sich sogar ein Anstieg um 33 Pro­zent. Ins­ge­samt stieg die Zahl von 1.948 auf 2.126, die der unter 16-Jäh­ri­gen von 535 auf 714. Die­se Unter­schei­dung zwi­schen den unter 16-Jäh­ri­gen und den über 16-Jäh­ri­gen erfolgt, weil Min­der­jäh­ri­ge im deut­schen Asyl­ver­fah­ren ab 16 Jah­ren immer noch als ver­fah­rens­fä­hig gel­ten, obwohl Deutsch­land sei­ne aus­län­der­recht­li­chen Vor­be­hal­te zur UN Kin­der­rechts­kon­ven­ti­on im Mai 2010 for­mal zurück­ge­nom­men hat.

Kin­der aus Afgha­ni­stan stel­len die größ­te Grup­pe unter den unbe­glei­te­ten min­der­jäh­ri­gen Flücht­lin­gen – 1.092 Asyl­an­trä­ge machen die Hälf­te aller Asyl­an­trä­ge unbe­glei­te­ter Min­der­jäh­ri­ger aus. Als wei­te­re Haupt­her­kunfts­län­der fol­gen der Irak (199), Soma­lia (103) und Syri­en (84). 11,6 Pro­zent der unbe­glei­te­ten min­der­jäh­ri­gen Flücht­lin­ge wur­den als Flücht­lin­ge oder Asyl­be­rech­tig­te aner­kannt, wei­te­re 28,4 Pro­zent erhiel­ten sub­si­diä­ren Schutz.

Immer weniger Flüchtlinge leben in Deutschland

Die Zahl der aner­kann­ten Flücht­lin­ge in Deutsch­land ist von über 200.000 im Jahr 1997 auf nur noch 113.000 Ende 2011 gesun­ken. Die Zahl der Asyl­su­chen­den und Gedul­de­ten sank im sel­ben Zeit­raum von knapp 650.000 auf 134.000, der Anteil der Gedul­de­ten ist mit über 87.000 auf dem glei­chen Niveau wie in den Vor­jah­ren – eine pro­ble­ma­tisch hohe Zahl, die auf die unzu­rei­chen­den Fort­schrit­te beim The­ma Blei­be­recht hinweist.

Die Zahl der Per­so­nen mit einem »Blei­be­recht« sank von knapp 200.000 auf etwa 146.000. Der Ver­bleib der feh­len­den 54.000 Men­schen kann nicht ein­deu­tig erklärt wer­den: Teils sind erteil­te Auf­ent­halts­er­laub­nis­se nicht ver­län­gert wor­den, teils haben die Betrof­fe­nen Nie­der­las­sungs­er­laub­nis­se erhal­ten. Unter dem Strich sank die Zahl der in Deutsch­land leben­den Per­so­nen, die man einem sehr weit gefass­ten Flücht­lings­be­griff zuord­nen könn­te, von über einer Mil­li­on Men­schen auf weni­ger als 400.000.

Die Grün­de sind viel­fäl­tig und rei­chen von Abschie­bung und Rück­kehr bis hin zu amt­lich bestä­tig­ter Inte­gra­ti­on. Selbst aner­kann­te Flücht­lin­ge ver­las­sen Deutsch­land wie­der, wenn sich die Situa­ti­on im Her­kunfts­land ändert, ande­re wer­den Deut­sche und fal­len damit aus der Erfas­sung als Flücht­lin­ge heraus.

Mehr Abschiebungen

Die Zahl der Abschie­bun­gen aus Deutsch­land ist im Jahr 2011 zum ers­ten Mal seit fünf Jah­ren wie­der ange­stie­gen – ins­ge­samt knapp 8.000 Men­schen waren davon betrof­fen, ins­be­son­de­re aus Ser­bi­en, der Tür­kei, dem Koso­vo und Maze­do­ni­en. Fast jede fünf­te Per­son, die zur Abschie­bung ins Koso­vo ange­mel­det wur­de, leb­te län­ger als zwölf Jah­re in Deutsch­land – hin­zu kom­men Kin­der unter zwölf Jah­ren, die hier nicht sel­ten schon gebo­ren sind.

Die­se trau­ri­ge Bilanz zeigt die beson­ders in eini­gen Bun­des­län­dern wenig aus­ge­präg­te Bereit­schaft, bei Men­schen, die schon lan­ge hier leben, von einer Abschie­bung abzu­se­hen geschwei­ge denn, ihnen ein huma­ni­tä­res Auf­ent­halts­recht zu ertei­len. Im Gegen­teil kam es auch im Jahr 2011 immer wie­der zu über­fall­ar­ti­gen Nacht- und Nebel­ab­schie­bun­gen von jah­re­lang ansäs­si­gen Flücht­lings­fa­mi­li­en, die bei der ört­li­chen Bevöl­ke­rung einen Auf­schrei der Empö­rung auslösten.

Eine Infor­ma­ti­on am Ran­de: Rund 40 Pro­zent der Koso­vo-Abschie­bun­gen wur­den mit einem Char­ter­flug unter der Regie von Fron­tex durch­ge­führt, wobei die Fall­kos­ten etwa dop­pelt so hoch wie bei natio­nal ver­an­lass­ten Char­ter­flü­gen waren. Skan­da­lös auch die Tat­sa­che, dass es im Jahr 2011 nach Anga­ben der Bun­des­re­gie­rung 18 Abschie­bun­gen nach Syri­en gab, davon acht ab April 2011 – zu einem Zeit­punkt, als längst klar war, in welch unsi­che­re und gefähr­li­che Situa­ti­on Men­schen damit geschickt werden.

Unter den 30 Haupt­ziel­staa­ten von Abschie­bun­gen befin­den sich aber nicht nur Her­kunfts­län­der von Flücht­lin­gen und Asyl­su­chen­den – mitt­ler­wei­le ist fast die Hälf­te die­ser Haupt­ziel­staa­ten Mit­glied der EU bzw. des Schen­gen Raums. Ita­li­en ist an zwei­ter Stel­le der Haupt­ziel­staa­ten zu finden.

Steigende Todeszahlen im Mittelmeer

Nach Anga­ben von UNHCR war das Mit­tel­meer im Jahr 2011 die Regi­on, in der welt­weit die meis­ten Flücht­lin­ge und Migran­ten ihr Leben ver­lo­ren – eine Todes­fal­le. Nach Schät­zun­gen des Hohen Flücht­lings­kom­mis­sars der Ver­ein­ten Natio­nen star­ben min­des­tens 1.500 Men­schen beim Ver­such, Euro­pa zu errei­chen. Das ist die höchs­te Zahl an Toten, die UNHCR seit Ein­füh­rung der ent­spre­chen­den Sta­tis­tik 2006 ver­zeich­net – ein trau­ri­ger Rekord. Die Dun­kel­zif­fer dürf­te noch weit höher liegen.

Asyl in Europa

Nach Anga­ben von Euro­stat stieg die Zahl der Asyl­an­trä­ge in der EU im letz­ten Jahr um 16 Pro­zent von 259.000 auf 301.000. Haupt­her­kunfts­län­der waren Afgha­ni­stan (28.000), die Rus­si­sche Föde­ra­ti­on (18.200), Paki­stan (15.700), der Irak (15.200) und Ser­bi­en (13.900). Afgha­ni­sche Asyl­su­chen­de stell­ten damit 9 Pro­zent aller Asyl­su­chen­den in der EU.

Die meis­ten Asyl­an­trä­ge wur­den mit 56.300 in Frank­reich ver­zeich­net. Dahin­ter fol­gen Deutsch­land (53.300), Ita­li­en (34.100), Bel­gi­en (31.900) und Schwe­den (29.700). In 237.400 Fäl­len wur­de in den EU-Mit­glied­staa­ten über Asyl­an­trä­ge ent­schie­den. Rund 29.000 Betrof­fe­nen oder 12 Pro­zent wur­de ein Flücht­lings­sta­tus zuer­kannt, 21.400 erhiel­ten sub­si­diä­ren Schutz (12 Pro­zent) und in 9.100 Fäl­len (4 Pro­zent) wur­de eine Auf­ent­halts­ge­neh­mi­gung aus huma­ni­tä­ren Grün­den erteilt. 75 Pro­zent der Betrof­fe­nen wur­den abge­lehnt oder ihre Anträ­ge nicht inhalt­lich geprüft (for­mel­le Ent­schei­dun­gen, z.B. Dub­lin II).


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