Hintergrund
EuGH-Generalanwalt: Abschiebehäftlinge und Strafgefangene nicht gemeinsam unterbringen
Jean Richard de la Tour, Generalanwalt am EuGH, ist in seinen Schlussanträgen vom 25.11.2021 zu dem Ergebnis gelangt, dass die Aufhebung des Trennungsgebotes von Abschiebehäftlingen und Strafgefangenen in § 62a des Aufenthaltsgesetzes und deren gemeinsame Unterbringung in einer Haftanstalt gegen Europarecht verstößt.
Der Einschätzung des Generalanwalts lag folgender Fall zugrunde: K., gegen den Abschiebungshaft angeordnet worden war, wandte sich mit einer Beschwerde an das Amtsgericht Hannover gegen seine mehrere Wochen dauernde Unterbringung in der Haftanstalt Hannover, Abteilung Langenhagen. Hierbei handelt es sich um eine eigentlich für Abschiebehäftlinge vorgesehene Haftanstalt mit drei Gebäuden, von welchen eines im fraglichen Zeitpunkt indessen mit Strafgefangenen belegt war. Das Personal, welches für die Aufsicht und Betreuung der Abzuschiebenden zuständig war, war zugleich auch das für die Strafgefangenen zuständige Strafvollzugspersonal. Die Haft in dieser Hafteinrichtung wurde nach den Rechtsvorschriften über die Vollstreckung von Strafen vollzogen.
Das Amtsgericht Hannover, das über die Beschwerde Ks zu entscheiden hat, hat am 12.12.2020 einen Vorlagebeschluss erlassen, in welchem es den EuGH um Klärung der Frage bat, ob die Aufhebung des sogenannten Trennungsgebotes, also die Unterbringung von Strafgefangenen und Abschiebehäftlingen in einer Einrichtung, europarechtskonform sei. Außerdem wollte das Gericht von den Luxemburger Richtern wissen, ob die Haftanstalt in Hannover unter den geschilderten Bedingungen als geeignet für die Unterbringung von Abschiebehäftlingen anzusehen sei.
Das Trennungsgebot ist in Artikel 16 Abs. 1 der Rückführungsrichtlinie normiert und besagt, dass die Inhaftierung von Abschiebehäftlingen grundsätzlich in speziellen Hafteinrichtungen zu erfolgen hat. Das Trennungsgebot und dessen Verletzung haben in Deutschland eine Vorgeschichte, die es zum besseren Verständnis darzustellen gilt:
Von der Missachtung des Trennungsgebotes zu dessen Beachtung und zurück
Schon einmal musste die Bundesregierung durch den EuGH über die Einhaltung des Trennungsgebots belehrt werden. Mit Urteil vom 17.04.2014 in der Rechtssache »Bero« (C‑473/13) stellte der EuGH unter Berufung auf Art. 16 der Rückführungsrichtlinie klar, dass Abschiebungshaft nicht in einer gewöhnlichen Strafanstalt, sondern grundsätzlich nur in speziellen Hafteinrichtungen vollzogen werden darf. Fast die Hälfte aller Bundesländer hatte vor diesem Urteil indessen die Abschiebungshaft trotz des Trennungsgebotes im Strafvollzug organisiert. Dies obwohl die Rückführungsrichtlinie bereits bis Ende 2010 in nationales Recht hätte umgesetzt werden müssen.
Nach der »Bero«-Entscheidung wurde das Trennungsgebot zunächst bis zum Jahr 2019 in § 62a des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) umgesetzt. Seit Inkrafttreten des sogenannten Zweiten Gesetzes zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht (auch bekannt unter der Bezeichnung »Hau-Ab-Gesetz 2«) am 21.08.2019 ist aktuell aber das dort vorgeschriebene Trennungsgebot von Abschiebungshaft und Strafhaft bis zum 1.7.2022 ersatzlos und für alle Abschiebungshaftgefangenen außer Kraft gesetzt. Nach § 62a Abs. 1 AufenthG in der jetzigen Fassung sind Abschiebungsgefangene nunmehr lediglich »getrennt von Strafgefangenen unterzubringen«. Ausreisepflichtige Personen sollen also für die Dauer von drei Jahren wieder in der gleichen Hafteinrichtung wie Strafgefangene untergebracht werden können, lediglich räumlich von diesen getrennt. Selbst die Unterbringung von ausreisepflichtigen Familien einschließlich Kindern in Justizvollzugsanstalten wurde durch diese Gesetzesänderung ermöglicht.
Der Gesetzentwurf begründete diese Aussetzung des Trennungsgebots mit einer angeblichen »Notlage«, bei deren Vorliegen nach Art. 18 der Rückführungsrichtlinie das Trennungsgebot ausgesetzt werden kann. Art. 18 Abs. 1 der Rückführungsrichtlinie regelt, dass ein Mitgliedstaat, wenn eine außergewöhnlich große Zahl von Drittstaatsangehörigen, deren Rückkehr sicherzustellen ist, zu einer »unvorhersehbaren Überlastung der Kapazitäten der Hafteinrichtungen« führt »solange diese außergewöhnliche Situation anhält.
Diese Voraussetzungen sah die große Koalition bei Verabschiedung des »Hau-Ab-Gesetzes 2« in Deutschland als erfüllt an. In der Gesetzesbegründung ist von einem »Missverhältnis von vollziehbar Ausreisepflichtigen und Abschiebungshaftplätzen« die Rede. Schon die Gegenüberstellung von vollziehbar Ausreisepflichtigen zu Abschiebungshaftplätzen ist dabei irreführend, da nicht jeder vollziehbar Ausreisepflichtige auch in Abschiebungshaft genommen werden darf, wie seinerzeit auch schon der Bundesrat in seiner ablehnenden Stellungnahme zu dem Gesetzentwurf zutreffend festgehalten hatte. Denn zur Verhängung von Abschiebehaft bedarf es zusätzlicher Voraussetzungen wie beispielsweise der Fluchtgefahr der betreffenden Person.
Wenn erst die Ausweitung der Abschiebehaftgründe einen höheren Bedarf oder gar Mangel an Haftplätzen herbeiführt, so ist dieser ganz offenkundig nicht »unvorhersehbar«, wie es Art. 18 der Rückführungsrichtlinie für eine vorübergehende Aufhebung des Trennungsgebotes verlangt.
Ferner hat die Bundesregierung das behauptete Missverhältnis nicht mit konkreten Zahlen belegt. Eine Prognose darüber, bei wie vielen Menschen die Anwendung von Abschiebungshaft in Frage kommen könnte, findet sich nicht. Zugleich kündigte die Große Koalition in ihrem Entwurf eine Verdoppelung der Abschiebehaftplätze auf 1.000 bis zum Jahr 2022 an, ohne zu belegen, wodurch diese massive Erhöhung notwendig wäre. Die so lediglich behauptete Überlastung der Kapazitäten der Abschiebehafteinrichtungen wird in dem Gesetzentwurf aus 2019 als Folge einer vermeintlich »unvorhersehbaren Ausnahmesituation« (…), »wie sie in den Jahren 2015 und folgende« vorgelegen habe, bezeichnet. Weiter wird in der Gesetzesbegründung der Versuch unternommen, die Aussetzung des Trennungsgebotes damit zu rechtfertigen, dass die Versorgung der neuangekommenen Menschen Vorrang vor dem Ausbau der Haftkapazitäten gehabt habe. So wurde versucht zu erklären, warum erst im Jahr 2019 mit dem Bau neuer Haftplätze begonnen wurde, deren Notwendigkeit aber gerade mit der hohen Zahl der schon in 2015 Angekommenen begründet wurde.
Dass der Bundesgesetzgeber glaubte, die Aussetzung des Trennungsgebotes mit einem Mangel an Abschiebhaftplätzen begründen zu können, mag auch daran liegen, dass er mit dem »Hau-Ab-Gesetz 2« zugleich die rechtlichen Möglichkeiten, Abschiebungshaft anzuordnen, massiv ausgeweitet hat. Dies geschah unter anderem durch die Einführung neuer Haftgründe wie die »Mitwirkungshaft«, zum anderen aber auch durch die Ausweitung des Ausreisegewahrsams. Hier wird deutlich, dass die Argumentation wenig einleuchtend ist: Wenn erst die Ausweitung der Abschiebehaftgründe einen höheren Bedarf oder gar Mangel an Haftplätzen herbeiführt, so ist dieser ganz offenkundig nicht »unvorhersehbar«, wie es Art. 18 der Rückführungsrichtlinie für eine vorübergehende Aufhebung des Trennungsgebotes verlangt.
Bei der Behauptung einer Notlage an Abschiebungshaftplätzen fällt angesichts des konkreten Falles, über den der EuGH zu entscheiden hat, ins Auge, dass hier ein ganzes Gebäude einer als Abschiebungshaftanstalt konzipierten Einrichtung für Strafgefangene genutzt wurde. Dies wäre bei Vorliegen einer wirklichen Notlage an Abschiebehaftplätzen undenkbar.
Die Schlussanträge des Generalanwalts Jean Richard de la Tour
Ob die Aussetzung des Trennungsgebotes mit der genannten Gesetzesbegründung durch Art. 18 Abs. 1 der Rückführungsrichtlinie gedeckt ist und ob eine Hafteinrichtung wie jene in Hannover unter den geschilderten Bedingungen als »spezielle Hafteinrichtung« im Sinne des Artikels 16 der Rückführungsrichtlinie anzusehen ist, müssen nun die Richter des EuGH klären.
Mit dem Vorlagebeschluss hat sich zunächst aber Generalanwalt Jean Richard de la Tour befasst, dessen Schlussanträge am 25. November veröffentlicht wurden. Diese deuten darauf hin, dass die deutsche Praxiserneut gegen das Trennungsgebot und damit gegen höherrangiges Europarecht verstößt. Zwar sind Schlussanträge nur Gutachten, die dem EuGH zur Entscheidungsfindung dienen. In den meisten Fällen folgt der EuGH jedoch den darin gemachten Vorschlägen.
In seinen Schlussanträgen ist Generalanwalt de la Tour zu folgenden Ergebnissen gekommen:
- Eine nationale Regelung, die wie § 62a Abs. 1 AufenthG in der aktuellen Fassung für die Dauer von drei Jahren die Inhaftierung von Abschiebungshäftlingen in Justizvollzugsanstalten erlaubt, erfüllt nicht die Voraussetzungen für eine „Notlage“ im Sinne des Art. 18 der Rückführungsrichtlinie.
- Der Erlass außergewöhnlicher Maßnahmen auf der Grundlage von Art. 18 der Rückführungsrichtlinie entbindet nicht davon, in jedem Einzelfall zu prüfen, ob die Umstände, die die Anerkennung einer Notlage gerechtfertigt haben, noch vorliegen. Mit anderen Worten muss jeder Haftrichter bei jedem Haftbeschluss, mit dem er befasst wird, das Fortbestehen der Notlage prüfen.
- Die Einstufung der Abteilung Langenhagen der Justizvollzugsanstalt Hannover als »spezielle Hafteinrichtung« im Sinne des Art. 16 Abs. 1 der Rückführungsrichtlinie war am Tag der Inhaftnahme von K. insbesondere auf Grund der Belegung eines der dortigen Gebäude mit Strafgefangenen nicht zutreffend. Schon die bloße Möglichkeit der Belegung mit Strafgefangenen reicht aber aus, dass die Einrichtung nicht als »spezielle Hafteinrichtung« zu qualifizieren ist.
Zur Europarechtswidrigkeit der Aussetzung des Trennungsgebots durch § 62a AufenthG
Die in der Gesetzesbegründung zur Aussetzung des Trennungsgebotes behauptete »Notlage« im Sinne des Art. 18 der Rückführungsrichtlinie sieht der Generalanwalt erwartungsgemäß nicht als gegeben an. Zutreffend weist der Generalanwalt darauf hin, dass eine Notlage eine rasche und unmittelbare Entscheidung erfordert. Davon könne aber keine Rede sein, da der deutsche Gesetzgeber erst Mitte August 2019 mit dem Mittel der Aussetzung des Trennungsgebotes auf die hohen Einwanderungszahlen des Jahres 2015 reagiert hat. Dabei könne die Lage im Jahr 2015 zwar als »unvorhersehbare Ausnahmesituation« eingestuft werden. Mit der sich daraus ergebenden Folge eines exponentiellen Anstiegs des Drucks auf die speziellen Hafteinrichtungen zur Unterbringung von Abschiebehäftlingen in den Folgejahren sei indessen ohne weiteres zu rechnen gewesen. Die Belastung der Kapazität der speziellen Hafteinrichtungen erst im Jahr 2019 – also vier Jahre später – könne daher nicht als »unvorhersehbar« eingestuft werden.
Außerdem kritisiert der Generalanwalt, dass Deutschland das Trennungsgebots nicht nur für einen kurzen Zeitraum ausgesetzt hat, sondern von vornherein für drei Jahre und damit bis zu dem Zeitpunkt, für welchen der deutsche Gesetzgeber den vollständigen Abschluss von Projekten zur Errichtung weiterer Hafteinrichtungen prognostiziert hat. Der Gesetzgeber hat also keinen Prüfmechanismus zur Kontrolle installiert, ob denn der behauptete Notstand nicht schon zu einem früheren Zeitpunkt behoben ist. Dies lasse sich nicht mit dem Erfordernis einer regelmäßigen Bewertung der Situation, die sich aus Art. 18 Abs. 1 der Rückführungsrichtlinie ergibt, in Einklang bringen.
Die europarechtlichen Regelungen zur Aufnahme Schutzsuchender sowie jene zur Inhaftnahme von abzuschiebenden Drittstaatsangehörigen stünden gleichrangig nebeneinander und die Wahrung der Grundrechte der Ersteren dürfe nicht zum Nachteil der Rechte der Letzteren führen.
Der deutsche Gesetzgeber habe bei Aussetzung des Trennungsgebotes ferner nicht das Verhältnis zwischen der Zahl der Drittstaatsangehörigen, gegen die eine Haftentscheidung ergangen ist, und den zur Verfügung stehenden Haftplätzen konkret benannt. Stattdessen wurde in der Gesetzesbegründung – ebenso wie in der Mitteilung an die Kommission – nur das Verhältnis der Plätze in den speziellen Hafteinrichtungen und der hohen Zahl der ausreisepflichtigen Personen hingewiesen. Dieser Kritik ist zuzustimmen. Wie oben ausgeführt, ist die Gegenüberstellung von vollziehbar Ausreisepflichtigen zu Abschiebungshaftplätzen nicht zielführend, da nicht jeder vollziehbar Ausreisepflichtige auch tatsächlich in Abschiebungshaft genommen werden darf.
Der Generalanwalt lässt auch die weitere Argumentation in der Gesetzesbegründung nicht gelten, wonach die Versorgung der zahlreichen in 2015 angekommenen Schutzsuchenden Vorrang vor dem Ausbau der speziellen Hafteinrichtungen gehabt habe. Denn die europarechtlichen Regelungen zur Aufnahme Schutzsuchender sowie jene zur Inhaftnahme von abzuschiebenden Drittstaatsangehörigen stünden gleichrangig nebeneinander und die Wahrung der Grundrechte der Ersteren dürfe nicht zum Nachteil der Rechte der Letzteren führen.
62a Abs. 1 AufenthG in der aktuellen Fassung ist demzufolge nach Ansicht des Generalanwalts de la Tour europarechtswidrig.
Zur Pflicht der Prüfung des Vorliegens einer Notlage im Sinne des Art. 18 der Rückführungsrichtlinie durch Haftrichter*innen
Der Generalanwalt bejaht des Weiteren die Frage des Amtsgerichts Hannover danach, ob ein Gericht, das über die Inhaftnahme entscheidet, in jedem Einzelfall das Vorliegen der Voraussetzungen zur Aussetzung des Trennungsgebotes nach Art. 18 der Rückführungsrichtlinie – insbesondere das Vorliegen einer »außergewöhnlichen Situation« – prüfen muss, wenn der nationale Gesetzgeber unter Berufung hierauf von der Pflicht zur Einhaltung des Trennungsgebotes in Art. 16 der Rückführungsrichtlinie abgewichen ist.
Es sei zwar in erster Linie Sache des Mitgliedstaates, das Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 18 der Rückführungsrichtlinie festzustellen und gegebenenfalls deshalb außergewöhnliche Maßnahmen im Sinne dieser Vorschrift zu erlassen. Das Vorliegen einer »Notlage« im Sinne des Art. 18 der Rückführungsrichtlinie und die damit einhergehende Gefahr einer Überlastung der Haftkapazitäten stellten aber zugleich objektive Kriterien dar, die die für die Inhaftnahme zuständige Justizbehörde bei der Entscheidung über die Inhaftnahme berücksichtigen müsse. Denn aus der Rückführungsrichtlinie und der diesbezüglichen Rechtsprechung des EuGH ergebe sich, »dass Entscheidungen über die Inhaftnahme auf Grundlage des Einzelfalls und anhand anderer objektiver Kriterien als dem des bloßen illegalen Aufenthalts getroffen werden« müssten. Es müsse stets auch im konkreten Einzelfall »unter Berücksichtigung der besonderen Bedürfnisse des betreffenden Drittstaatsangehörigen« geprüft werden, ob es eine Alternative zur Inhaftnahme gibt und wenn nicht, ob die Unterbringung in einer speziellen Hafteinrichtung oder im Überlastungsfall in einer gewöhnlichen Haftanstalt erfolgen könne. Eine derartige Überprüfung sei auch deshalb angezeigt, da Art. 16 der Rückführungsrichtlinie unmittelbare Wirkung hat und somit – ohne dass es einer Konkretisierung durch nationales Rechts bedürfte – Betroffenen ein Recht verleiht, auf das sie sich berufen können.
Im Ergebnis ist also jede*r Haftrichter*in bei jedem einzelnen Haftantrag gehalten, das Vorliegen einer Notlage im Sinne des Art. 18 der Rückführungsrichtlinie zu überprüfen. Er oder sie darf sich nicht auf die diesbezügliche Einschätzung des Gesetzgebers verlassen.
Zur Abgrenzung einer »speziellen« von einer »gewöhnlichen« Hafteinrichtung im Sinne des Art. 16 der Rückführungsrichtlinie
Schließlich beantwortet der Generalanwalt die Frage danach, ob die in Rede stehende Abteilung Langenhagen der Justizvollzugsanstalt Hannover unter den geschilderten Umständen als eine »spezielle« Hafteinrichtung im Sinne des Art. 16 Abs. 1 der Rückführungsrichtlinie anzusehen ist, mit »nein«.
Dies deshalb, da dort auch Strafgefangene untergebracht werden können und konkret auch untergebracht waren, weiter das Personal, welches für die Betreuung und Beaufsichtigung der abzuschiebenden Drittstaatsangehörigen ist, zugleich auch das für die Strafgefangenen zuständige Strafvollzugspersonal ist, und schließlich weil die Haft in dieser Hafteinrichtung nach den Rechtsvorschriften über die Vollstreckung von Strafen vollzogen wird, die strenger sind, als die für spezielle Hafteinrichtungen für Abschiebehaft erforderlich.
Auch dem ist unbedingt zuzustimmen. Das Wesen der Abschiebehaft unterscheidet sich klar von einer Strafmaßnahme und ist von deren Vollstreckung institutionell, räumlich, baulich und organisatorisch klar zu trennen. Die Inhaftierung dient hier einzig und allein dem Zweck der Aufenthaltsbeendigung ausreisepflichtiger Personen – und nicht deren Bestrafung. Abschiebungshäftlinge sind keine Straftäter und dürfen nicht wie solche behandelt werden. Werden aber Abschiebungsgefangene mit verurteilten Straftätern oder Untersuchungsgefangenen zusammen untergebracht, sind die Rahmenbedingungen des Vollzugs regelmäßig um ein Vielfaches strenger, als sie es in einer spezialisierten Abschiebungseinrichtung sind, in welchen die Betroffenen nur solchen Einschränkungen ihrer Rechte und Freiheiten unterworfen werden, die für die Sicherung der Abschiebung auch unerlässlich sind. Zudem erleben Betroffene die tatsächliche Nähe zu Straftätern im täglichen Umgang als erhebliche Vertiefung des ohnehin gegebenen Gefühls von Stigmatisierung und Kriminalisierung.
Wenn der EuGH den Schlussanträgen des Generalanwalts folgt, darf § 62a AufenthG nicht mehr angewandt werden. Denn das Trennungsgebot des Art. 16 der Rückführungsrichtlinie gilt unmittelbar – auch dann, wenn nationales Recht hiervon abweicht.
Das Ministerkomitee des Europarates hat vor diesem Hintergrund in seinen »20 Guidelines on Forced Return« bereits im Jahre 2005 empfohlen, Abschiebungsgefangene von den zusätzlichen schädlichen Einflüssen einer gemeinsamen Inhaftierung mit Strafgefangenen und/oder Untersuchungsgefangenen in einer Anstalt zu schützen und sie in einer eigenen Einrichtung unterzubringen. Auch die Parlamentarische Versammlung des Europarates hat dies bereits im Jahr 2010 gefordert.
Wenn der EuGH den Schlussanträgen des Generalanwalts folgt, darf § 62a AufenthG nicht mehr angewandt werden. Denn das Trennungsgebot des Art. 16 der Rückführungsrichtlinie gilt unmittelbar – auch dann, wenn nationales Recht hiervon abweicht. Abschiebehäftlinge müssten dann wieder in speziellen Hafteinrichtungen untergebracht werden, die baulich und organisatorisch klar von gewöhnlichen Hafteinrichtungen für Strafgefangene getrennt sein müssen.
Ferner darf der Gesetzgeber gegebenenfalls § 62a AufenthG nicht wie beabsichtigt für den Zeitraum von insgesamt drei Jahren in seinem jetzigen Zustand belassen, sondern ist gehalten, die Norm unverzüglich zu wieder in den Zustand zu führen, den sie vor dem 21.08.2019 hatte.
(Peter von Auer)