Hintergrund
Die wichtigsten Fakten zur Aufnahme aus Afghanistan nach § 22 Satz 2 Aufenthaltsgesetz
Die Aufnahme von Ortskräften und anderen gefährdeten Personen aus Afghanistan erfolgt nach § 22 Satz 2 des Aufenthaltsgesetzes. PRO ASYL fasst hier die wichtigsten Informationen zum Aufenthaltsstatus und den sich daraus ergebenen Rechten zusammen, auch worauf die Betroffenen selbst achten müssen.
Aktuell stellen sich viele Fragen bezüglich der Aufnahme aus Afghanistan und wie es für die Menschen danach in Deutschland weitergeht. Hier fassen wir alle wichtigen Informationen über die Aufnahme nach § 22 Satz 2 AufenthG zusammen.
Die Aufnahme von Ortskräften aus Afghanistan erfolgt in Deutschland seit 2013 über § 22 Satz 2 AufenthG:
»Einem Ausländer kann für die Aufnahme aus dem Ausland aus völkerrechtlichen oder dringenden humanitären Gründen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Eine Aufenthaltserlaubnis ist zu erteilen, wenn das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat oder die von ihm bestimmte Stelle zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland die Aufnahme erklärt hat.«
Vor der Machtübernahme der Taliban wurde nach der Prüfung einer Gefährdungsanzeige eine Aufnahmezusage erteilt und ein Visumsverfahren durchgeführt. Mit dem Visum konnte die Person (ggfs. mit Familie) einreisen, musste aber den Flug selbst organisieren und bezahlen. Seitdem Kabul an die Taliban gefallen ist und es keinen zivilen Luftverkehr in Kabul mehr gibt, läuft eine Evakuierung von Menschen mit Aufnahmezusage. Neben Ortskräften können auch andere gefährdete Personen eine Aufnahmezusage bekommen. Welche Menschen aktuell eine Aufnahmezusage bekommen, wie sie vor Ort informiert werden und wie die Evakuierung abläuft ist allerdings sehr intransparent. Mit einem Charterflug werden die Personen nach Deutschland gebracht und erhalten hier ein »Ausnahme-Visum«, das auch »visa-on-arrival« genannt wird (§ 14 Abs. 2 AufenthG).
Wichtig: Personen mit einem Ausnahmevisum nach § 22 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 2 AufenthG sollten keinen Asylantrag stellen, da dies nach § 55 Abs. 2 AsylG zum Erlöschen des Visums führen würde! Evakuierte sollten sich zunächst innerhalb des Gültigkeitszeitraums des Visums an die für sie zuständige Ausländerbehörde richten und dort einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 22 AufenthG stellen. Wurde bereits Aufenthaltserlaubnis nach § 22 Satz 2 AufenthG erteilt, würde ein Asylantrag nach § 51 Abs. 1 Nr. 8 AufenthG zu deren Erlöschen führen. Auch hier sollte ergo kein Asylantrag gestellt werden!
Im Gegensatz zur Flüchtlingseigenschaft, die im Rahmen eines Asylverfahrens geprüft wird, wurde bei der Aufnahme nach § 22 Satz 2 AufenthG bereits vorher eine besondere Schutzbedürftigkeit festgestellt.
Die wichtigsten Fakten zum § 22 Satz 2 AufenthG:
Aufenthaltserlaubnis
Nach Erhalt des Ausnahmevisums muss während dessen Gültigkeitszeitraums eine Aufenthaltserlaubnis beantragt werden, die ebenfalls nach § 22 Satz 2 AufenthG erteilt wird. Die Aufenthaltserlaubnis wird zunächst befristet für einen Zeitraum von maximal drei Jahren erteilt und kann nach Ablauf jeweils für denselben Zeitraum verlängert werden (vgl. § 26 Abs. 1 AufenthG) (zur Verfestigung des Aufenthalts siehe unten).
Berechtigung zur Erwerbstätigkeit, Ausbildung und Studium
Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt zur Ausübung einer selbständigen sowie unselbständigen Erwerbstätigkeit (vgl. § 4a AufenthG). Auch die Aufnahme einer Ausbildung oder eines Studiums ist möglich.
Zuweisungsentscheidung und Wohnsitzregelung
Den Wohnort in Deutschland können sich Menschen mit dieser Aufenthaltserlaubnis nicht eigenständig aussuchen. Über den sogenannten Königsteiner Schlüssel erfolgt eine Zuweisung in eines der 16 Bundesländer. Für einen Zeitraum von drei Jahren ab erstmaliger Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 22 Satz 2 AufenthG besteht eine Verpflichtung, am Ort der Zuweisung wohnhaft zu bleiben. Die Verpflichtung entfällt mit Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit, die mindestens 15 Stunden pro Woche ausgeübt wird und mit welcher ein Nettoeinkommen in Höhe von mindestens 785,- € erzielt wird. Die Wohnsitzverpflichtung entfällt ebenso im Falle der Aufnahme einer Berufsausbildung oder eines Studiums (vgl. zum Ganzen § 12a Abs. 1 AufenthG).
Sozialleistungen
Solange der Lebensunterhalt nicht eigenständig gesichert werden kann, bestehen Ansprüche auf Sozialleistungen nach SGB II und XII wie für deutsche Staatsangehörige. Anträge sind bei dem jeweiligen örtlichen Jobcenter zu stellen.
Der Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II besteht auch schon mit dem Einreisevisum und auch innerhalb der ersten drei Monate (§ 7 Abs. 1 S. 3 SGB II). Dasselbe gilt für Familienangehörige (siehe Fachliche Weisung zu § 7 SGB II, Nummer 1.4.9.4).
Siehe zum Anspruch auf Leistungen nach SGB auch die Verfahrenshinweise des BMAS.
Teilnahme an einem Integrationskurs
Ein gesetzlicher Anspruch auf Teilnahme an einem Integrationskurs besteht für Menschen mit dieser Aufenthaltserlaubnis zwar nicht. Im Rahmen verfügbarer Kursplätze kann aber die Teilnahme an Integrationskursen zugelassen werden (vgl. § 44 Abs. 4 AufenthG). Die Zulassung zur Teilnahme erfolgt durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge auf Antrag, der über einen zugelassenen Kursträger gestellt werden kann (vgl. § 5 Abs. 1 IntV).
Auch kann das Jobcenter (§ 44a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AufenthG) oder die Ausländerbehörde (§ 44a Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AufenthG) zur Teilnahme an einem Integrationskurs verpflichten
Es besteht Zugang zu den berufbezogenen Deutschkursen (§ 45a AufenthG i.Vm. § 4 DeuFöV).
Siehe zum Zugang zu Integrationskurs und berufsbezogenen Deutschkurs auch die Verfahrenshinweise des BMAS.
Familiennachzug
Sofern diese Familienangehörigen nicht bereits ebenfalls einen Aufenthaltstitel über das Aufnahmeprogramm nach § 22 Satz 2 AufenthG erhalten haben, gilt: Nachträglich kann der Nachzug von Ehegatten oder minderjährigen Kindern der gefährdeten Person aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung der Interessen der Bundesrepublik Deutschland gestattet werden und ist damit nur in Ausnahmefällen möglich (vgl. § 29 Abs. 3 Satz 1 AufenthG).
Verfestigung des Aufenthalts
Nach 5 Jahren kann Inhabern einer Aufenthaltserlaubnis nach § 22 Satz 2 AufenthG bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen (Sicherung des Lebensunterhalts, Verfügen über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache etc., vgl. § 9 Abs. 2 AufenthG) eine Niederlassungserlaubnis erteilt werden (§ 26 Abs. 4 AufenthG).
(pva, wj)