07.05.2024

Im ver­gan­ge­nen Jahr durch­brach die Zahl der Flücht­lin­ge welt­weit erst­mals die 100 Mil­lio­nen-Mar­ke und stieg auf den trau­ri­gen Rekord­wert von 103 Mil­lio­nen. Seit 2013 – also bin­nen weni­ger als zehn Jah­ren – hat sich die Zahl der gewalt­sam Ver­trie­be­nen damit ver­dop­pelt, allein im ver­gan­ge­nen Jahr ist sie um fast 14 Mil­lio­nen gestie­gen. Haupt­grund für den rasan­ten Anstieg im letz­ten Jahr war der rus­si­sche Angriffs­krieg gegen die Ukraine.

103 Mil­lio­nen

Zahl der Flücht­lin­ge steigt auf Rekordwert

Steigende Flüchtlingszahlen in Deutschland: Über 1 Mio Flüchtlinge aus der Ukraine

Auch in Deutsch­land sind die­se Ent­wick­lun­gen zu spü­ren und es gibt man­cher­orts Pro­ble­me mit der Unter­brin­gung von Flücht­lin­gen, die zu Debat­ten über Grenz­si­che­rung, wei­te­re Abschot­tung und Limi­tie­rung des Zugangs von Flücht­lin­gen sowie über ver­meint­lich zu weni­ge Abschie­bun­gen führten.

In sei­ner offi­zi­el­len Asyl­sta­tis­tik weist das BAMF 244.000 Asyl­an­trä­ge aus, was 28 % mehr als 2021 sind, gegen­über 2020 sogar eine Ver­dopp­lung bedeu­tet. Nach Jah­ren sin­ken­der Zugangs­zah­len bis zum pan­de­mie­be­ding­ten Tief­stand 2020 ist eine sol­che Ent­wick­lung ange­sichts der glo­ba­len Kri­sen jedoch wenig überraschend.

Die Zahl der tat­säch­lich neu ein­ge­reis­ten Asyl­su­chen­den liegt den­noch deut­lich unter die­ser Zahl, die zum einen mehr als 26.000 Fol­ge­asyl­an­trä­ge beinhal­tet – u.a. haben vie­le ehe­mals abge­lehn­te und in Deutsch­land teils seit Jah­ren gedul­de­te Asyl­su­chen­de aus Afgha­ni­stan erneut Asyl bean­tragt – und zum ande­ren rund 25.000 hier gebo­re­ne Kin­der von oft bereits seit vie­len Jah­ren aner­kann­ten Flücht­lin­gen. Somit liegt die Zahl der neu nach Deutsch­land ein­ge­reis­ten Asyl­su­chen­den bei rund 193.000, also noch unter der sei­tens der Uni­on immer wie­der gefor­der­ten Begren­zung auf 200.000. Für 2023 ist aller­dings eine deut­lich höhe­re Zahl zu erwarten.

Nach Jah­ren sin­ken­der Zugangs­zah­len bis zum pan­de­mie­be­ding­ten Tief­stand 2020, sind stei­gen­de Flücht­lings­zah­len, ange­sichts der glo­ba­len Kri­sen jedoch wenig überraschend.

Nur 16 % der 2022 nach Deutschland Geflüchteten waren Asylbewerber

Vor dem völ­ker­rechts­wid­ri­gen Angriffs­krieg Russ­lands in der Ukrai­ne sind im letz­ten Jahr 1.045.000 Men­schen nach Deutsch­land geflüch­tet. Die­se Men­schen müs­sen kein Asyl­ver­fah­ren durch­lau­fen, son­dern erhal­ten vor­über­ge­hen­den Schutz und eine zunächst auf zwei Jah­re befris­te­te Auf­ent­halts­er­laub­nis und wer­den daher nicht in der Asyl­sta­tis­tik aus­ge­wie­sen. Kriegs­flücht­lin­ge aus der Ukrai­ne machen dem­nach 84 % aller neu ein­ge­reis­ten Schutz­su­chen­den in Deutsch­land aus, d.h. nur 16 % sind Asylsuchende.

Obwohl Men­schen aus der Ukrai­ne ange­sichts der gro­ßen Soli­da­ri­tät in Deutsch­land zu Tau­sen­den pri­vat unter­ge­bracht wer­den konn­ten, was Asyl­su­chen­den i.d.R. ver­wehrt ist, muss­ten die Län­der und Kom­mu­nen im letz­ten Jahr also weit über­wie­gend Kriegs­flücht­lin­ge aus der Ukrai­ne unter­brin­gen, über deren Schutz­be­dürf­tig­keit und die Not­wen­dig­keit ihrer Auf­nah­me weder die Uni­on, noch sonst eine der demo­kra­ti­schen Par­tei­en dis­ku­tie­ren dürfte.

Mehr als die Hälfte aller Asylsuchenden kommt aus Syrien und Afghanistan

Obwohl Asyl­su­chen­de im ver­gan­ge­nen Jahr also nur einen klei­nen Teil der Auf­ge­nom­me­nen aus­mach­ten, ste­hen sie im Mit­tel­punkt der Debat­ten. Dass die­se Debat­ten um mehr Abschot­tung und mehr Abschie­bun­gen die Rea­li­tät ver­ken­nen und sich genau­so ver­bie­ten wie bei ukrai­ni­schen Kriegs­flücht­lin­gen, zeigt der Blick auf die Haupt­her­kunfts­län­der und die Schutz­quo­ten der Asyl­su­chen­den: Mit 55 % kam über die Hälf­te aller Asyl­su­chen­den aus Syri­en (71.000) und Afgha­ni­stan (36.000). Wei­te­re Haupt­her­kunfts­län­der waren die Tür­kei (24.000), der Irak (15.000), Geor­gi­en (8.000) und der Iran (6.300). Men­schen mit unge­klär­ter Staats­an­ge­hö­rig­keit (4.700) – die meis­ten ver­mut­lich Paläs­ti­nen­ser aus Syri­en – sowie Soma­lia (3.900), Eri­trea (3.900) und die Rus­si­sche Föde­ra­ti­on (2.900) ver­voll­stän­di­gen die Lis­te der Top 10 der Hauptherkunftsländer.

Knapp drei Viertel aller Asylsuchenden erhält Schutz

Die Haupt­her­kunfts­län­der, fast aus­nahms­los Kriegs- und Kri­sen­ge­bie­te, las­sen schon erah­nen, was die Aner­ken­nungs­quo­te dann auch aus­sagt: Die Men­schen, die nach Deutsch­land kom­men und Schutz suchen, benö­ti­gen mehr­heit­lich Schutz. Mit über 72 % lag die Schutz­quo­te im ver­gan­ge­nen Jahr so hoch wie noch nie, d.h. fast drei Vier­tel aller Asyl­su­chen­den, deren Asyl­an­trag in Deutsch­land geprüft wird, erhält die Flücht­lings­an­er­ken­nung (23 %), den sub­si­diä­ren Schutz (32 %) oder ein natio­na­les Abschie­bungs­ver­bot (17 %). Aus inhalt­li­chen Grün­den abge­lehnt wur­den dem­nach 28 % aller Asyl­an­trä­ge. Im Ver­gleich zum Vor­jahr, als rund 63 % Schutz erhiel­ten, ist die Quo­te also deut­lich gestiegen.

Knapp 51.000 Fäl­le hat das BAMF for­mell erle­digt, d.h. die Asyl­grün­de die­ser Men­schen wur­den nicht geprüft – immer­hin 22 % aller Ent­schei­dun­gen. Die Grün­de hier­für sind viel­fäl­tig, der Haupt­grund ist die Dub­lin-Ver­ord­nung, die die Zustän­dig­keit für Asyl­an­trä­ge in Euro­pa regelt, mit über 22.000 for­mel­len Ent­schei­dun­gen. Die­se nicht-inhalt­li­chen Erle­di­gun­gen sind bei den Schutz­quo­ten nicht mit ein­ge­rech­net, wes­halb die­se von den offi­zi­el­len BAMF-Sta­tis­ti­ken abwei­chen. Aller­dings ver­zer­ren die­se offi­zi­el­len Zah­len das tat­säch­li­che Bild, da sie nichts über die Asyl­grün­de der Men­schen aus den ein­zel­nen Her­kunfts­län­dern aussagen.

In fast 100 % Schutz für Menschen aus Syrien und Afghanistan

Men­schen aus Syri­en und Afgha­ni­stan haben mit fast 100 % Schutz­quo­te die höchs­te Erfolgs­aus­sicht im Asyl­ver­fah­ren. Rund 23 % der Schutz­su­chen­den aus Syri­en erhielt die Flücht­lings­an­er­ken­nung, die aller­meis­ten mit 77 % den sub­si­diä­ren Schutz, weni­ger als 0,5 % ein Abschie­bungs­ver­bot. Beim Her­kunfts­land Afgha­ni­stan erhiel­ten eben­falls 23 % den Flücht­lings­schutz, 5 % den sub­si­diä­ren Schutz und 71 % ein Abschie­bungs­ver­bot. Die Ableh­nungs­quo­te lag unter 1 %, aktu­el­le Zah­len und Beschei­de aus den ers­ten Mona­ten 2023 deu­ten aller­dings auf eine wie­der leicht stei­gen­de Ableh­nungs­pra­xis des BAMF.

Wo Flüchtlingsanerkennung draufsteht, ist nicht immer Flüchtlingsanerkennung drin

Aller­dings sind die Zah­len zu den ein­zel­nen Schutz­sta­tus im Hin­blick auf die ein­zel­nen Her­kunfts­län­der nicht immer aus­sa­ge­kräf­tig, wie ins­be­son­de­re das Bei­spiel Syri­en ver­deut­licht: Von den über 15.000 Flücht­lings­an­er­ken­nun­gen basie­ren 14.000 auf Fami­li­en­schutz, d.h. das sind kei­ne eigen­stän­di­gen Asy­l­ent­schei­dun­gen, son­dern von einem Mit­glied der Kern­fa­mi­lie abge­lei­tet. In den aller­meis­ten Fäl­len han­delt es sich um in Deutsch­land gebo­re­ne Kin­der von zum Teil bereits seit Jah­ren Aner­kann­ten, in ande­ren Fäl­len um per Fami­li­en­nach­zug neu ein­ge­reis­te Ange­hö­ri­ge, die trotz Auf­ent­halts­ti­tel trotz­dem noch Asyl beantragen.

Die­se Men­schen wür­den in einem eige­nen Asyl­ver­fah­ren i.d.R. kei­nen Flücht­lings­schutz erhal­ten, d.h. neu ein­rei­sen­de Asyl­su­chen­de aus Syri­en haben nur in weni­gen Fäl­len Aus­sicht auf eine Aner­ken­nung als Flücht­ling und den blau­en Flücht­lings­pass, son­dern erhal­ten in aller Regel den sub­si­diä­ren Schutz.

Sinkende Quoten bei der Türkei und dem Irak

Deut­lich gesun­ken sind die Aner­ken­nungs­chan­cen hin­ge­gen für Men­schen aus den wei­te­ren Haupt­her­kunfts­län­dern Tür­kei und Irak. Mit 35 % erhält nur noch knapp mehr als ein Drit­tel der Asyl­su­chen­den aus der Tür­kei Schutz in Deutsch­land – in aller Regel die vol­le Flücht­lings­an­er­ken­nung. Im Jahr 2020 erhielt noch fast die Hälf­te Schutz (48 %), 2021 immer­hin noch 43 %. Aus dem Irak erhiel­ten nur noch 29 % Schutz, die Quo­te sank im Ver­gleich zu 2020 (49 %) und 2021 (44 %) noch deutlicher.

Trotz Revolution: Hohe Iran-Ablehnungsquoten

Asyl­su­chen­de aus Geor­gi­en, auf Platz fünf der Haupt­her­kunfts­län­der, haben im Asyl­ver­fah­ren kaum eine Chan­ce und erhiel­ten nur zu 0,5 % Schutz. Aber auch Schutz­su­chen­de aus dem Iran durf­ten trotz der laut Innen­mi­nis­te­rin Fae­ser desas­trö­sen men­schen­recht­li­chen Lage nicht auf ver­bes­ser­te Aner­ken­nungs­chan­cen hof­fen: Mit 45 % erhielt weni­ger als die Hälf­te Schutz. Gegen­über dem Vor­jahr (39 %) erhöh­te sich die Quo­te damit zwar erheb­lich, was aller­dings kei­nes­wegs auf die Pro­tes­te, die mit der Ermor­dung Masha Ami­nis am 16. Sep­tem­ber began­nen, zurück­zu­füh­ren ist. Die Ableh­nungs­quo­te lag im Zeit­raum Janu­ar bis August eben­so bei rund 55 %, wie in den Mona­ten nach Beginn der Revol­te. Das BAMF hat also nicht auf Ableh­nun­gen ver­zich­tet, wäh­rend es die asyl­re­le­van­te Lage im Iran neu bewer­ten muss­te, wie es aus men­schen­recht­li­cher Sicht aber drin­gend gebo­ten gewe­sen wäre.

Mehr als ein Drittel der von Gerichten geprüften BAMF-Bescheide sind falsch

Dass es seit Jah­ren alles ande­re als eine zu groß­zü­gi­ge BAMF-Ent­schei­dungs­pra­xis zu bekla­gen gibt, bestä­tigt auch die Zahl der von den Gerich­ten auf­ge­ho­be­nen BAMF-Beschei­de: 37 % der inhalt­lich über­prüf­ten Asyl­kla­gen hat­ten Erfolg und führ­ten zu einem Sta­tus oder ver­bes­ser­tem Schutz. Am häu­figs­ten wur­den ableh­nen­de Asyl­be­schei­de von Men­schen aus Afgha­ni­stan auf­ge­ho­ben (95 % Auf­he­bungs­quo­te), was nicht allein mit Fehl­ent­schei­dun­gen des BAMF, son­dern auch der dra­ma­ti­schen huma­ni­tä­ren Situa­ti­on durch die Macht­über­nah­me begrün­det ist. Mehr als ein Vier­tel der BAMF-Beschei­de zu den wei­te­ren »gro­ßen« Her­kunfts­län­dern Irak (27 %) und Tür­kei (26 %) wur­den von den Gerich­ten für falsch befun­den, beim Iran (43 %) oder Soma­lia (62 %) mach­ten die Gerich­te die restrik­ti­ve BAMF-Linie für wei­te­re Haupt­her­kunfts­län­der in sehr gro­ßer Zahl nicht mit.

Die Katastrophen in den Herkunftsländern führen zum Schutz, nicht die Praxis des BAMF

Sol­che Zah­len zeich­nen das Bild einer wei­ter­hin restrik­ti­ven Ent­schei­dungs­pra­xis des BAMF. Die Rekord­schutz­quo­te von 72% ist kei­nes­falls Ergeb­nis einer beson­ders huma­ni­tä­ren Pra­xis des BAMF, im Gegen­teil: Sie ist vor allem auf die desas­trö­se huma­ni­tä­re und men­schen­recht­li­che Situa­ti­on in den mit Abstand größ­ten Her­kunfts­län­dern Syri­en und Afgha­ni­stan zurück­zu­füh­ren, die kaum Ableh­nun­gen zulässt. Dass trotz einer wenig huma­ni­tä­ren Pra­xis beim BAMF die Schutz­quo­te auf ein his­to­ri­sches Rekord­ni­veau gestie­gen ist, belegt aufs Deut­lichs­te die Schutz­be­dürf­tig­keit auch der­je­ni­gen Men­schen, die nicht aus der Ukrai­ne fliehen.

Fast 40.000 zunächst Abgelehnte erhielten 2022 nachträglich Schutz

Ins­ge­samt erhiel­ten im Jahr 2022 fast 40.000 zunächst vom BAMF abge­lehn­te Asyl­su­chen­de doch noch einen Schutz­sta­tus, in den meis­ten Fäl­len durch eine Gerichts­ent­schei­dung, aber auch, weil das BAMF die ursprüng­li­che Ableh­nung kor­ri­gier­te. In über die­ser Hälf­te der Fäl­le erhiel­ten Men­schen aus Afgha­ni­stan nach­träg­lich Schutz, weil sie mit ihrer Kla­ge bei Gericht oder einem Fol­ge­asyl­an­trag erfolg­reich waren oder das BAMF mit einem Abhil­fe­be­scheid den ursprüng­li­chen, fal­schen Bescheid aufhob.

500 Asylprüfungen weniger oder: Die sinnlose Bürokratie von Dublin

In 69.000 Asyl­ver­fah­ren, also fast einem Drit­tel (32 %) aller Asy­l­erst­an­trä­ge, wur­de 2022 ein soge­nann­tes Dub­lin-Ver­fah­ren ein­ge­lei­tet, weil Deutsch­land einen ande­ren euro­päi­schen Staat als zustän­dig erach­te­te. Die­ser Wert nähert sich damit wie­der annä­hernd dem vor-Coro­na-Niveau an. In die zustän­di­gen Staa­ten über­stellt wur­den rund 4.200 Men­schen, was einer Quo­te von 6 % in Bezug auf die ein­ge­lei­te­ten Dub­lin-Ver­fah­ren ent­spricht. Auf der ande­ren Sei­te gibt es auch Dub­lin-Über­stel­lun­gen aus den euro­päi­schen Staa­ten an Deutsch­land, weil das BAMF für deren Asyl­an­trä­ge zustän­dig ist: 3.700 Men­schen waren davon betroffen.

Das Sys­tem Dub­lin ist nicht nur hoch büro­kra­tisch und in vie­len Fäl­len unmensch­lich, es ist schlicht gescheitert.

Im Ergeb­nis hat Deutsch­land also im ver­gan­ge­nen Jahr durch Dub­lin noch nicht ein­mal 500 Asyl­an­trä­ge weni­ger zu prü­fen gehabt. Für die euro­pa­wei­te Umver­tei­lung von weni­ger als 500 Men­schen 83.000 Ver­fah­ren (inkl. der an Deutsch­land gerich­te­ten Über­nah­me­ersu­chen) zu füh­ren, ist die völ­li­ge Inef­fi­zi­enz eines Sys­tems in Zahlen.

Das Sys­tem Dub­lin ist nicht nur hoch büro­kra­tisch und in vie­len Fäl­len unmensch­lich, es ist schlicht geschei­tert. Beim BAMF wer­den gro­ße Kapa­zi­tä­ten dafür gebun­den, die bes­ser für qua­li­ta­tiv hoch­wer­ti­ge Asyl­prü­fun­gen ein­ge­setzt wären. Aber auch die seit Jah­ren an der Belas­tungs­gren­ze arbei­ten­den Ver­wal­tungs­ge­rich­te wer­den zusätz­lich belas­tet. Durch bei­des wer­den hohe Kos­ten ver­ur­sacht, die man bes­ser für Inte­gra­ti­ons­pro­jek­te oder neue und bes­se­re Unter­künf­te ver­wen­den soll­te, wenn die Men­schen in der Rea­li­tät ohne­hin hier bleiben.

Und nicht zuletzt lei­den vor allem die Betrof­fe­nen von den dadurch künst­lich in die Län­ge gezo­ge­nen Asyl­ver­fah­ren. Mit durch­schnitt­lich 22 Mona­ten dau­ert es fast zwei Jah­re bis zu einer Asy­l­ent­schei­dung durch das BAMF, wenn der Asyl­an­trag nach geschei­ter­tem Dub­lin-Ver­fah­ren in Deutsch­land geprüft wird, Haupt­be­trof­fe­ne sind Men­schen aus Afgha­ni­stan und Syri­en, also Men­schen, die fast zu 100 % hier blei­ben, weil sie schutz­be­dürf­tig sind.

22 Mona­te

dau­ert eine Asy­l­ent­schei­dung durch das BAMF im Durchschnitt

Leichter Anstieg bei den Abschiebungen

Im ver­gan­ge­nen Jahr wur­den 13.000 Men­schen aus Deutsch­land abge­scho­ben, im Ver­gleich zum Vor­jahr ein Plus von rund 1.000 oder 8 %. Mit 900 erfolg­ten die meis­ten Abschie­bun­gen nach Geor­gi­en, gefolgt von den West­bal­kan­staa­ten Alba­ni­en, Nord­ma­ze­do­ni­en und Ser­bi­en mit Zah­len zwi­schen 750 und 850 Abschie­bun­gen. Dahin­ter kom­men die Dub­lin-Staa­ten Spa­ni­en, Polen, Öster­reich und Frank­reich, gefolgt von der Tür­kei und Mol­dau, mit Zah­len zwi­schen 550 und 650 abge­scho­be­nen Menschen.

Da die Zahl der Abschie­bun­gen nicht annä­hernd an das vor-Coro­na-Niveau (22.000 im Jahr 2019) her­an­reicht und zudem man­cher­orts die Flücht­lings­un­ter­künf­te voll sind, wer­den in den letz­ten Mona­ten wie­der Debat­ten über ver­meint­lich zu weni­ge Abschie­bun­gen geführt.

Kein Widerspruch zwischen vielen Asyl-Ablehnungen und wenigen Abschiebungen

Häu­fig wer­den in die­sen Debat­ten Zusam­men­hän­ge zur Zahl der abge­lehn­ten Asyl­be­wer­ber und zu Hun­dert­tau­sen­den Aus­rei­se­pflich­ti­gen gezo­gen. Dass die Abschie­bungs­zah­len gesun­ken sind, hat unter ande­rem natür­lich mit der hohen Schutz­quo­te im Asyl­ver­fah­ren zu tun, also dass die Men­schen, die zu uns kom­men, in weit über­wie­gen­der Anzahl Schutz benö­ti­gen und erst gar nicht aus­rei­se­pflich­tig wer­den. Die­je­ni­gen, die kei­nen Schutz­sta­tus vom BAMF erhal­ten, gehen in gro­ßer Zahl ins Kla­ge­ver­fah­ren: Gegen 88 % der »ein­fach« abge­lehn­ten Asyl­be­schei­de wur­de im ver­gan­ge­nen Jahr geklagt, beson­ders häu­fig klag­ten Schutz­su­chen­de aus der Tür­kei (94 %) und dem Iran (92 %). Auch die­se Men­schen sind trotz abge­lehn­tem Asyl­an­trag nicht aus­rei­se­pflich­tig, kön­nen und dür­fen daher nicht abge­scho­ben wer­den. Und vie­le von ihnen – sie­he oben – kla­gen völ­lig zu Recht und mit Erfolg gegen ihre Ablehnung.

Man kann also nicht ohne Wei­te­res die Zahl der Asyl-Ableh­nun­gen des BAMF in Zusam­men­hang mit einer ver­meint­lich viel zu gerin­gen Zahl an Abschie­bun­gen brin­gen. Da Kla­ge­ver­fah­ren der­zeit im Schnitt über zwei Jah­re dau­ern, wer­den die meis­ten abge­lehn­ten Asyl­su­chen­den – im Fal­le einer eben­falls nega­ti­ven Kla­ge – erst nach Abschluss des Kla­ge­ver­fah­rens aus­rei­se­pflich­tig. Somit wären im ver­gan­ge­nen Jahr also über­wie­gend die 2020 Abge­lehn­ten aus­rei­se­pflich­tig gewor­den, als es u.a. durch die coro­nabe­dingt deut­lich gerin­ge­ren Asyl­zu­gangs­zah­len auch die mit Abstand wenigs­ten nega­ti­ven Asyl-Ent­schei­dun­gen der letz­ten Jah­re gab. Wenn man also die­sen Zusam­men­hang zie­hen möch­te, ist es über­haupt nicht ver­wun­der­lich, dass die Zahl der Abschie­bun­gen 2022 nur gering­fü­gig ange­stie­gen ist.

Letzt­end­lich kön­nen also auch auf den ers­ten Blick sehr kla­re Bele­ge auf der Basis von unbe­stech­li­chen Zah­len bei genaue­rer Betrach­tung mehr als äußerst frag­wür­dig sein. Sol­che Zusam­men­hän­ge kön­nen nicht bzw. bes­ten­falls nur sehr bedingt gezo­gen wer­den und die Ant­wor­ten sind nicht so ein­fach, wie sie zunächst erschei­nen. Gerin­ge Abschie­bungs­zah­len trotz ver­gleichs­wei­se vie­ler Asyl-Ableh­nun­gen müs­sen also kein Wider­spruch sein.

Zwei Drittel reisen »freiwillig« aus, ein Drittel wird zwangsweise abgeschoben

Der poli­ti­sche Dis­kurs kon­zen­triert sich zudem aus­schließ­lich auf die Zahl der Abschie­bun­gen, also die zwangs­wei­se außer-Lan­des-Brin­gung.  Deut­lich höher liegt jedoch die Zahl der soge­nann­ten »frei­wil­li­gen Aus­rei­sen«, obwohl die­se im Aus­län­der­zen­tral­re­gis­ter (AZR) nur sehr man­gel­haft erfasst wird. Zuver­läs­si­ge Anga­ben gibt es nur zu den vom Bund geför­der­ten Aus­rei­sen: über die­se Pro­gram­me sind im ver­gan­ge­nen Jahr 7.900 Men­schen aus Deutsch­land aus­ge­reist, was einem Plus von 16 % ent­spricht. Damit stieg die­se Zah­le pro­zen­tu­al dop­pelt so stark wie die Zahl der Abschiebungen.

Zah­len zu Aus­rei­sen, die von den Bun­des­län­dern geför­dert wer­den, lie­gen aber wei­ter­hin nicht vor, obwohl im AZR ein ent­spre­chen­der Spei­cher­sach­ver­halt geschaf­fen wur­de. Dies­be­züg­lich geben die offi­zi­el­len Sta­tis­ti­ken aber kei­ner­lei Über­blick, der für eine Ver­sach­li­chung der Debat­ten aber drin­gend not­wen­dig wäre.

Als Nähe­rungs­wert für »frei­wil­li­ge« Aus­rei­sen kann also wei­ter­hin nur die Zahl der Aus­rei­se­pflich­ti­gen her­an­ge­zo­gen wer­den, die bei der Aus­rei­se von der Bun­des­po­li­zei mit einer Grenz­über­tritt­be­schei­ni­gung erfasst wur­den. Das waren im ver­gan­ge­nen Jahr 26.500 Per­so­nen (+24 % im Ver­gleich zu 2021). Somit liegt die­se Zahl mehr als dop­pelt so hoch wie die Zahl der Abschie­bun­gen. Hin­zu kommt eine gro­ße Dun­kel­zif­fer an Men­schen, die Deutsch­land ver­las­sen müs­sen, die aus­rei­sen, ohne sich bei den Behör­den abzu­mel­den. Es ist also kei­nes­falls so, dass eine gerin­ge Abschie­bungs­zahl ein Beleg für weni­ge Aus­rei­sen ist – im Gegenteil.

Fehlerhafte AZR-Daten sorgen für deutlich überhöhte Zahl an Ausreisepflichtigen

Als wei­te­rer ver­meint­li­cher Beweis für zu weni­ge Abschie­bun­gen und »Defi­zi­te bei der Durch­set­zung der Aus­rei­se­pflicht« wird regel­mä­ßig die Zahl der Aus­rei­se­pflich­ti­gen her­an­ge­zo­gen. Laut AZR leb­ten Ende 2022 rund 304.000 Men­schen in Deutsch­land, die eigent­lich aus­rei­sen müss­ten. Die­se Zahl stieg im Ver­gleich zum Vor­jahr (293.000) um rund 4 %. Von die­sen waren 248.000 oder 82 % im Besitz einer Dul­dung, weil ihre Abschie­bung trotz bestehen­der Aus­rei­se­pflicht nicht mög­lich war.

Wer die übri­gen 56.000 Men­schen ohne Dul­dung sein sol­len, geben die Sta­tis­ti­ken des AZR jedoch nicht her. Zwar gibt es Men­schen mit einer Grenz­über­tritt­be­schei­ni­gung, auch stel­len man­che Aus­län­der­be­hör­den selbst aus­ge­dach­te Phan­ta­sie­pa­pie­re aus oder stem­peln Dul­dun­gen als »erlo­schen« ab, aller­dings nicht in einer sol­chen Grö­ßen­ord­nung. Es ist daher davon aus­zu­ge­hen, dass der aller­größ­te Teil die­ser Men­schen sich gar nicht mehr in Deutsch­land auf­hält, Stich­wort: nicht erfass­te Ausreisen.

Selbst nach Anga­ben der Bun­des­re­gie­rung ist die Zahl der Aus­rei­se­pflich­ti­gen höchst unge­nau und die Daten des AZR sind teil­wei­se feh­ler­haft. So befan­den sich Ende letz­ten Jah­res mehr als 21.000 Men­schen im lau­fen­den Asyl­ver­fah­ren unter den Aus­rei­se­pflich­ti­gen, obwohl wäh­rend eines Asyl­ver­fah­rens recht­lich kei­ne Aus­rei­se­pflicht besteht.

Auch was die knapp 250.000 Gedul­de­ten angeht, sind die Daten des AZR häu­fig unge­nau: Neben bspw. knapp 3.000 Men­schen mit einer Dul­dung wegen schwer­wie­gen­der »medi­zi­ni­scher Grün­de«, 25.000 wegen »fami­liä­rer Bin­dun­gen« oder rund 6.000 wegen einer »beruf­li­chen Aus­bil­dung«, gibt es 82.000 Dul­dun­gen aus »sons­ti­gen Grün­den« oder 66.000 wegen »feh­len­der Rei­se­do­ku­men­te«.  Was die »sons­ti­gen Grün­de« sind, ist unklar, eben­so, ob die feh­len­den Rei­se­do­ku­men­te«  ursäch­lich für die Dul­dung, also die Nicht-Abschie­bung sind. Dass nur rund 10 % der Gedul­de­ten eine soge­nann­te »Dul­dung light« haben, d.h. ihnen die Ver­hin­de­rung der eige­nen Abschie­bung vor­ge­wor­fen wird, spricht deut­lich dage­gen. Eben­so, dass bspw. Tau­sen­de Men­schen aus Afgha­ni­stan oder dem Irak laut AZR-Daten wegen Pass­lo­sig­keit gedul­det sind, Län­der, in die über­haupt nicht (Afgha­ni­stan) oder nur in sehr gerin­gem Umfang (Irak: Straf­tä­ter) abge­scho­ben wird – und das aus gutem Grun­de und nicht etwas wegen eines »Voll­zugs­de­fi­zits« oder weil Men­schen nicht bei der Pass­be­schaf­fung mitwirken.

In den Debat­ten wer­den regel­mä­ßig Aus­rei­se­pflich­ti­ge und abge­lehn­te Asyl­be­wer­ber gleich­ge­setzt oder vermischt.

Nur etwas mehr als die Hälfte der Ausreisepflichtigen sind abgelehnte Asylbewerber

In den Debat­ten wer­den regel­mä­ßig Aus­rei­se­pflich­ti­ge und abge­lehn­te Asyl­be­wer­ber gleich­ge­setzt oder ver­mischt. Aller­dings waren unter den 304.000 im AZR gespei­cher­ten Aus­rei­se­pflich­ti­gen nur 168.000 Men­schen mit abge­lehn­tem Asyl­an­trag regis­triert, d.h. Men­schen mit nega­tiv ent­schie­de­nem Asyl­ver­fah­ren machen nur etwas mehr als die Hälf­te der Aus­rei­se­pflich­ti­gen aus.

Aus dem Spei­cher­sach­ver­halt des AZR geht aber nicht her­vor, ob der abge­lehn­te Asyl­an­trag denn auch ursäch­lich für die Aus­rei­se­pflicht ist. Dies dürf­te zwar in den aller­meis­ten Fäl­len so sein; aller­dings kann die Asyl­ab­leh­nung auch schon vie­le Jah­re zurück­lie­gen und nichts mit der nun­mehr bestehen­den Aus­rei­se­pflicht zu tun haben. Auch unter die­sen Aus­rei­se­pflich­ti­gen mit abge­lehn­tem Asyl­an­trag befand sich mit 19.000 Men­schen ohne Dul­dung ein nicht gerin­ger Anteil, bei denen bezwei­felt wer­den darf, ob sie sich über­haupt noch in Deutsch­land auf­hal­ten, d.h. es dürf­ten sich nur rund 150.000 aus­rei­se­pflich­ti­ge abge­lehn­te Asyl­be­wer­ber in Deutsch­land aufhalten.

Ein sol­cher Schwe­be­zu­stand bedeu­tet für die Betrof­fe­nen teils mas­si­ve Pro­ble­me beim Zugang zu Sprach- und Inte­gra­ti­ons­kur­sen sowie zum Arbeits­markt und wirkt sich mas­siv inte­gra­ti­ons­feind­lich auf die Men­schen, die trotz einer sol­chen Pra­xis zum gro­ßen Teil in Deutsch­land blei­ben wer­den, aus.

4 % mehr Ausreisepflichtige, 10 % weniger Ausreisepflichtige mit abgelehntem Asylantrag

Dass die Zahl der Aus­rei­se­pflich­ti­gen in den letz­ten Jah­ren gestie­gen ist, ist trotz der teils frag­wür­di­gen und feh­ler­haf­ten Daten, das AZR aber unbe­strit­ten. Den in den Debat­ten um die ver­meint­li­chen »Gren­zen der Belast­bar­keit« immer wie­der gestell­ten For­de­run­gen, die Abschie­bung abge­lehn­ter Asyl­be­wer­ber zu beschleu­ni­gen, wider­spricht jedoch die Tat­sa­che, dass ent­ge­gen der gestie­ge­nen Zahl der Aus­rei­se­pflich­ti­gen die Zahl der Aus­rei­se­pflich­ti­gen mit abge­lehn­tem Asyl­an­trag im Ver­gleich zum Vor­jahr (187.000) um 19.000 oder 10 % gesun­ken ist.

Dies lässt sich dadurch erklä­ren, dass ein Teil der Men­schen auf­grund der Per­spek­tiv­lo­sig­keit oder Angst vor Abschie­bung Deutsch­land ver­las­sen hat, ein Teil aber auch bspw. durch einen erfolg­rei­chen Fol­ge­asyl­an­trag nun­mehr einen Sta­tus erhal­ten hat (bspw. Men­schen aus Afgha­ni­stan). Ande­re haben eine Berufs­aus­bil­dung erfolg­reich abge­schlos­sen und sind damit aus der zwar siche­ren Aus­bil­dungs­dul­dung in einen Auf­ent­halt gekom­men ist.

Denn auch das gehört zur Debat­te: Selbst Men­schen in Aus­bil­dung, die künf­ti­gen Fach­kräf­te in den unzäh­li­gen Man­gel­be­ru­fen, kön­nen erst nach erfolg­rei­chem Abschluss eine Auf­ent­halts­er­laub­nis erhal­ten und blei­ben bis dahin im Sta­tus der Dul­dung und damit aus­rei­se­pflich­tig. Über 6.000 Aus­zu­bil­den­de mit Aus­bil­dungs­dul­dung kön­nen und sol­len gar nicht abge­scho­ben wer­den, sind als Aus­rei­se­pflich­ti­ge aber trotz­dem Teil der Debat­te um ver­meint­lich zu vie­le Aus­rei­se­pflich­ti­ge und zu weni­ge Abschiebungen.

Drei Viertel aller abgelehnten Asylbewerber haben einen Aufenthaltstitel

Ins­ge­samt wer­den die Debat­ten ange­sichts der hohen Flücht­lings­zah­len also sehr ein­sei­tig geführt und ein abge­lehn­ter Asyl­an­trag sehr häu­fig mit Aus­rei­se­pflicht und Abschie­bung gleich­ge­setzt. Aller­dings spricht die Daten­la­ge auch hier eine ande­re Spra­che: Ende 2022 leb­ten über 860.000 abge­lehn­te Asyl­su­chen­de in Deutsch­land, von denen jedoch über 75% im Besitz eines Auf­ent­halts­ti­tels waren, fast ein Drit­tel hat­te sogar einen unbe­fris­te­ten Auf­ent­halt. Abge­lehn­te Asyl­be­wer­ber lan­den also nicht zwangs­läu­fig in der Aus­rei­se­pflicht bzw. kom­men durch lang­jäh­ri­gen Auf­ent­halt und gute Inte­gra­ti­on wie­der aus der zwi­schen­zeit­li­chen Aus­rei­se­pflicht her­aus und erfül­len die Vor­aus­set­zun­gen auf einen Aufenthalt.

Auch die­se Zahl belegt, dass vie­le Abschie­bun­gen nicht schei­tern, weil Betrof­fe­ne den Voll­zug ver­hin­dern, da für eine Auf­ent­halts­er­laub­nis in aller Regel ein gül­ti­ger Pass vor­ge­legt muss – den die Aus­län­der­be­hör­den auch für eine Abschie­bung benö­ti­gen. Die­se Zahl bestä­tigt also auch die beschrie­be­ne nicht nach­voll­zieh­ba­re Zahl beim Dul­dungs­grund »feh­len­de Reisedokumente«.

Statt mehr Abschiebungen braucht es eine den Menschen zugewandte ausländerbehördliche Praxis

Ins­ge­samt leben 55 % der Aus­rei­se­pflich­ti­gen mit einer Dul­dung seit mehr als 5 Jah­ren in Deutsch­land.  Auch die­se lan­ge Auf­ent­halts­dau­er in einer Viel­zahl an Fäl­len spricht eher dafür, dass die­se Men­schen aus guten Grün­den nicht abge­scho­ben wer­den kön­nen und dür­fen. Bspw. sind über 20 % der Gedul­de­ten aus dem Irak und Afgha­ni­stan, aber auch rund 6.000 gedul­de­te Syrer sind darunter.

Es bleibt zu hof­fen, dass das Chan­cen-Auf­ent­halts­recht groß­zü­gig umge­setzt wird und vie­le der lang­jäh­rig Gedul­de­ten davon pro­fi­tie­ren kön­nen. Dies ist der ein­zig rea­lis­ti­sche Weg, um die Zahl der Aus­rei­se­pflich­ti­gen merk­lich zu sen­ken, den Men­schen eine Per­spek­ti­ve zu geben und dadurch auch die Kom­mu­nen und die teils sehr vol­len Unter­künf­te zu ent­las­ten. Ers­te Erfah­run­gen mit dem neu­en Recht las­sen aber Befürch­tun­gen wahr wer­den, dass vie­le Aus­län­der­be­hör­den sehr krea­tiv dar­in sind, in der Aus­le­gung des neu­en Rechts Aus­schluss­grün­de für die Men­schen zu kreieren.

Eine Debat­te über zu weni­ge Abschie­bun­gen sen­det völ­lig fal­sche Signa­le und för­dert eine sol­che Pra­xis noch. Letzt­end­lich kann eine sol­che Debat­te zwar eini­ge wei­te­re »Migra­ti­ons­ab­kom­men« und damit auch ein paar mehr Abschie­bun­gen zur Fol­ge haben. Eine wir­kungs­vol­le Ent­las­tung der Kom­mu­nen lässt sich dadurch aller­dings nicht errei­chen. Hier­für geht die Debat­te an der Rea­li­tät vor­bei, da vie­le der Gedul­de­ten sehr gute Grün­de haben, wes­halb ihre Abschie­bung über vie­le Jah­re nicht mög­lich ist.

Nur wenn die gesetz­li­che und aus­län­der­be­hörd­li­che Pra­xis auch Aus­rei­se­pflich­ti­gen gegen­über nicht mehr aus­schließ­lich auf Restrik­tio­nen set­zen, son­dern die Rea­li­tät aner­ken­nen und Wege in eine Per­spek­ti­ve und einen Auf­ent­halt eröff­nen statt die­se zu ver­bau­en, haben die­se Men­schen Chan­cen auf dem frei­en Wohnungsmarkt.

Zeit für menschenrechtsbasierte Flüchtlingspolitik!

In Zei­ten zuneh­men­der Kriegs- und Kri­sen­her­de und ange­sichts dra­ma­tisch stei­gen­der Flücht­lings­zah­len in der Welt, kann Abschre­ckung und die sich zuneh­mend ver­schär­fen­de Abschot­tung von Deutsch­land und Euro­pa kei­ne zukunfts­fä­hi­ge Ant­wort sein. Zumal auch der gedräng­te Kli­ma­wan­del dazu bei­tra­gen wer­den, dass sich die Zahl derer, die gezwun­gen sein wer­den ihre Hei­mat zu ver­las­sen, in abseh­ba­rer Zeit nicht ver­rin­gern wird.

Dirk Mor­lok


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