19.12.2024

Anläss­lich der mor­gi­gen Befas­sung des Bun­des­ra­tes mit dem geplan­ten Gewalt­hil­fe­ge­setz kri­ti­sie­ren PRO ASYL, DaMi­gra und ZIF: Der aktu­el­le Gesetz­ent­wurf igno­riert die bestehen­den Hür­den geflüch­te­ter und über den Fami­li­en­nach­zug ein­ge­wan­der­ter Frau­en beim Zugang zu Schutz­räu­men. Hier muss nach­ge­bes­sert wer­den, damit wirk­lich alle gewalt­be­trof­fe­nen Frau­en Zugang zu Schutz und Hil­fe bekommen. 

In Deutsch­land müs­sen vie­le geflüch­te­te und migrier­te Frau­en, die von Gewalt betrof­fen sind, beson­de­re Hür­den über­win­den, um wirk­sa­men Schutz zu erhal­ten. In dem aktu­el­len Ent­wurf des „Geset­zes für ein ver­läss­li­ches Hil­fe­sys­tem bei geschlechts­spe­zi­fi­scher und häus­li­cher Gewalt“, der grund­sätz­lich wich­ti­ge Ver­bes­se­run­gen des Schutz­sys­tems für Frau­en vor­sieht, wer­den die­se  spe­zi­fi­schen Hin­der­nis­se nicht ange­gan­gen. Indem das Gesetz die beson­ders pre­kä­re Situa­ti­on geflüch­te­ter und migrier­ter Frau­en und Kin­der und bestehen­de dis­kri­mi­nie­ren­de Zugangs­hür­den igno­riert, wird die Chan­ce ver­passt, ihre erhöh­te Gefähr­dung zu beenden.

„Die Ungleich­be­hand­lung von gewalt­be­trof­fe­nen Frau­en muss drin­gend kor­ri­giert wer­den! Gera­de geflüch­te­te Frau­en und Kin­der in Asyl­ver­fah­ren leben oft in beson­ders pre­kä­ren Situa­tio­nen und brau­chen drin­gend einen bes­se­ren Zugang zu Schutz vor Gewalt. Das ergibt sich auch aus der Istan­bul Kon­ven­ti­on, die den Staat ver­pflich­tet, aus­nahms­los alle Frau­en vor Gewalt zu schüt­zen. Wer in einem Gewalt­hil­fe­ge­setz ver­säumt, die Hür­den für geflüch­te­te Frau­en zu Schutz anzu­ge­hen, akzep­tiert den Zustand ihrer erhöh­ten Gefähr­dung“, sagt Andrea Kothen, Refe­ren­tin von PRO ASYL.

Gemein­sa­mes State­ment gegen unzu­rei­chen­des Gewalthilfegesetzes

PRO ASYL, DaMi­gra und die Zen­tra­len Infor­ma­ti­ons­stel­le Auto­no­me Frau­en­häu­ser (ZIF) begrü­ße in einem gemein­sa­men State­ment das Gewalt­hil­fe­ge­setz grund­sätz­lich als einen wich­ti­gen Mei­len­stein in der Bekämp­fung von Gewalt gegen Frau­en, for­dern aber Nach­bes­se­rung: Das Gesetz muss allen Frau­en den Zugang zu einem gewalt­frei­en und siche­ren Leben erleichtern.

Dr. Del­al Atma­ca vom Dach­ver­band der Migran­tin­nen­or­ga­ni­sa­tio­nen (DaMi­gra) berich­tet: „Es gibt mitt­ler­wei­le unzäh­li­ge Berich­te von Betrof­fe­nen und Frau­en­haus­mit­ar­bei­te­rin­nen, die deut­lich machen, dass bestehen­de Rege­lun­gen geflüch­te­te Frau­en sys­te­ma­tisch vom Schutz aus­schlie­ßen. Dass die Gesetz­ge­ber die­se Berich­te igno­rie­ren, ist kein Zufall, son­dern Aus­druck einer Poli­tik, die das uni­ver­sel­le Men­schen­recht auf ein siche­res und gewalt­frei­es Leben unter­schied­lich bewer­tet – abhän­gig von der Her­kunft der Frau­en bezie­hungs­wei­se deren Auf­ent­halts­sta­tus. Die­se Ungleich­be­hand­lung zeigt, wie Men­schen­rech­te hier­ar­chi­siert und dadurch die Schutz­rech­te der Mar­gi­na­li­sier­ten aufs Spiel gesetzt werden.“

Brit­ta Schlicht­ing von ZIF berich­tet aus ihrer Arbeits­er­fah­rung in einem Frau­en­haus: „Jede Hür­de, die durch Geset­ze oder Behör­den ver­ur­sacht wird, kann das Leben einer Frau und ihrer Kin­der kos­ten. Die feh­len­den Rege­lun­gen im Gewalt­hil­fe­ge­setz bedeu­ten, dass zum Bei­spiel eine Frau auf­grund einer Wohn­sitz­auf­la­ge nicht in ein Frau­en­haus außer­halb ihrer zuge­wie­se­nen Kom­mu­ne flie­hen kann.“

Feh­len­de Ver­bes­se­run­gen bei „Ehe­be­stands­zeit“ und bei Wohnsitzauflagen

Sowohl die Vor­schrif­ten zur Ehe­be­stands­zeit als auch Auf­ent­halts- und Wohn­ort­s­auf­la­gen behin­dern die selb­stän­di­ge Schutz­su­che von geflüch­te­ten und migrier­ten Frau­en und ihre schnel­le und unbü­ro­kra­ti­sche Auf­nah­me in einem Frauenhaus.

Nach der „Ehe­be­stands­zeit“ in § 31 Auf­ent­halts­ge­setz kön­nen Frau­en einen vom Part­ner unab­hän­gi­ger Auf­ent­halts­ti­tel regel­mä­ßig erst nach drei Jah­ren Ehe in Deutsch­land erhal­ten. Die Aus­nah­me­re­ge­lung für Opfer häus­li­cher Gewalt ist mit hohen Hür­den ver­bun­den und in der Pra­xis kaum durch­setz­bar. Gewalt­aus­üben­de Part­ner kön­nen dies nut­zen und der Ehe­frau mit Abschie­bung durch die Behör­den dro­hen, um wei­ter­hin Macht und Kon­trol­le über sie aus­zu­üben. Sie und ihre Kin­der ver­har­ren auf­grund einer dro­hen­den Abschie­bung oft zu lang in der gefähr­li­chen Situation.

Auch die Beschrän­kun­gen beim Auf­ent­halts- und Wohn­ort ver­hin­dern häu­fig, dass eine geflüch­te­te Frau in einem Frau­en­haus einer ande­ren Kom­mu­ne oder eines ande­ren Bun­des­lan­des Schutz fin­det. Dabei wer­den zwei Tat­sa­chen miss­ach­tet: 1. Eine grö­ße­re Ent­fer­nung zum Wohn­ort des Täters und ein Wech­sel des Bun­des­lan­des ist oft not­wen­dig, damit die Frau sicher sein kann. 2. Durch die chro­ni­sche Über­las­tung der Frau­en­häu­ser in Deutsch­land gibt es oft kei­ne ande­re Mög­lich­keit, als in einer ande­ren Stadt Zuflucht zu suchen. Vor­han­de­ne Här­te­fall­vor­schrif­ten garan­tie­ren nicht, dass die Aus­län­der­be­hör­den in der Pra­xis tat­säch­lich die Wohn­sitz­auf­la­ge aufheben.

Wei­ter­füh­ren­de Informationen

Eine kur­ze Stel­lung­nah­me von PRO ASYL zum Gesetz­ent­wurf fin­den Sie hier.

Die For­de­run­gen von DaMi­gra für ein umfas­sen­des Gewalt­hil­fe­ge­setz fin­den Sie hier.

Die aus­führ­li­che Stel­lung­nah­me der Auto­no­men Frau­en­häu­ser zum Gewalt­hil­fe­ge­setz fin­den Sie hier.

Alle Presse­mitteilungen