13.01.2009

Wei­ter gerin­ge Zahl von Asyl­neu­an­trä­gen – fast so vie­le Wider­ru­fe wie Anerkennungen

PRO ASYL: Gene­ro­si­tät sieht anders aus

Die jetzt ver­öf­fent­lich­te Asyl­sta­tis­tik des Bun­des­mi­nis­te­ri­ums des Innern für das Jahr 2008 zeigt: Rela­tiv weni­gen Asyl­su­chen­den gelingt die Flucht nach Deutsch­land. Die Neu­an­trags­zah­len beweg­ten sich 2008 nur gering­fü­gig über dem his­to­ri­schen Tief­stand des Jah­res 2007 (19.164). 22.085 Asyl­an­trä­ge, die 2008 in Deutsch­land gestellt wur­den, sind ange­sichts von 67.000 Men­schen, die die EU-Staa­ten allein über See erreicht haben (UNHCR-Sta­tis­tik) eine gerin­ge Zahl. Selbst nach Ein­schät­zung des BMI ist dies ein nied­ri­ges Niveau.

Die tat­säch­li­che Zahl der zur Asyl­an­trag­stel­lung nach Deutsch­land ein­ge­reis­ten Per­so­nen ist sogar noch gerin­ger. Rund zehn Pro­zent aller Erst­an­trä­ge wur­den im Jahr 2008 näm­lich von Amts wegen für in Deutsch­land neu­ge­bo­re­ne Kin­der von Asyl­an­trag­stel­lern gestellt.

Wem es im Jahr 2008 gelun­gen ist, Deutsch­land zu errei­chen, dem boten sich bes­se­re Chan­cen, Schutz zu erhal­ten, als in den Vor­jah­ren. Das Bun­des­amt hat im Jahr 2008 20.817 Ent­schei­dun­gen getrof­fen. Dabei betrug die Gesamt­schutz­quo­te* 2008 unter Ein­be­zie­hung der Fol­ge­an­trä­ge 37,7 % (2007: 27,5 %). In abso­lu­ten Zah­len: 2008: 7.848, 2007: 5.724 posi­ti­ve Entscheidungen.

Die rela­tiv hohe Aner­ken­nungs­quo­te ergibt sich zum gro­ßen Teil dar­aus, dass knapp ein Drit­tel aller Asyl­su­chen­den aus dem Irak kommt. Ira­ki­sche Asyl­an­trag­stel­ler wur­den zu ca. 78 % aner­kannt. Hohe Aner­ken­nungs­quo­ten gibt es auch bei Afgha­ni­stan (ca. 45 %), beim Iran (ca. 37 %), bei der Rus­si­schen Föde­ra­ti­on (ca. 22 %) und Syri­en (ca. 19 %).

Unge­bro­chen ist der Boom der Wider­rufs­ver­fah­ren gegen einen frü­her ein­mal gewähr­ten Flücht­lings­sta­tus. Von Janu­ar bis Okto­ber 2008 wur­den in 31.000 Fäl­len ent­spre­chen­de Wider­rufs­über­prü­fun­gen ein­ge­lei­tet und rund 30.000 Ent­schei­dun­gen getrof­fen. In mehr als 5.800 Fäl­len führ­te dies auch zum Wider­ruf der Flücht­lings­ei­gen­schaft oder des ander­wei­ti­gen Schut­zes. Auf das gesam­te Jahr 2008 hoch­ge­rech­net hat es damit etwa so vie­le Wider­ru­fe gege­ben wie Flüchtlingsanerkennungen.

Das Kal­kül die­ser Regie­rungs­ko­ali­ti­on ist ein etwas ande­res als das der rot-grü­nen Vor­gän­ger. War unter Bun­des­in­nen­mi­nis­ter Schi­ly das Asyl­ver­fah­ren auf dem Weg zu Aner­ken­nungs­quo­ten nahe Null und das Bun­des­amt für Migra­ti­on und Flücht­lin­ge zu „Schi­lys Res­te­ram­pe“ ver­kom­men, so hat Bun­des­in­nen­mi­nis­ter Schäub­le immer­hin erkannt, dass die Dis­kre­panz zwi­schen Men­schen­rechts­kri­sen und poli­ti­scher Ver­fol­gung in vie­len Staa­ten und einer Poli­tik der Null­aner­ken­nung hier­zu­lan­de evi­dent ist.

Die in den letz­ten Jah­ren ver­bes­ser­ten Aner­ken­nungs­quo­ten sind den­noch nur eine Sei­te der Medail­le. Von mehr Fair­ness im Asyl­ver­fah­ren lässt sich nur spre­chen, wenn man Deutsch­lands zen­tra­le Rol­le bei der Abschot­tung Euro­pas und der Flucht­ver­hin­de­rung eben­so aus­blen­det wie die geöl­te Maschi­ne­rie der Wider­rufs­ver­fah­ren. Im EU-Ver­bund setzt Deutsch­land alles dar­an, dass immer weni­ger Flücht­lin­ge die Außen­gren­zen der EU errei­chen. Wo sol­ches nicht ver­hin­der­bar ist, wer­den die Fol­gen wei­ter­hin den EU-Staa­ten auf­ge­bür­det, in denen die Mehr­zahl der Flücht­lin­ge strandet.

Mit der zuneh­men­den Zahl von Wider­rufs­ver­fah­ren ist selbst der Sta­tus aner­kann­ter Flücht­lin­ge pre­kä­rer denn je. Statt einer siche­ren Per­spek­ti­ve in Deutsch­land droht vie­len Flücht­lin­gen der Drehtüreffekt.

Ein fai­rer, gar gene­rö­ser Umgang mit Schutz­su­chen­den sieht anders aus.

gez. Bernd Meso­vic, Referent

*Gesamt­quo­te beinhaltet:

  • Asyl­be­rech­tig­te und Flücht­lings­schutz nach der Gen­fer Flüchtlingskonvention
  • Abschie­bungs­ver­bo­te gem. § 60 Abs. 2, 3, 5 und 7 des Auf­ent­halts­ge­set­zes (sog. sub­si­diä­rer Schutz)
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