01.09.2010

PRO ASYL: Das Gesetz, das sol­che Aus­wüch­se mög­lich macht, muss weg

Ein gere­gel­tes Sexu­al­le­ben gilt gemein­hin als etwas Posi­ti­ves. Skan­da­lös wird es, wenn eine Aus­län­der­be­hör­de sich beru­fen fühlt, das Sexu­al­le­ben eines Men­schen in ihrem Zustän­dig­keits­be­reich regeln zu wol­len. Dies genau geschah im nie­der­säch­si­schen Land­kreis Nort­heim. Der Hin­ter­grund: Wer als Asyl­su­chen­der sei­nen Auf­ent­halts­be­zirk ver­las­sen will, braucht in der Regel eine soge­nann­te „Ver­las­sen­ser­laub­nis“. Die in Euro­pa ein­zig­ar­ti­ge „Resi­denz­pflicht“ nach dem deut­schen Modell öff­net Tür und Tor für extre­me Ein­grif­fe in das Privatleben.

Den Vogel abge­schos­sen bei der Gän­ge­lung von Asyl­su­chen­den hat die Aus­län­der­be­hör­de des Land­krei­ses Nort­heim mit einem Bescheid vom Juni 2010. Dar­in wird der Antrag eines Ira­kers, den Kreis ver­las­sen zu dür­fen, fol­gen­der­ma­ßen abge­fer­tigt: „Sie gaben an, dass Sie Ihre Frau ver­mis­sen und Sex mit ihr haben möch­ten. Auf Nach­fra­ge erklär­ten Sie, dass Sie nicht stan­des­amt­lich, son­dern ledig­lich nach ira­ki­schem Ritu­al ver­hei­ra­tet sind. Ent­spre­chend Nr. 12.5 ff. der All­ge­mei­nen Ver­wal­tungs­vor­schrift zum Auf­ent­halts­ge­setz ist die Ver­las­sen­ser­laub­nis u.a. bei bestehen­dem drin­gen­den öffent­li­chen Inter­es­se zu ertei­len. Die­ses kann u.a. vor­lie­gen, wenn der Aus­län­der unter Zeu­gen­schutz steht, oder zur Beschaf­fung von Heim­rei­se­do­ku­men­ten. Wei­ter­hin wird die Ver­las­sen­ser­laub­nis bei Vor­lie­gen von zwin­gen­den Grün­den erteilt. Dies kann z.B. der Besuch eines Fach­arz­tes oder eines schwer kran­ken Fami­li­en­mit­glieds sein. Bei Ihrem Vor­trag, Ihre Frau zu tref­fen, um mit ihr Sex zu haben, han­delt es sich nicht um einen Grund, der den genann­ten Vor­aus­set­zun­gen ent­spricht.

Der von der Nort­hei­mer Aus­län­der­be­hör­de ver­häng­te Zwangs­zö­li­bat ist ein büro­kra­ti­scher Exzess. Inqui­si­to­ri­sche Befra­gun­gen von Behör­den­an­ge­stell­ten zur Beur­tei­lung, ob eine Rei­se drin­gend oder zwin­gend sei, fin­den jedoch in vie­len Aus­län­der­be­hör­den die­ser Repu­blik täg­lich statt. 26 EU-Staa­ten mit etwa 420 Mil­lio­nen Bür­gern las­sen auch Asyl­su­chen­den das Recht auf Frei­zü­gig­keit. Deutsch­land allein hält bis­lang an die­sem Relikt aus der Zeit des Kal­ten Krie­ges gegen Asyl­su­chen­de, der in den 80-er und 90-er Jah­ren mit fast allen Mit­teln geführt wur­de, fest. Beson­ders schänd­lich ist dies in einem Land, in dem zu Recht die Beschrän­kung der Frei­zü­gig­keit und der Rei­se­frei­heit zu DDR-Zei­ten hef­tig kri­ti­siert wur­de. Wäh­rend die inner­deut­sche Mau­er längst ver­schwun­den ist, haben die unsicht­ba­ren Mau­ern für Flücht­lin­ge Bestand.

PRO ASYL begrüßt die aktu­el­len Bestre­bun­gen in vie­len Bun­des­län­dern, die Resi­denz­pflicht durch die Erwei­te­rung der jewei­li­gen Bewe­gungs­be­rei­che zu lockern. Aller­dings grei­fen die­se Bestre­bun­gen zu kurz. Die Kri­tik betrof­fe­ner Flücht­ling selbst trifft die Sache: Die Resi­denz­pflicht wäre eines Apart­heid­re­gimes wür­dig. Sie muss weg.

Kon­takt:

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Flücht­lings­rat Nie­der­sach­sen: Tel. 05121 15605, E‑Mail nds@nds-fluerat.org

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