23.05.2011

Zur Lage der Bür­ger- und Men­schen­rech­te in Deutschland

Anti­ter­ror­kampf darf nicht zur Total­über­wa­chung führen

Am heu­ti­gen Ver­fas­sungs­tag wur­de in Karls­ru­he der aktu­el­le Grund­rech­te-Report  2011 durch Rena­te Jae­ger, ehe­ma­li­ge Rich­te­rin am Euro­päi­schen Men­schen­rechts­ge­richts­hof und Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt, der Öffent­lich­keit vor­ge­stellt. Die­ser Report, der jähr­lich im Fischer Taschen­buch­ver­lag erscheint, doku­men­tiert mit vie­len Bei­spie­len, wie deut­sche Staats­or­ga­ne die Grund­rech­te der Bür­ge­rin­nen und Bür­ger immer noch und jedes Jahr wie­der ver­let­zen.
„Der Grund­rech­te-Report infor­miert und bewegt. Er hält unser Gewis­sen wach, damit wir uns ange­sichts der Gräu­el in aller Welt nicht beru­higt zurück­leh­nen, weil in Deutsch­land alles bes­ser ist. Bes­ser heißt noch lan­ge nicht gut“ – mit die­sen Wor­ten fass­te Rena­te Jae­ger die Bedeu­tung und Wir­kung des Grund­rech­te-Reports 2011 zusammen.

Zehn Jah­re nach dem 11. Sep­tem­ber 2001 und der dar­auf­hin erfolg­ten Anti­ter­ror­po­li­tik zei­gen sich die Her­aus­ge­ber des Grund­rech­te-Reports besorgt dar­über, dass auch im Jahr 2011 unter dem Vor­wand der Ter­ro­ris­mus­be­kämp­fung die lücken­lo­se Über­wa­chung der Bevöl­ke­rung vor­an­ge­trie­ben wer­de. Ange­sichts der War­nun­gen der „Diens­te“ vor Ter­ror­an­schlä­gen müss­ten end­lich alle „Sicher­heits­lü­cken“ geschlos­sen wer­den – heißt es. Die Her­aus­ge­ber des Grund­rech­te-Reports war­nen davor, dass sog. Sicher­heits­lü­cken mit über­wa­chungs­be­dürf­ti­gen Lebens­be­rei­chen gleich­ge­setzt wür­den. „Wer jede Kom­mu­ni­ka­ti­on zwi­schen Men­schen, jede Lebens­äu­ße­rung über­wa­chen und regis­trie­ren will, um mög­li­che Straf­ta­ten bereits weit im Vor­feld ver­ei­teln zu kön­nen, greift den Kern­ge­halt der Grund­rech­te an,“ sag­te Mar­tin Kut­scha, Staats­rechts­leh­rer und Mit­her­aus­ge­ber des Grundrechte-Reports.

Anläss­lich der heu­ti­gen Prä­sen­ta­ti­on berich­te­te eine betrof­fe­ne Stu­den­tin über einen Fall, in dem die Poli­zei einen ver­deck­ten Ermitt­ler (im Klar­text: Spit­zel) in die lin­ke Sze­ne an der Uni­ver­si­tät Hei­del­berg ein­schleus­te, um sich ein Lage­bild über Per­so­nen und Akti­vi­tä­ten zu ver­schaf­fen. Rechts­an­walt Mar­tin Heiming, Vor­sit­zen­der des Repu­bli­ka­ni­schen Anwäl­tin­nen- und Anwäl­te­ver­eins (RAV), Mit­her­aus­ge­ber des Grund­rech­te-Reports: „Wel­cher Stu­dent, wel­che Stu­den­tin wird noch Lust ver­spü­ren, sich poli­tisch zu enga­gie­ren, wenn man damit rech­nen muss, dass immer einer dabei ist, der sozu­sa­gen eine Han­dy-Stand­lei­tung zur Abtei­lung Staats­schutz der ört­li­chen Poli­zei betreibt?“

Posi­tiv zu ver­mel­den ist, dass der Schutz der Grund­rech­te heu­te ver­mehrt auch von euro­päi­schen und inter­na­tio­na­len Nor­men und Insti­tu­tio­nen aus­geht. So war es bei­spiels­wei­se der Euro­päi­sche Gerichts­hof für Men­schen­rech­te, der im ver­gan­ge­nen Jahr (erneut) die Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land wegen des laxen Umgangs mit dem abso­lu­ten Fol­ter­ver­bot rüg­te – auch über die­sen „Fall Dasch­ner“ berich­tet der neue Report. Auß­der­dem: Das Recht auf Fami­lie für Migran­tin­nen und Migran­ten wird durch das Recht der Euro­päi­schen Uni­on geschützt, die UN-Kin­der­rechts­kon­ven­ti­on stärkt die Kin­der­rech­te auch für Flücht­lings­kin­der in Deutschland.

Der Grund­rech­te-Report ist ein gemein­sa­mes Pro­jekt von acht Bür­ger­rechts­or­ga­ni­sa­tio­nen: Huma­nis­ti­sche Uni­on, Komi­tee für Grund­rech­te und Demo­kra­tie, Bun­des­ar­beits­kreis Kri­ti­scher Jura­grup­pen, PRO ASYL, Repu­bli­ka­ni­scher Anwäl­tin­nen- und Anwäl­te­ver­ein, Ver­ei­ni­gung Demo­kra­ti­scher Juris­tin­nen und Juris­ten, Inter­na­tio­na­le Liga für Men­schen­rech­te und Neue Rich­ter­ver­ei­ni­gung. Die­se Arbeit wur­de nun schon zum 15. Mal geleis­tet. Die jähr­li­chen Ver­fas­sungs­schutz­be­rich­te, die aus der ent­ge­gen­ge­setz­ten Per­spek­ti­ve vie­le Bür­ge­rin­nen und Bür­ger als soge­nann­te Ver­fas­sungs­fein­de bearg­wöh­nen und denun­zie­ren, erhal­ten so ein not­wen­di­ges Gegengewicht.

Fischer Taschen­buch­ver­lag, Juni 2011. 250 Sei­ten; 9,99 € ISBN 978–3‑596–19171‑0

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