25.03.2014

An den
Par­tei­vor­sit­zen­den der SPD
Herr Sig­mar Gabri­el
Wil­ly-Brandt-Haus
Wil­helm­stra­ße 141
10963 Ber­lin

                                                                                                                      

Sehr geehr­ter Herr Gabriel,

noch im Herbst 2013 war die Abschaf­fung des Opti­ons­zwangs im Staats­an­ge­hö­rig­keits­recht eine der Grund­be­din­gun­gen für eine Betei­li­gung der SPD an der Bundesregierung:

„Deutsch­lands Kin­der sol­len auch deut­sche Staats­bür­ger blei­ben, des­halb wol­len wir den Opti­ons­zwang abschaf­fen.“ (Beschluss des außer­or­dent­li­chen Par­tei­kon­vents der SPD am 20.Oktober 2013)

Die in den Ver­hand­lun­gen mit der Uni­on schließ­lich erreich­te Ver­ein­ba­rung („Für in Deutsch­land gebo­re­ne und auf­ge­wach­se­ne Kin­der aus­län­di­scher Eltern ent­fällt in Zukunft der Opti­ons­zwang“) wur­de von füh­ren­den Sozi­al­de­mo­kra­tin­nen und Sozi­al­de­mo­kra­ten als ersatz­lo­se Strei­chung des Opti­ons­zwangs aus dem Staats­an­ge­hö­rig­keits­recht inter­pre­tiert und kom­mu­ni­ziert – sowohl gegen­über der Öffent­lich­keit als auch gegen­über den Mit­glie­dern der SPD. So hat zum Bei­spiel die stell­ver­tre­ten­de Vor­sit­zen­de der SPD, Frau Aydan Özoğuz, von einem „Para­dig­men­wech­sel im Staats­an­ge­hö­rig­keits­recht“ gespro­chen und erklärt: „Die Opti­ons­pflicht wird abge­schafft. Das ist ein gro­ßer Erfolg für uns und wird in den nächs­ten Jah­ren hun­dert­tau­sen­den Betrof­fe­nen helfen.“

Unter ande­rem mit die­sem „Erfolg“ hat die Spit­ze der SPD bei ihren Mit­glie­dern um die Zustim­mung zum Koali­ti­ons­ver­trag mit der Uni­on gewor­ben und die­se Zustim­mung auch erhalten.

Kaum zwei Mona­te spä­ter müs­sen wir erle­ben, dass der für Staats­an­ge­hö­rig­keits­fra­gen zustän­di­ge Bun­des­in­nen­mi­nis­ter Tho­mas de Mai­zière (CDU) einen Gesetz­ent­wurf vor­legt, der vor­sieht, die Hin­nah­me der dop­pel­ten Staats­bür­ger­schaft an Kri­te­ri­en wie einen Schul­ab­schluss in Deutsch­land oder die mel­de­recht­li­che Auf­ent­halts­dau­er zu bin­den. Er schreibt damit die Ungleich­be­hand­lung der „Kin­der Deutsch­lands“ wei­ter fest und ver­schärft sie in Tei­len sogar.

Statt Kin­dern aus­län­di­scher Eltern, die die Vor­aus­set­zun­gen des § 4 Abs. 3 StAG erfül­len, die deut­sche Staats­an­ge­hö­rig­keit end­lich dau­er­haft und ohne wei­te­re Bedin­gun­gen zuzu­ge­ste­hen, blei­ben Rechts­un­si­cher­heit und Ungleich­be­hand­lung bestehen. Die Betrof­fe­nen sol­len auch in Zukunft ein auf­wen­di­ges Ver­fah­ren durch­lau­fen müs­sen, das sie am Ende mit dem Ver­lust bzw. dem Ent­zug der deut­schen Staats­an­ge­hö­rig­keit bedroht.

Die Opti­ons­re­ge­lung gefähr­det nicht nur indi­vi­du­el­le Inte­gra­ti­ons­pro­zes­se, sie wider­spricht dem Selbst­ver­ständ­nis und der Rea­li­tät einer moder­nen Ein­wan­de­rungs­ge­sell­schaft, in der bereits bei fast jeder zwei­ten Ein­bür­ge­rung eine mehr­fa­che Staats­an­ge­hö­rig­keit die Regel ist.

Sehr geehr­ter Herr Gabri­el, wir ver­trau­en fest dar­auf, dass die SPD zu ihrem vor der Bun­des­tags­wahl und nach den Koali­ti­ons­ver­hand­lun­gen gege­be­nen Wort steht. Wir bit­ten und for­dern Sie des­halb dazu auf, die Abschaf­fung des Opti­ons­zwangs im Staats­an­ge­hö­rig­keits­recht gegen­über ihren Koali­ti­ons­part­nern ein­zu­for­dern und durch­zu­set­zen – im Inter­es­se der jähr­lich bis zu 40.000 Betrof­fe­nen. Die Opti­ons­pflicht und der damit dro­hen­de Ver­lust der deut­schen Staats­an­ge­hö­rig­keit betrifft kei­ne Randgruppe!

Mit freund­li­chen Grüßen

Unterzeichner/innen:

  • Anne­lie Bun­ten­bach, Vor­stand des Deut­schen Gewerkschaftsbundes
  • Dr. Wolf­gang Gern, Vor­stands­vor­sit­zen­der der Dia­ko­nie Hessen
  • Edel­traud Glän­zer, stell­ver­tre­ten­de Vor­sit­zen­de der IG Berg­bau, Che­mie, Energie
  • Roland Graß­hoff, Geschäfts­füh­rer des Initia­tiv­aus­schus­ses für Migra­ti­ons­po­li­tik in Rheinland-Pfalz
  • Enis Güle­gen, Vor­sit­zen­der der Arbeits­ge­mein­schaft der Aus­län­der­bei­rä­te Hes­sen – Landesausländerbeirat
  • Dr. Vol­ker Jung, Kir­chen­prä­si­dent der Evan­ge­li­schen Kir­che in Hes­sen und Nas­sau, Vor­sit­zen­der der Kam­mer für Migra­ti­on und Inte­gra­ti­on der Evan­ge­li­schen Kir­che in Deutschland
  • Ken­an Kolat, Bun­des­vor­sit­zen­der der Tür­ki­schen Gemein­de in Deutschland
  • Andre­as Lipsch, Vor­sit­zen­der von PRO ASYL
  • Maria Lohei­de, Dia­ko­nie Deutsch­land – Evan­ge­li­scher Bun­des­ver­band, Vor­stand Sozialpolitik
  • Anne­ma­rie Lüt­kes, Vize­prä­si­den­tin des Deut­schen Kinderhilfswerkes
  • Dr. Jür­gen Micksch, Vor­sit­zen­der des Inter­kul­tu­rel­len Rates in Deutschland
  • Selim Özen, Vor­stands­vor­sit­zen­der der Arbeits­ge­mein­schaft der Bei­rä­te für Migra­ti­on und Inte­gra­ti­on in Rheinland-Pfalz
  • Gio­van­ni Pol­li­ce, Vor­sit­zen­der des Ver­eins „Mach mei­nen Kum­pel nicht an!“
  • Prof. Dr. Rolf Rosen­b­rock, Vor­sit­zen­der des Pari­tä­ti­schen Gesamtverbandes
  • Hil­trud Stö­cker-Zafa­ri, Bun­des­ge­schäfts­füh­re­rin des Ver­ban­des bina­tio­na­ler Fami­li­en und Part­ner­schaf­ten, iaf
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