31.01.2024

Nach der heu­ti­gen Eini­gung von 14 der 16 Bun­des­län­der auf gemein­sa­me Stan­dards bei der Bezahl­kar­te für eine bestimm­te Grup­pe von Geflüch­te­ten hält PRO ASYL an der grund­sätz­li­chen Kri­tik an der Bezahl­kar­te fest: Bund und Län­der pla­nen mit der Bezahl­kar­te ein Dis­kri­mi­nie­rungs­in­stru­ment, das den schutz­su­chen­den Men­schen in Deutsch­land das Leben schwer machen soll.

„Bund und Län­der haben mit der Eini­gung zur Bezahl­kar­te ein Dis­kri­mi­nie­rungs­pro­gramm ver­ab­re­det. Denn das erklär­te Ziel der Ministerpräsident*innen mit dem Bun­des­kanz­ler im Novem­ber 2023 war, mit unter­schied­li­chen Maß­nah­men die Asyl­zah­len zu sen­ken. Mit der  Bezahl­kar­te wird also vor allem der Zweck ver­folgt, den Men­schen das Leben hier schwer zu machen und sie abzu­schre­cken. Schon allein wegen die­ses unver­hoh­le­nen Motivs wirft die Bezahl­kar­te ver­fas­sungs­recht­li­che Fra­gen auf. Das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt hat 2012 ent­schie­den, dass die Men­schen­wür­de nicht aus migra­ti­ons­po­li­ti­schen Grün­den rela­ti­viert wer­den darf“, sagt Andrea Kothen, Refe­ren­tin bei PRO ASYL.

An der heu­ti­gen Eini­gung sind drei Punk­te beson­ders pro­ble­ma­tisch:

- Über­wei­sun­gen sol­len nicht mög­lich sein: Ohne eine Über­wei­sungs­mög­lich­keit wer­den Geflüch­te­te aus dem All­tags­le­ben aus­ge­grenzt. Über­wei­sun­gen sind heut­zu­ta­ge aber unent­behr­lich – etwa für einen Han­dy­ver­trag und klei­ne Ein­käu­fe im Inter­net. Geflüch­te­te müs­sen auch ihre für das Asyl­ver­fah­ren nöti­gen Rechtsanwält*innen per Über­wei­sung bezah­len können.

- Kein Min­dest­be­trag für die Bar­ab­he­bung: Die Mög­lich­keit, über Bar­geld zu ver­fü­gen, ist vor allem zur Siche­rung des – ver­fas­sungs­recht­lich ver­bürg­ten – sozio­kul­tu­rel­len Exis­tenz­mi­ni­mums gebo­ten. Wer dies angreift, greift die Men­schen­wür­de der Betrof­fe­nen an. Wer in Deutsch­land ohne Bar­geld lebt und nur weni­ge Din­ge in weni­gen Läden kau­fen kann, ver­liert an Selbst­be­stim­mung und macht demü­ti­gen­de Erfah­run­gen, etwa wenn der Euro für die öffent­li­che Toi­let­te oder der Bei­trag für die Klas­sen­kas­se feht.

- Regio­na­le Ein­schrän­kung: Die regio­na­le Ein­schrän­kung der Kar­te stellt offen­kun­dig den Ver­such einer sozi­al­po­li­ti­schen Drang­sa­lie­rung dar, die Frei­zü­gig­keit der Betrof­fe­nen durch die Hin­ter­tür zu beschrän­ken: Wer Ver­wand­te oder Freund*innen besucht oder einen wei­ter ent­fern­ten Fach­arzt oder eine Bera­tungs­stel­le auf­su­chen möch­te, kann in erns­te Schwie­rig­kei­ten gera­ten, wenn er nicht ein­mal eine Fla­sche Was­ser kau­fen kann.

„Die Bezahl­kar­te ist, eben­so wie die gera­de vom Bun­des­tag beschlos­se­ne Ver­län­ge­rung der Grund­leis­tun­gen nach dem Asyl­be­wer­ber­leis­tungs­ge­setz, kei­ne ratio­na­le, kon­struk­ti­ve Asyl­po­li­tik. Die Bezahl­kar­te wird abseh­bar zu einer Men­ge Ärger im All­tag füh­ren und das Ankom­men und die Inte­gra­ti­on der Men­schen erschwe­ren – aber rein gar nichts ver­bes­sern. Auch den nach wie vor enga­gier­ten Unterstützer*innen und Will­kom­mens­in­itia­ti­ven fällt man mit einer dis­kri­mi­nie­ren­den Bezahl­kar­te in den Rücken“, sagt Andrea Kothen, Refe­ren­tin bei PRO ASYL.

Bun­des­län­der müs­sen bestehen­den Spiel­raum posi­tiv nutzen!

Die nun beschlos­se­nen angeb­li­chen Stan­dards der Bezahl­kar­te sind aller­dings kei­ne Stan­dards, son­dern ledig­lich der kleins­te gemein­sa­me Nen­ner, auf den sich die Bun­des­län­der eini­gen konn­ten, um eine schänd­li­che poli­ti­sche Wil­lens­er­klä­rung abzu­ge­ben. Die Bun­des­län­der kön­nen aber trotz­dem groß­zü­gi­ge­re Rege­lun­gen als die dort fest­ge­hal­te­nen anwen­den. PRO ASYL appel­liert an die Eigen­ver­ant­wor­tung der Län­der und Kom­mu­nen, die nach wie vor vor­han­de­nen Spiel­räu­me zu nut­zen und auf eine Bezahl­kar­te zu ver­zich­ten oder die­se zumin­dest dis­kri­mi­nie­rungs­frei aus­zu­ge­stal­ten. Dazu hat­te PRO ASYL im Dezem­ber 2023 unter dem Mot­to „Men­schen­recht­li­che Stan­dards beach­ten!“ not­wen­di­ge Eck­punk­te ver­öf­fent­licht.

Auch die Kom­mu­nen wer­den nicht ent­las­tet: Denn die Kür­zung von Sozi­al­leis­tun­gen und der Umstieg auf mehr Sach­leis­tun­gen hal­ten die Men­schen nicht davon ab, vor Krieg oder Ver­trei­bung zu flie­hen. Wis­sen­schaft­li­che Unter­su­chun­gen, wie zum Bei­spiel die des Bun­des­am­tes für Migra­ti­on und Flücht­lin­ge, zei­gen zudem: Rechts­staat­lich­keit, Freund*innen, Fami­lie und die Arbeits­markt­be­din­gun­gen in einem Land sind Fak­to­ren für den Ziel­ort einer Flucht. Sozi­al­leis­tungs­sys­te­me dage­gen wir­ken sich nicht als ent­schei­dungs­re­le­vant aus. Auch die Bezahl­kar­te wird also an den Flucht­we­gen von Men­schen nichts ändern.

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