PRO ASYL und Bayerischer Flüchtlingsrat fordern anlässlich der Vorkonferenz in Berlin: Bleiberecht statt Desintegration durch Kettenduldungen
Am Wochenende starben erneut dutzende Menschen bei einem Anschlag in Afghanistan. Klar ist: Die Sicherheits- und Versorgungslage wird auf Dauer keine Rückkehr von Flüchtlingen zulassen. Trotzdem leben viele afghanische Flüchtlinge in Deutschland in Angst vor der Abschiebung. Bei der Innenministerkonferenz (IMK) soll nun über ihr Schicksal beraten und eine Neubewertung der „abschiebungsrelevanten Sicherheitslage“ vorgenommen werden. Heute beginnt die Vorkonferenz der Staatssekretäre in Berlin.
Für mehr als 4000 Flüchtlinge aus Afghanistan, die als Ausreisepflichtige in Deutschland leben, könnte dies im besten Fall einen Abschiebungsstopp und ein Leben in Sicherheit mit einer Integrationsperspektive, im schlechtesten Fall Kettenduldungen und vermehrte Abschiebung bedeuten.
„Tausende Flüchtlinge aus Afghanistan werden durch Kettenduldungen von gesellschaftlicher Teilhabe und dem Arbeitsmarkt ferngehalten“, erklärt Bernd Mesovic, stellv. Geschäftsführer von PRO ASYL, „Wir fordern die Innenministerkonferenz auf, afghanischen Flüchtlingen Aufenthaltserlaubnisse zu erteilen und damit die Integration zu ermöglichen. Die Sicherheits- und Versorgungslage lässt auf absehbare Zeit keine Rückkehr zu.“
Im Jahre 2013 wurden in Afghanistan knapp 3000 Zivilisten getötet. Mit dem weitgehenden Abzug der ISAF-Truppen droht sich die Sicherheitslage nochmals zu verschlechtern. Auch die Versorgungslage ist katastrophal. Über ein Drittel aller Kinder sind unterernährt, es fehlt an ausreichend qualifiziertem medizinischen Personal und bezahlbaren Medikamenten. Die Zahl der Rückkehrer aus den Nachbarstaaten ist aufgrund der verschlechterten Sicherheits- und Versorgungslage zuletzt erheblich zurückgegangen. Trotzdem leben zehntausende zurückgekehrte Afghanen bereits seit Jahren in Slums und Zeltstädten vor den Toren Kabuls. Neben der allgemeinen Gefahr durch Bürgerkrieg und Mangelversorgung sind auch Zwangsrekrutierungen durch die Taliban und das boomende Geschäft mit Entführungen insbesondere für Abgeschobene eine Bedrohung.
Asylanträge von Afghaninnen und Afghanen wurden und werden trotzdem immer wieder abgelehnt, da insbesondere die Hauptstadt Kabul als ausreichend sicher angesehen wird. Abschiebungen werden jedoch von den Bundesländern nicht oder nur in geringem Umfang vollzogen (7 Abschiebungen aus der BRD 2012, 10 Abschiebungen 2013). Ein formeller Abschiebungsstopp, der zu einem Bleiberecht in Deutschland führen würde, fehlt jedoch bisher.
„Da es keinen Abschiebungsstopp gibt, leben viele Afghanen im unsicheren Status der Duldung – ohne Sprachkursanspruch und oft auch ohne ein Recht auf Arbeit und Ausbildung“, erklärt Stephan Dünnwald vom Bayerischen Flüchtlingsrat „Die Innenminister müssen diese Desintegrationspolitik beenden!“