26.10.2015

Die Bun­des­re­gie­rung will Flücht­lin­ge aus Afgha­ni­stan künf­tig ver­stärkt abschie­ben. Die­se Absichts­er­klä­rung drang im Vor­feld der sonn­täg­li­chen Kon­fe­renz der Staats- und Regie­rungs­chefs aus den Staa­ten ent­lang der soge­nann­ten Bal­kan­rou­te nach außen. Was die Bun­des­re­gie­rung hier plant, steht in mas­si­vem Gegen­satz zur Situa­ti­on in Afgha­ni­stan, die insta­bi­ler ist als je in den letz­ten Jahren.

Der Kon­flikt hat in die­sem Jahr mehr Opfer unter der Zivil­be­völ­ke­rung gefor­dert als in den Vor­jah­ren, berich­tet die UN-Afgha­ni­stan-Mis­si­on. Zwi­schen Janu­ar und Juni sind dem­nach 1592 Zivi­lis­ten getö­tet und 3329 wei­te­re ver­letzt wor­den. Inzwi­schen gibt es mehr Opfer durch Kampf­hand­lun­gen am Boden als durch Atten­ta­te, Spreng­sät­ze und ähn­li­ches. „Die nack­te Sta­tis­tik zivi­ler Opfer spie­gelt nicht in aus­rei­chen­dem Maße den Hor­ror der Gewalt in Afgha­ni­stan wie­der“, hat­te Unama-Chef Nicho­las Hay­som zur Halb­jah­res­sta­tis­tik erklärt.

Die FAZ berich­te­te am 6.10.2015 unter dem Titel „Scher­ben­hau­fen Kun­dus“, wie das Land seit zwei Jah­ren dem Abgrund ent­ge­gen schlit­te­re. Die Erobe­rung und mehr­tä­gi­ge Beset­zung von Kun­dus sei ein Wen­de­punkt für Afgha­ni­stan, gal­ten doch die grö­ße­ren Städ­te den moder­nen Eli­ten trotz regel­mä­ßi­ger Bom­ben­an­schlä­ge noch immer als rela­tiv sicher vor dem Zugriff der Tali­ban. Damit sei es vor­bei. Offen­bar nicht für die Bun­des­re­gie­rung, die ver­stärkt abschie­ben will.

PRO ASYL kri­ti­siert die Hal­tung der Bun­des­re­gie­rung als Welt­fremd­heit mit Vor­satz. Von den geplan­ten Abschie­bun­gen könn­ten 7000 afgha­ni­sche Schutz­su­chen­de betrof­fen sein. Vie­le von Ihnen sind in Deutsch­land nur gedul­det, weil die Recht­spre­chungs­pra­xis ins­be­son­de­re die Abschie­bung allein­ste­hen­der jun­ger Män­ner für mög­lich hält – mit dem Tenor, die­se hät­ten im rela­tiv siche­ren Kabul die Mög­lich­keit, sich als Tage­löh­ner über Was­ser zu halten.

PRO ASYL hat die Bun­des­in­nen­mi­nis­ter­kon­fe­renz in den letz­ten Jah­ren immer wie­der gebe­ten, aus der sehr zurück­hal­ten­den Abschie­bungs­pra­xis aller Bun­des­län­der die not­wen­di­ge Kon­se­quenz zu zie­hen, und die ledig­lich gedul­de­ten Afgha­nen mit einem Auf­ent­halts­ti­tel zu ver­se­hen. Abge­scho­ben hat­te man näm­lich nur weni­ge afgha­ni­sche Staats­an­ge­hö­ri­ge, in der Regel Straftäter.

Die­sen Zustand der Nicht­ab­schie­bung bei gleich­zei­ti­ger Ver­wei­ge­rung eines Sta­tus will die Bun­des­re­gie­rung offen­bar jetzt been­den – zum denk­bar schlech­tes­ten Zeit­punkt. Miss­braucht wer­den soll die Debat­te um das auf­ent­halts­recht­li­che Schick­sal der bereits hier leben­den zur Abschre­ckung derer, die sich aktu­ell in Afgha­ni­stan zur Flucht ent­schlie­ßen. In der Tat wol­len sich vie­le Men­schen in Afgha­ni­stan ange­sichts des Scher­ben­hau­fens nach Kun­dus nicht mehr mit Ver­harm­lo­sun­gen abspei­sen las­sen, wel­che neue Afgha­ni­stan­stra­te­gie des Wes­tens auch immer ver­kün­det wird.

 Mehr Sol­da­ten nach Afgha­ni­stan – aber trotz­dem dort­hin abschie­ben? (20.11.15)

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