25.10.2023

Am heu­ti­gen Mitt­woch soll im Kabi­nett der von Nan­cy Fae­ser vor­ge­schla­ge­ne Ent­wurf zum „Gesetz zur Ver­bes­se­rung der Rück­füh­rung“ beschlos­sen wer­den. Die­se rechts­staat­lich frag­wür­di­gen Ver­schär­fun­gen rund um Abschie­bun­gen sind jedoch schwer­wie­gen­de Ein­grif­fe in Grund­rech­te ohne jede Ver­hält­nis­mä­ßig­keit, die dem Rechts­po­pu­lis­mus wei­ter Vor­schub leis­ten. Zudem wer­den die Kom­mu­nen so nicht ent­las­tet.

Hin­weis: Für Don­ners­tag, 26. Okto­ber, 10.30 Uhr, laden PRO ASYL und die Gesell­schaft für Frei­heits­rech­te zu einem Pres­se­h­in­ter­grund­ge­spräch zu die­sem Gesetz und damit ver­bun­de­nen Kla­ge­ver­fah­ren ein (sie­he unten).

Der Gesetz­ent­wurf sieht unter ande­rem eine Aus­wei­tung des Aus­rei­se­ge­wahr­sams auf 28 Tage und der Abschie­be­haft auf bis zu sechs Mona­te vor. Außer­dem sol­len mit der Abschie­bung beauf­trag­te Per­so­nen qua­si jedes Zim­mer – auch nachts – in einer Geflüch­te­ten­un­ter­kunft betre­ten dür­fen, trau­ma­ti­sie­ren­de nächt­li­che und über­fall­ar­ti­ge Abschie­bun­gen sol­len for­ciert wer­den. Zudem sol­len durch neue Rege­lun­gen mas­sen­haft und ohne Ver­hält­nis­mä­ßig­keits­prü­fung Han­dys aus­ge­le­sen wer­den kön­nen.

Noch mehr Här­te und Ver­let­zun­gen der Grund­rech­te

„Die Bun­des­re­gie­rung opfert mit dem Abschie­bungs­ge­setz die Grund­rech­te der Betrof­fe­nen dem aktu­el­len rechts­po­pu­lis­ti­schen Dis­kurs. Ver­schärf­te Abschie­bungs­re­geln wer­den kaum dazu füh­ren, dass nen­nens­wert mehr Men­schen abge­scho­ben wer­den, aber sie füh­ren zu noch mehr Här­te und Ver­let­zun­gen der Grund­rech­te. Schon jetzt ist jede zwei­te Abschie­bungs­haft rechts­wid­rig, schon jetzt wer­den Fami­li­en getrennt und Kin­der nachts aus dem Schlaf geris­sen. Dabei ist schon lan­ge klar: Abschie­bun­gen lösen weder die Pro­ble­me der Kom­mu­nen noch die Her­aus­for­de­run­gen bei der Auf­nah­me flie­hen­der Men­schen“, kom­men­tiert Wieb­ke Judith, rechts­po­li­ti­sche Spre­che­rin von PRO ASYL.

Die von Nan­cy Fae­ser vor­ge­schla­ge­nen Maß­nah­men grei­fen unter ande­rem in das Recht auf Frei­heit (Arti­kel 2 Abs. 2 Grund­ge­setz), das Recht auf die Unver­letz­lich­keit der Woh­nung (Arti­kel 13 Grund­ge­setz) – das auch für Zim­mer in Geflüch­te­ten­un­ter­künf­ten gilt – sowie in das Recht auf infor­ma­tio­nel­le Selbst­be­stim­mung und Pri­vat­sphä­re (Arti­kel 2 Abs. 1 Grund­ge­setz) ein.

Debat­te über aus­rei­se­pflich­ti­ge Per­so­nen oft ver­zerrt

Mit die­sem Abschie­bungs-Ver­schlim­me­rungs­ge­setz wird so getan, als wür­den noch här­te­re Abschie­bun­gen zur Ent­las­tung von Kom­mu­nen füh­ren. Dabei bekom­men aktu­ell 71 Pro­zent der Men­schen, deren Asyl­grün­de vom BAMF geprüft wer­den, Schutz in Deutsch­land. Die Quo­te liegt damit auf Rekord­ni­veau und beweist, dass der aller­größ­te Teil der Men­schen, die nach Deutsch­land kom­men und Schutz suchen, sehr gute Asyl­grün­de hat. Des­halb soll­te der Fokus auf ihrer Auf­nah­me und nicht auf Abschie­bun­gen lie­gen.

Auch die öffent­li­che Debat­te über aus­rei­se­pflich­ti­ge Per­so­nen ist oft ver­zerrt: Ende 2022 leb­ten knapp 250.000 Men­schen mit einer Dul­dung in Deutsch­land und waren aus­rei­se­pflich­tig. Vie­le der Aus­rei­se­pflich­ti­gen kön­nen jedoch über­haupt nicht abge­scho­ben wer­den, auch wenn unter­schied­li­che Politiker*innen das immer wie­der sug­ge­rie­ren: Rund 3.000 Gedul­de­te kön­nen wegen schwer­wie­gen­der medi­zi­ni­scher Grün­de nicht abge­scho­ben wer­den. In 25.000 Fäl­len wur­den Dul­dun­gen wegen fami­liä­rer Bin­dun­gen erteilt, die eine Abschie­bung nicht zulas­sen (Bun­des­tag Druck­sa­che 20/5870).

[Aktua­li­sie­rung: Zum 31. August 2023 leb­ten rund 211.000 Men­schen mit einer Dul­dung in Deutsch­land, sie­he Ple­nar­pro­to­koll 20/124 Ant­wort auf Fra­ge 24.]

Auch Men­schen in einer Berufs­aus­bil­dung blei­ben in Deutsch­land bis­lang in der Dul­dung, sind damit wei­ter­hin aus­rei­se­pflich­tig und Teil der Sta­tis­tik: Ende 2022 waren das 6.000 Aus­zu­bil­den­de. Zudem wird nur ledig­lich etwa neun Pro­zent der aktu­ell gedul­de­ten Men­schen vor­ge­wor­fen, ihre eige­ne Abschie­bung zu ver­hin­dern, wes­halb sie eine soge­nann­te Dul­dung Light haben.

Gegen rechts­po­li­ti­schen Dis­kurs und fal­sche Lösun­gen

PRO ASYL for­dert alle demo­kra­ti­schen Par­tei­en im Bun­des­tag auf, Ziel und Mit­tel des Abschie­be­ge­set­zes zu hin­ter­fra­gen, die flücht­lings­feind­li­che Debat­te zu been­den und statt­des­sen ech­te Lösun­gen zur Ent­las­tung von Kom­mu­nen zu ver­fol­gen. Rund 136.000 Gedul­de­te könn­ten zum Bei­spiel von einer groß­zü­gi­gen Anwen­dung des Chan­cen-Auf­ent­halts­rechts pro­fi­tie­ren, was die Zahl der Aus­rei­se­pflich­ti­gen ver­rin­gert.

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Ein­la­dung zum Online-Hin­ter­grund­ge­spräch:

„Kein Grund­rechts­schutz zwei­ter Klas­se – für die Rech­te von Geflüch­te­ten vor Gericht„

Was: Online-Hin­ter­grund­ge­spräch für die Medi­en zu aktu­el­len Kla­ge­ver­fah­ren zu den Grund­rech­ten geflüch­te­ter Men­schen im Kon­text der der­zei­ti­gen Migra­ti­ons­po­li­tik
Wann: Don­ners­tag, 26. Okto­ber, 10.30 Uhr
Wo: Digi­tal über Zoom (Link wird nach Anmel­dung zuge­sen­det)
Wer: Sarah Lin­coln, Rechts­an­wäl­tin und Ver­fah­rens­ko­or­di­na­to­rin der Gesell­schaft für Frei­heits­rech­te (GFF)
Wieb­ke Judith, rechts­po­li­ti­sche Spre­che­rin bei PRO ASYL

Für die Anmel­dung und für Rück­fra­gen zum Pres­se­ge­spräch sen­den Sie bit­te eine E‑Mail an presse@freiheitsrechte.org

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