27.09.2023

Im Gesetz­ent­wurf zur Kin­der­grund­si­che­rung, der heu­te im Bun­des­ka­bi­nett ver­ab­schie­det wer­den soll, wer­den von vor­ne­her­ein Kin­der aus­ge­schlos­sen, die Leis­tun­gen des Asyl­be­wer­ber­leis­tungs­ge­set­zes erhal­ten. 23 zivil­ge­sell­schaft­li­che Orga­ni­sa­tio­nen for­dern die Regie­rungs­ko­ali­ti­on auf, den Vor­ga­ben aus der UN-Kin­der­rechts­kon­ven­ti­on gerecht zu wer­den und alle in Deutsch­land leben­den Kin­der in die Kin­der­grund­si­che­rung aufzunehmen.

„Die Kin­der­rechts­kon­ven­ti­on ver­bie­tet eine Dis­kri­mi­nie­rung von Kin­dern auf­grund von Her­kunft und Auf­ent­halts­sta­tus. Alle Kin­der haben die­sel­ben Rech­te – etwa auf gesun­des Auf­wach­sen, sozia­le Teil­ha­be und die Wah­rung des men­schen­wür­di­gen Exis­tenz­mi­ni­mums. Des­halb muss die Kin­der­grund­si­che­rung eine Leis­tung für alle Kin­der in Deutsch­land sein. Schon jetzt haben geflüch­te­te Kin­der schlech­te­re Start­chan­cen. Wir for­dern Regie­rung und Par­la­ment auf sicher­zu­stel­len, dass geflüch­te­te Kin­der in kei­ner Wei­se wei­ter benach­tei­ligt wer­den“, so die Organisationen.

„Dass die eigent­lich wich­ti­ge Kin­der­grund­si­che­rung gera­de geflüch­te­te Kin­der in Deutsch­land wei­ter benach­tei­ligt, ist ein­fach nur bit­ter. Das Ziel, allen in Armut leben­den Kin­dern zu hel­fen, wird so ver­fehlt“, kom­men­tiert Wieb­ke Judith, rechts­po­li­ti­sche Spre­che­rin von PRO ASYL. „Die­se auf Abschre­ckung gerich­te­te Sozi­al­po­li­tik wird kei­ne Fami­lie davon abhal­ten, aus Not und Lebens­ge­fahr zu flie­hen. Sie ver­schärft aber die Situa­ti­on für tau­sen­de hier leben­de und zum Teil gebo­re­ne Kin­der, die ohne­hin schon vom Kin­der­geld aus­ge­nom­men waren und von nied­ri­ge­ren Leis­tungs­sät­zen leben muss­ten. Dass sie durch das Weg­fal­len des Sofort­zu­schlags von 20 Euro monat­lich sogar schlech­ter gestellt wären, als vor der Ein­füh­rung der Kin­der­grund­si­che­rung, ist beson­ders absurd und ein sozi­al­po­li­ti­scher Skandal.“

Von der Benach­tei­li­gung wären Kin­der asyl­su­chen­der und gedul­de­ter Eltern betrof­fen sowie Kin­der, deren Eltern zum Bei­spiel bestimm­te huma­ni­tä­re Auf­ent­halts­ti­tel oder wegen Über­las­tung der Aus­län­der­be­hör­den „nur“ eine Fik­ti­ons­be­schei­ni­gung besit­zen – auch dann, wenn die Kin­der selbst ein dau­er­haf­tes Auf­ent­halts­recht besit­zen oder Deut­sche sind.

Hin­ter­grund:

  • Die bei der Kin­der­grund­si­che­rung geplan­te Bün­de­lung sozi­al­po­li­ti­scher Leis­tun­gen umfasst die kin­der­spe­zi­fi­schen Regel­sät­ze des Bür­ger­gel­des (SGB II) und der Sozi­al­hil­fe (SGB XII), nicht jedoch die des Asyl­be­wer­ber­leis­tungs­ge­set­zes (Asyl­bLG).
  • Die Regel­sät­ze des Asyl­bLG sind noch nied­ri­ger (2023 zwi­schen 278 Euro und 374 Euro im Monat für Kin­der und Jugend­li­che, alters­ge­staf­felt) als die ohne­hin zu nied­ri­gen Regel­sät­ze in den ande­ren Grund­si­che­rungs­sys­te­men (318 bis 420 Euro). Aus Sicht der unter­zeich­nen­den Orga­ni­sa­tio­nen wider­spricht dies dem Gleich­be­hand­lungs­grund­satz, der auch und ins­be­son­de­re für das men­schen­wür­di­ge Exis­tenz­mi­ni­um gel­ten soll­te. Das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt (BVerfG) hat in einem Grund­satz­ur­teil im Jahr 2012 klar­ge­stellt, dass die Men­schen­wür­de nicht durch migra­ti­ons­po­li­ti­sche Erwä­gun­gen rela­ti­viert wer­den darf. Gemäß dem BVerfG ist die Gewähr­leis­tung eines men­schen­wür­di­gen Exis­tenz­mi­ni­mums ein Men­schen­recht, das durch Art.1 Abs. 1 Grund­ge­setz garan­tiert wird.
  • Mit der Ein­füh­rung der Kin­der­grund­si­che­rung ent­fällt zudem der Kin­der­so­fort­zu­schlag von 20 Euro, den bis­her auch Kin­der im Asyl­bLG erhal­ten haben. In der Kin­der­grund­si­che­rung soll dies durch Anpas­sun­gen der Regel­be­dar­fe aus­ge­gli­chen wer­den. Berich­ten zufol­ge ent­fällt der Kin­der­so­fort­zu­schlag für Kin­der im Asyl­bLG im Regie­rungs­ent­wurf des Kin­der­grund­si­che­rungs­ge­set­zes hin­ge­gen ersatzlos.
  • Die UN-Kin­der­rechts­kon­ven­ti­on (KRK) ist in Deutsch­land für alle Kin­der glei­cher­ma­ßen gül­tig. Den Vor­be­halt, gemäß dem die Ver­pflich­tun­gen der KRK nicht gegen­über aus­län­di­schen Kin­dern gel­ten soll­ten, hat Deutsch­land 2010 auf­ge­ge­ben. Gemäß Arti­kel 2 der Kon­ven­ti­on ist damit jede Dis­kri­mi­nie­rung auf­grund der Her­kunft und des Auf­ent­halts­sta­tus der Kin­der aus­ge­schlos­sen. Bei allen poli­ti­schen Maß­nah­men ist zudem das Wohl aller Kin­der gemäß Arti­kel 3 vor­ran­gig zu berücksichtigen.

Die fol­gen­den Orga­ni­sa­tio­nen haben sich dem gemein­sa­men State­ment angeschlossen:

  • Arbeits­ge­mein­schaft Migra­ti­ons­recht im Deut­schen Anwaltverein
  • ARBEITSKREIS ASYL TRIBSEES der evan­ge­li­schen Kirchengemeinde
  • AWO Bun­des­ver­band e.V.
  • Bun­des­wei­te Arbeits­ge­mein­schaft Psy­cho­so­zia­ler Zen­tren für Flücht­lin­ge und Fol­ter­op­fer e.V. (BAfF e.V.)
  • Der Kin­der­schutz­bund Bun­des­ver­band e.V.
  • Der Pari­tä­ti­sche Gesamtverband
  • Deut­sche Gesell­schaft für sys­te­mi­sche The­ra­pie, Bera­tung und Fami­li­en­the­ra­pie (DGSF e.V.)
  • Deut­sches Kin­der­hilfs­werk e.V.
  • Dia­ko­nie Deutschland
  • Gewerk­schaft Erzie­hung und Wis­sen­schaft (GEW)
  • Inter­na­tio­na­ler Bund (IB) – frei­er Trä­ger der Jugend‑, Sozi­al- und Bil­dungs­ar­beit e.V.
  • JUMEN e.V
  • Neue Rich­ter­ver­ei­ni­gung e.V. (NRV)
  • PRO ASYL Bun­des­wei­te Arbeits­ge­mein­schaft für Flücht­lin­ge e.V.
  • Save the Child­ren Deutsch­land e.V.
  • SOS-Kin­der­dorf e.V.
  • Sozi­al­ver­band Deutsch­land e.V. (SoVD)
  • terre des hom­mes Deutsch­land e.V.
  • Ver­band allein­er­zie­hen­der Müt­ter und Väter e.V.
  • Ver­band bina­tio­na­ler Fami­li­en und Part­ner­schaf­ten, iaf e.V.
  • Volks­o­li­da­ri­tät Bun­des­ver­band e.V.
  • World Visi­on Deutsch­land e.V.
  • Zukunfts­fo­rum Fami­lie e.V.
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