31.08.2023

Russ*innen, die sich einem Mili­tär­dienst im Ukrai­ne-Krieg ent­zie­hen, soll­ten ohne Wenn und Aber in Deutsch­land Zugang zu Schutz erhal­ten – dies ist bis­her nicht der Fall. Zum Anti­kriegs­tag am 1. Sep­tem­ber for­dern Con­nec­tion e.V., die Ev. Arbeits­ge­mein­schaft für Kriegs­dienst­ver­wei­ge­rung und Frie­den (EAK) und PRO ASYL von der Bun­des­re­gie­rung und dem Bun­des­amt für Migra­ti­on und Flücht­lin­ge (BAMF) Ver­bes­se­run­gen ein.

Das Bun­des­amt für Migra­ti­on und Flücht­lin­ge (BAMF) teil­te vor zwei Wochen gegen­über der Deut­schen Wel­le mit, dass seit Beginn des Ukrai­ne-Krie­ges in Deutsch­land bis­her nur 83 rus­si­schen Flücht­lin­gen im wehr­pflich­ti­gen Alter Schutz gewährt wur­de. Das sind gera­de ein­mal knapp 38 Pro­zent von ins­ge­samt 221 inhalt­lich ent­schie­de­nen Anträ­gen aus der Grup­pe von rus­si­schen Män­nern im Alter von 18 bis 45 Jah­re. 138 Anträ­ge wur­den abge­lehnt.* (Die Zah­len bezie­hen sich auf den Zeit­raum 24. Febru­ar 2022 bis 31. Juli 2023.)

Den Kennt­nis­sen von Con­nec­tion, EAK und PRO ASYL zufol­ge, erfolg­ten die Ableh­nun­gen vor allem bei Asyl­su­chen­den, die zwar vor ihrer wahr­schein­li­chen Ein­be­ru­fung geflo­hen sind, aber noch kei­ne Ein­be­ru­fung erhal­ten hat­ten. Nach Aus­kunft des Innen­mi­nis­te­ri­ums vom 11. Mai 2022 sol­len Deserteur*innen vor allem nur dann Flücht­lings­schutz erhal­ten, wenn sie ihre Deser­ti­on nach­wei­sen kön­nen, weil die­se „als akti­ves Bekun­den gegen die Krieg­füh­rung als Aus­druck einer oppo­si­tio­nel­len Über­zeu­gung gewer­tet“ werde.

„Der größ­te Teil der mili­tär­dienst­pflich­ti­gen Asyl­an­trag­stel­ler aus Russ­land hat sich schon vor­zei­tig einer mög­li­chen Rekru­tie­rung ent­zo­gen“, so Wolf­gang Burg­graf von der Ev. Arbeits­ge­mein­schaft für Kriegs­dienst­ver­wei­ge­rung und Frie­den (EAK). „Sie woll­ten sich nicht der Gefahr aus­set­zen, direkt an die Front gebracht zu wer­den. Das wird ihnen nun im Asyl­ver­fah­ren zum Verhängnis.“

„Seit vie­len Mona­ten wird vom Innen­mi­nis­te­ri­um und dem Bun­des­amt für Migra­ti­on und Flücht­lin­ge dar­auf hin­ge­wie­sen dass eine Rege­lung für Mili­tär­dienst­ent­zie­hen­de kom­men soll“, so Rudi Fried­rich von Con­nec­tion e.V. „Wäh­rend­des­sen aber geht die Pra­xis wei­ter, sie in ihren Asyl­ver­fah­ren abzu­leh­nen. Hier wer­den Fak­ten zum Nach­teil der Geflüch­te­ten geschaf­fen, statt anzu­er­ken­nen, dass sie sich einem völ­ker­rechts­wid­ri­gen Krieg ent­zo­gen haben und daher Flücht­lings­schutz erhal­ten sollten.“

Es braucht siche­re Flucht­we­ge für rus­si­sche Kriegsdienstverweiger*innen

Die Orga­ni­sa­tio­nen mah­nen zudem an, dass es kei­ne siche­ren Ein­rei­se­we­ge für rus­si­sche Mili­tär­dienst­ent­zie­hen­de und Kriegsdienstverweiger*innen nach Deutsch­land gibt. Die der­zei­ti­gen Rege­lun­gen für eine Visa­ver­ga­be hin­dern vie­le dar­an, siche­re Län­der zu errei­chen. Bereits Mit­te Juli hat­ten Abge­ord­ne­te des EU-Par­la­ments frak­ti­ons­über­grei­fend in einem gemein­sa­men Schrei­ben auf ihre kri­ti­sche Lage hin­ge­wie­sen und gefor­dert, „die Leit­li­ni­en für die Ertei­lung von Ein­rei­se­vi­sa für Rus­sen anzupassen.“

„Es ist nicht aus­rei­chend, uns zu dem Schutz von rus­si­schen Kriegsdienstverweiger*innen zu beken­nen. Wir müs­sen den Weg zu die­sem Schutz durch die Ver­ga­be von huma­ni­tä­ren Visa in den Aus­lands­ver­tre­tun­gen in Russ­land und den Nach­bar­staa­ten auch umset­zen“, mahnt Tareq Alaows, flücht­lings­po­li­ti­scher Spre­cher von PRO ASYL.

Auch außer­halb Russ­lands droht rus­si­schen Staatsbürger*innen häu­fig eine Abschie­bung nach Russ­land. Sie müs­sen daher auch von dort aus Anträ­ge zur Auf­nah­me in die Euro­päi­sche Uni­on stel­len kön­nen. Der Weg zu huma­ni­tä­ren Visa muss geeb­net wer­den. Das for­dern auch vie­le rus­si­schen Exil­or­ga­ni­sa­tio­nen in einer gemein­sa­men Erklä­rung vom 17. Juli 2023

Alter­na­ti­ve Auf­ent­halts­mög­lich­kei­ten zu Asyl­ver­fah­ren stärken

Für Rus­sen im mili­tär­dienst­pflich­ti­gen Alter, die sich bereits in Deutsch­land befin­den, soll­ten alle recht­li­chen Mög­lich­kei­ten auf Bun­des- und Lan­des­ebe­ne aus­ge­schöpft wer­den, um ihnen Auf­ent­halts­si­cher­heit zu gewäh­ren. Sie sind bei einer zwangs­wei­sen Rück­kehr nach Russ­land einer Rekru­tie­rung für einen völ­ker­rechts­wid­ri­gen Krieg unterworfen.

So soll­ten Auf­ent­halts­ti­tel etwa zum Zwe­cke des Fami­li­en­nach­zugs oder zu Studien‑, Aus­bil­dungs- sowie Beschäf­ti­gungs­zwe­cken unbü­ro­kra­tisch gewährt und ver­län­gert wer­den. Dazu soll­te von der Regeler­tei­lungs­vor­aus­set­zung der Ein­rei­se mit dem hier­für erfor­der­li­chen Visum nach § 5 Abs. 2 des Auf­ent­halts­ge­set­zes im Wege einer Ermes­sens­ent­schei­dung abge­se­hen wer­den. Die­se Mög­lich­keit haben Nie­der­sach­sen und Thü­rin­gen im März und April 2022 für rus­si­sche und bela­rus­si­sche Staatsbürger*innen eröff­net. Ande­re Bun­des­län­der leh­nen ent­spre­chen­de Anträ­ge bis­her ab: Das Bun­des­in­nen­mi­nis­te­ri­um könn­te sie dazu anweisen.

Hier fin­den Sie wei­te­re Infor­ma­tio­nen über die #Object­War­Cam­paign, die sich für den Schutz für Kriegsdienstverweiger*innen und Deserteur*innen aus Russ­land, Bela­rus und Ukrai­ne ein­setzt: https://objectwarcampaign.org

Kon­tak­te für Presseanfragen

Con­nec­tion e.V.: Rudi Fried­rich, 069‑8237 5534, office@Connection-eV.org
EAK: Wolf­gang Burg­graf: 0228–24 999 0, burggraf@eak-online.de
PRO ASYL: 069–232414 30, presse@proasyl.de

Alle Presse­mitteilungen