05.07.2023

Nach­dem die Eini­gung der EU-Innenminister*innen am 8. Juni 2023 über mas­si­ve Ver­schär­fun­gen im EU-Asyl­recht bereits star­ke Kri­tik her­vor­ge­ru­fen hat, war­nen nun 55 Men­schen­rechts- & Kin­der­rechts­or­ga­ni­sa­tio­nen, Wohl­fahrts­ver­bän­de und ent­wick­lungs­po­li­ti­sche Orga­ni­sa­tio­nen davor, dass mit der aktu­ell zwi­schen den Mit­glied­staa­ten dis­ku­tier­ten Ver­ord­nung im Fall von Kri­sen, höhe­rer Gewalt und Instru­men­ta­li­sie­rung die letz­ten ver­blie­be­nen Stan­dards noch unter­gra­ben wer­den sol­len. Die Bun­des­re­gie­rung wird auf­ge­ru­fen, sich gegen die­se Ver­ord­nung zu stel­len und in den Ver­hand­lun­gen im Rat eine kla­re rote Linie zu ziehen.

„Wäh­rend der Poli­tik­be­trieb kurz vor der Som­mer­pau­se steht, wer­den zwi­schen den Mit­glied­staa­ten Vor­schlä­ge ver­han­delt, die die bis­lang beschlos­se­nen Ver­schär­fun­gen noch über­trump­fen“, warnt Wieb­ke Judith, rechts­po­li­ti­sche Spre­che­rin von PRO ASYL. Die mit der Zustim­mung der Bun­des­re­gie­rung bereits getrof­fe­ne Eini­gung eröff­net unter ande­rem mit der Aus­wei­tung „siche­rer Dritt­staa­ten“ die Mög­lich­keit zum Aus­stieg aus dem Flücht­lings­schutz. Die nun dis­ku­tier­ten Vor­schlä­ge für den Fall einer „Instru­men­ta­li­sie­rung von Migra­ti­on“ sind dar­über hin­aus­ge­hend ein Rezept für bru­ta­le Push­backs, wie man sie zum Bei­spiel seit 2021 an der pol­nisch-bela­rus­si­schen Gren­ze sieht. Wer es über­haupt schafft einen Asyl­an­trag zu stel­len, kann für bis zu fünf Mona­te an der Gren­ze inhaf­tiert wer­den. Schon im Nor­mal­fall wer­den in Grenz­ver­fah­ren kei­ne fai­ren Asyl­ver­fah­ren statt­fin­den, je mehr Men­schen an den Außen­gren­zen fest­ge­hal­ten wer­den, des­to kata­stro­pha­ler wird die Situation.

„Dass die Vor­schlä­ge zur Instru­men­ta­li­sie­rung nach ihrem zwi­schen­zeit­li­chen Schei­tern im letz­ten Dezem­ber nun erneut dis­ku­tiert wer­den, ist brand­ge­fähr­lich. Die Bun­des­re­gie­rung muss bei ihrer Posi­ti­on blei­ben und die­se Rücken­de­ckung für mas­si­ve Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen an den Außen­gren­zen strikt ableh­nen! Wür­de sie ihren Koali­ti­ons­ver­trag und die dar­in ent­hal­te­ne Ver­pflich­tung für Men­schen­rech­te und Flücht­lings­schutz in Euro­pa ernst neh­men, so müss­te sie sich aber grund­sätz­lich gegen die Reform stel­len“, for­dert Wieb­ke Judith.

Die gefähr­li­che Ver­ord­nung zu Kri­sen und Instru­men­ta­li­sie­rung wird im Juli unter Hoch­druck verhandelt

Die schwe­di­sche EU-Prä­si­dent­schaft hat­te noch auf den letz­ten Metern ihrer Prä­si­dent­schaft die „Ver­ord­nung für Aus­nah­men im Fal­le von Kri­sen, Instru­men­ta­li­sie­rung und höhe­rer Gewalt“ (Stand 23. Juni 2023) auf den Weg gebracht, nun macht die spa­ni­sche Prä­si­dent­schaft seit Juli unter Hoch­druck mit den Vor­schlä­gen wei­ter. Es sol­len unter ande­rem die Ver­zö­ge­rung von Regis­trie­run­gen, die Ver­län­ge­rung von Grenz­ver­fah­ren – dann für so gut wie alle Grup­pen von Geflüch­te­ten – sowie mas­si­ve Absen­kun­gen bei den Unter­brin­gungs- und Auf­nah­me­stan­dards mög­lich wer­den. Die von der Bun­des­re­gie­rung für die GEAS-Reform gewünsch­ten Aus­nah­men vom Grenz­ver­fah­ren für Kin­der oder ande­re vul­nerable Per­so­nen wären dem Ver­ord­nungs­ent­wurf nach vom Tisch. Auch droht eine Legi­ti­mie­rung der Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen an den Außengrenzen.

Die 55 Orga­ni­sa­tio­nen stel­len gemein­sam fest: „Die Ver­ord­nung für den Fall von Kri­se, Instru­men­ta­li­sie­rung und höhe­rer Gewalt droht an den Außen­gren­zen den schon bestehen­den Aus­nah­me­zu­stand recht­lich zu zemen­tie­ren. Das kön­nen und wol­len wir nicht hin­neh­men. Euro­päi­sches Recht muss wie­der ange­wen­det wer­den – die vor­ge­leg­te Ver­ord­nung ver­biegt aber das Recht und ermög­licht es, das gel­ten­de Recht an den Außen­gren­zen zu brechen.“

Bereits im Dezem­ber 2022 appel­lier­ten 35 Orga­ni­sa­tio­nen an die Bun­des­re­gie­rung, dem dama­li­gen Vor­stoß für eine Instru­men­ta­li­sie­rungs­ver­ord­nung nicht zuzu­stim­men. In ihrem Prio­ri­tä­ten­pa­pier spricht sich die Bun­des­re­gie­rung gegen die Auf­nah­me der Ver­schär­fun­gen im Fall einer Instru­men­ta­li­sie­rung aus. Im Beschluss des Grü­nen Län­der­rats in Bad Vil­bel zur Flücht­lings­po­li­tik steht zudem: „Die Rech­te von Men­schen zu beschnei­den, die durch auto­ri­tä­re Staa­ten instru­men­ta­li­siert wer­den, leh­nen wir ab.“

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