16.07.2014
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Gestern starteten Aktivistinnen der Gruppe „Women in Exile“ in Nürnberg gemeinsam eine Aktionstour, um für die Rechte von Flüchtlingsfrauen in Deutschland zu kämpfen. Das Motto: "Flüchtlingsfrauen werden laut". Wir haben mit Elisabeth Ngari über die Bewegung der Flüchtlingsfrauen in Deutschland gesprochen.

Gemein­sam mit Lie­der­ma­cher Heinz Ratz per Floß von Nürn­berg nach Ber­lin, fast jeden Tag in einer ande­ren Stadt, in einem ande­ren Flücht­lings­la­ger zu Besuch. Ges­tern seid Ihr gestar­tet. Was wollt ihr mit der Tour erreichen?

Wir möch­ten die Pro­ble­me der Frau­en öffent­lich machen. Frau­en haben neben der Resi­denz­pflicht, Arbeits­ver­bo­ten oder ande­ren dis­kri­mi­nie­ren­den Geset­zen vie­le ande­re Pro­ble­me. Aber die Pro­ble­me von Frau­en in Flücht­lings­un­ter­künf­ten – die feh­len­de Pri­vat­sphä­re oder sol­che, die aus der Ver­ant­wor­tung für die Kin­der dort ent­ste­hen, sind kaum bekannt. Vie­le Frau­en haben Angst oder sind nicht so moti­viert, ihre Schwie­rig­kei­ten öffent­lich zu machen.

Was sind das für Schwierigkeiten?

Ges­tern waren wir zum Bei­spiel in einem Heim hier in Nürn­berg. Vie­le Frau­en hier möch­ten selbst kochen. Aber in den Essens­pa­ke­ten sind Din­ge, die sie nicht brau­chen, dafür feh­len ande­re für sie wich­ti­ge Lebens­mit­tel. Das ist ein gro­ßes Pro­blem in Bay­ern. Auch Resi­denz­pflicht ist ein Pro­blem: Eine Frau, die die Tour mit uns machen will, hat gera­de ange­ru­fen. Sie bekommt jetzt doch kei­ne Erlaub­nis, wegen der Resi­denz­pflicht. Es gibt einen Brief von Heinz Ratz an alle Aus­län­der­be­hör­den, in dem er, als Trä­ger der Inte­gra­ti­ons­me­dail­le, dar­um bit­tet, den Frau­en eine Erlaub­nis zu geben. In Ber­lin, Bran­den­burg und Sach­sen-Anhal­ten hat­ten wir damit kei­ne Pro­ble­me. Aber hier in Nürn­berg wur­de das schon abgelehnt.

An euren Sta­tio­nen besucht ihr ver­schie­de­ne Flücht­lings­la­ger. Was ist dabei für Euch wichtig?

Unser Ziel ist es, vie­le Flücht­lings­frau­en zu errei­chen. Wir wol­len uns mit Flücht­lings­frau­en und Unter­stüt­zer­grup­pen in ver­schie­de­nen Orten ver­net­zen, um gemein­sam aus unse­rer Per­spek­ti­ve von Frau­en gegen die dis­kri­mi­nie­ren­den Asyl­ge­set­ze zu kämp­fen. Des­halb wol­len wir an jedem Ort eini­ge Frau­en mit­neh­men. Wir brau­chen die­se Ver­net­zung, damit wir unse­re Situa­ti­on ver­glei­chen und gemein­sam brain­stor­men kön­nen, was wir dage­gen tun kön­nen. Wir leben alle in Deutsch­land, war­um haben wir in Bay­ern ande­re Rech­te als in Brandenburg? 

Außer­dem berich­ten wir in unse­rem Blog über unse­re Erleb­nis­se. So wird eine Bestands­auf­nah­me der Situa­ti­on von Flücht­lings­frau­en in Deutsch­land ent­ste­hen. Die Adres­se: http://www.refugee-women-tour.net/

Abends steht Ihr bei Kon­zer­ten mit Heinz Ratz und sei­ner Band auf der Bühne… 

Ges­tern haben drei von unse­ren Frau­en mit­ge­macht. Das ist gut für unse­re Öffent­lich­keits­ar­beit, weil das zeigt: Frau­en sind nicht nur in Deutsch­land, um zu essen und zu schla­fen. Sie haben auch Talen­te und Fähig­kei­ten. Sie wol­len arbei­ten, sie möch­ten etwas im Leben errei­chen, nicht nur an irgend­ei­nem Ort blei­ben, ohne Arbeit, ohne Bewegungsfreiheit.

Wie kön­nen die Men­schen an Euren Sta­tio­nen Euch unterstützen?

Viel­leicht kön­nen sie bei den Aus­län­der­be­hör­den gegen die Resi­denz­pflicht pro­tes­tie­ren und dort klar machen, dass Frau­en mit ande­ren Flücht­lings­frau­en für die Abschaf­fung der Dis­kri­mi­nie­rung kämp­fen müs­sen. An eini­gen Orten suchen wir immer noch Schlaf­plät­ze. Wir brau­chen auch drin­gend Spen­den. Das Pro­jekt ist ja von Heinz Ratz, wir Flücht­lings­frau­en unter­stüt­zen es. Aber wir müs­sen selbst unse­re Fahrt­kos­ten tra­gen, das Auto bezah­len und das Essen. 

Wir wis­sen nicht, ob wir die gan­ze Floß­tour mit­ma­chen kön­nen, unser Geld reicht für die ers­ten zwei Wochen. Danach wer­den wir sehen, wie vie­le Spen­den wir bekom­men haben und ob wir wei­ter dabei sein können.

Habt ihr an den Flö­ßen mitgebaut?

Wir fah­ren mit, aber mit dem Floß­bau haben wir nichts zu tun. Vie­le von uns Flücht­lings­frau­en haben kei­ne Ahnung, wie man ein Floß baut. (lacht) Aber von unse­ren Unter­stüt­ze­rin­nen, unse­ren „Fri­ends“, hat­ten eini­ge Spaß dar­an, sie und zwei Frau­en haben ein Wochen­en­de mitgeholfen.

Seit wann bist du bei Woman in Exi­le und wie kam es zu die­sem Engagement?

Ich bin jetzt seit 2002 dabei, als wir die Grup­pe gegrün­det haben. Damals habe ich in Prenz­lau gewohnt, wo wir im Heim die­se Dis­kri­mi­nie­run­gen erlebt haben. Vor­her haben wir in einer gemisch­ten Grup­pe gear­bei­tet, aber wir haben erlebt, dass die Pro­ble­me der Frau­en dort nicht dis­ku­tiert, son­dern igno­riert wur­den. Letzt­end­lich wur­de dort nur über Gut­schei­ne und sol­che Din­ge gere­det. Aber wir haben gese­hen, dass es auch Gefah­ren im Heim gibt. Es gibt kei­nen Raum für Kin­der, wenn sie nicht schla­fen kön­nen, kei­ne Pri­vat­sphä­re, kei­ne ver­schließ­ba­ren Duschen. Die­se Pro­ble­me tref­fen Frau­en mehr als Män­ner, dar­um haben wir beschlos­sen, die Dis­kri­mi­nie­rung durch die Asyl­ge­set­ze aus Sicht der Frau­en zu bekämpfen.

Das Inter­view führ­ten wir am 15.7.14.

Auf­ruf „Flücht­lings­frau­en wer­den laut!“

Kon­takt zu Women in Exi­le: info@women-in-exile.net

Wei­te­re Informationen:

http://www.refugee-women-tour.net/ 

http://www.fluchtschiff.de/informationen/

Tour­ter­mi­ne (Kon­zer­te)

 „Das Gefühl ist nack­te Angst“: Inter­view mit der Flücht­lings­ak­ti­vis­tin Eli­sa­beth Nga­ri (02.04.14)