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In der Stadt Szeged werden gegenwärtig Familien mit Kindern in Käfigen eingesperrt, bevor sie in andere Lager gebracht werden. Das Bild stammt von der Wohltätigkeitsorganisation <a href="https://www.facebook.com/ageofhopealapitvany/photos_stream">Age of Hope</a>, die dort Lebensmittel verteilt.

Die Situation von Asylsuchenden ist in Ungarn seit langem menschenunwürdig. Jetzt plant Ungarns Regierung, das Asylrecht nochmals zu verschärfen. Werden die geplanten Reformen umgesetzt, kann von Flüchtlingsschutz im EU-Mitgliedsstaat Ungarn nicht mal mehr formal die Rede sein.

Wacke­li­ge Han­dy­vi­de­os zei­gen auf dem nack­ten Boden lie­gen­de ent­kräf­te­te Men­schen, Poli­zis­ten, die bru­tal an fast leb­lo­sen Kör­pern zer­ren, offe­ne Zel­te mit ein paar Schlaf­sä­cken, davor apa­thisch vor sich hin star­ren­de Flücht­lin­ge, ein offen­bar ver­letz­tes, ver­ängs­tig­tes Kind – Bil­der, mit denen ein syri­scher Flücht­ling Ende Juni die Situa­ti­on an der unga­risch ser­bi­schen Gren­ze dokumentierte.

Nach tage- oder wochen­lan­gen Fuß­mär­schen stran­den hier vor allem syri­sche Flücht­lin­ge. Die meis­ten von ihnen flie­hen über die Tür­kei nach Grie­chen­land. Da Flücht­lin­ge in Grie­chen­land in der Regel im Elend lan­den, ver­su­chen die Betrof­fe­nen wei­ter Rich­tung Zen­tral­eu­ro­pa zu flie­hen. Doch bereits inner­halb Grie­chen­lands sind sie gezwun­gen, wei­te Stre­cken zu Fuß zurück­zu­le­gen: Denn wer in Grie­chen­land Flücht­lin­ge beför­dert – sei­en es Bus­un­ter­neh­men, Taxis oder hilfs­be­rei­te Pri­vat­leu­te – muss mit Stra­fen rechnen.

Ungarn inhaf­tiert Kin­der in Käfigen

Wie  gefähr­lich die von den Flücht­lin­gen oft größ­ten Teils zu Fuß zurück­ge­leg­te Flucht­rou­te von Thes­sa­lo­ni­ki aus über Maze­do­ni­en und Ser­bi­en nach Ungarn ist, belegt auch ein hier zusam­men­ge­fass­ter aktu­el­ler Bericht von Amnes­ty Inter­na­tio­nal, dem zufol­ge Schutz­su­chen­de in Maze­do­ni­en und Ser­bi­en von staat­li­chen Behör­den und kri­mi­nel­len Ban­den miss­han­delt und erpresst werden.

Wer es schließ­lich schafft, die EU-Gren­ze zu Ungarn zu über­que­ren, hat auch hier kei­ne Aus­sicht auf men­schen­wür­di­ge Auf­nah­me. Die unga­ri­sche Wohl­tä­tig­keits­or­ga­ni­sa­ti­on „Age of Hope“ hat jüngst meh­re­re Bil­der ver­öf­fent­licht, die bei Sze­ged in Käfi­gen inhaf­tier­te Fami­li­en mit Kin­dern zei­gen, die dank­bar sind, von der unga­ri­schen NGO immer­hin etwas Nah­rungs­mit­tel zu erhal­ten. Auch in Deutsch­land ange­kom­me­ne Schutz­su­chen­de berich­ten von ernied­ri­gen­der Inhaf­tie­rung in Käfi­gen. Auch die Haft­be­din­gun­gen in den Flücht­lings­ge­fäng­nis­sen wie etwa in Debre­cen, wo auch Fami­li­en inhaf­tiert wer­den, sind menschenunwürdig.

Geset­zes­än­de­rung hebelt Flücht­lings­schutz aus

Auf die zuletzt deut­lich gestie­ge­nen Asyl­an­trags­zah­len reagiert Ungarns rech­te Regie­rung, die der­zeit mit einer groß ange­leg­ten Kam­pa­gne gegen Migran­ten hetzt, mit dem Bau eines vier Meter hohen und 175 Kilo­me­ter lan­gen Zauns an der unga­risch-ser­bi­schen Gren­ze und mit einer Geset­zes­än­de­rung, die Grund­sät­zen des inter­na­tio­na­len Flücht­lings­rechts wider­spricht. So sol­len Asyl­an­trä­ge von Flücht­lin­gen in Schnell­ver­fah­ren bear­bei­tet wer­den, die über angeb­lich „siche­re“ Tran­sit­län­der nach Ungarn ein­ge­reist sind. Dazu rech­net Ungarn vor allem Ser­bi­en – einen Staat, der nur über ein rudi­men­tä­res, für Schutz­su­chen­de kaum zugäng­li­ches Schutz­sys­tem ver­fügt,  und der, wie unter ande­rem der aktu­el­le Amnes­ty-Bericht zeigt, für Flücht­lin­ge alles ande­re als sicher ist.

Die Fol­ge wären Abschie­bun­gen z.b. von schutz­be­dürf­ti­gen syri­schen und afgha­ni­schen Flücht­lin­gen nach Ser­bi­en. Von 2010 bis 2012 hat­te Ungarn bereits Flücht­lin­ge völ­ker­rechts­wid­rig nach Ser­bi­en abge­scho­ben, was zu schar­fer Kri­tik der EU-Kom­mis­si­on führ­te. Es ist zu befürch­ten, dass Ungarn die­se Pra­xis jetzt wie­der auf­nimmt. Abschie­bun­gen nach Ser­bi­en sind ein ekla­tan­ter Ver­stoß gegen das Herz­stück des inter­na­tio­na­len Flücht­lings­rechts – das Non-Refou­le­ment-Gebot der Gen­fer Flücht­lings­kon­ven­ti­on und der Euro­päi­schen Menschenrechtskonvention.

Schar­fe Kri­tik von UNHCR und Euro­pas Menschenrechtskommissar

Auf die Rechts­ver­schär­fung hat UNHCR bereits im Vor­feld mit schar­fer Kri­tik reagiert: Das Gesetz umfas­se Schnell­ver­fah­ren ohne die gebo­te­ne Sorg­falt, Rück­schie­bun­gen von Flücht­lin­gen in Staa­ten, die für sie nicht sicher sein könn­ten sowie die Mög­lich­keit ver­län­ger­ter Haft für Asyl­su­chen­de ein­schließ­lich von Frau­en, Kin­dern und beson­ders schutz­be­dürf­ti­gen Menschen.

Dies habe „ver­hee­ren­de Aus­wir­kun­gen auf Tau­sen­de Men­schen, die in Ungarn Schutz suchen“, so die UNHCR-Reprä­sen­tan­tin für Zen­tral­eu­ro­pa, Monts­er­rat Feix­as Vihé. Schon vor der schließ­lich im Par­la­ment ver­ab­schie­de­ten Geset­zes­än­de­rung sei das unga­ri­sche Asyl-Sys­tem immer restrik­ti­ver gewor­den. „Wir befürch­ten, dass die Men­schen, die vor Krieg und Ver­fol­gung flie­hen, durch die Geset­zes­än­de­run­gen kei­ne Sicher­heit in die­sem Land fin­den wer­den“. Auch Euro­pas Men­schen­rechts­kom­mis­sar Nils Muiž­nieks kri­ti­sier­te Ungarns Geset­zes­än­de­rung scharf.

Deutsch­land plant mehr Abschie­bun­gen nach Ungarn

Des­sen unge­ach­tet steigt die Zahl der soge­nann­ten Über­nah­me­ersu­chen von Deutsch­land nach Ungarn an. Im Gesamt­jahr 2014 stell­te Deutsch­land 3.913 Anfra­gen Über­nah­me­ersu­chen an Ungarn, um Abschie­bun­gen auf der Grund­la­ge der Dub­lin-Ver­ord­nung nach Ungarn ein­zu­lei­ten. Im ers­ten Quar­tal 2015 stell­te Deutsch­land bereits 2.952 Über­nah­me­ersu­che nach Ungarn.

Zwar liegt  die Zahl der tat­säch­lich erfolg­ten Abschie­bun­gen von Deutsch­land nach Ungarn weit unter der Zahl der die Abschie­bung vor­be­rei­ten­den Über­nah­me­ersu­chen: 2014 waren es 827 Per­so­nen, im ers­ten Quar­tal 2015 42 Per­so­nen, die tat­säch­lich von Deutsch­land nach Ungarn abge­scho­ben wur­den. Doch jede ein­zel­ne der erfolg­ten Abschie­bun­gen setzt einen Flücht­ling einem sehr hohen Risi­ko aus, in Ungarn in Haft oder obdach­los auf der Stra­ße zu lan­den, wo vie­le Betrof­fe­ne Opfer ras­sis­ti­scher Angrif­fe werden.

Ungarn: Pro­test gegen Dub­lin III auf dem Rücken von Schutzsuchenden.

Wie vie­le EU-Rand­staa­ten wehrt sich Ungarn gegen die Dub­lin-III-Ver­ord­nung, die vor­sieht, dass Flücht­lin­ge in jenen EU-Staa­ten ihr Asyl­ver­fah­ren durch­lau­fen und Auf­nah­me fin­den müs­sen, in denen sie erst­mals EU-Boden betra­ten – und die des­halb die Ver­ant­wor­tung für den Flücht­lings­schutz struk­tu­rell auf die EU-Rand­staa­ten abschiebt.

Als die EU-Kom­mis­si­on und eini­ge EU-Staa­ten jüngst ver­such­ten, unter den Mit­glied­staa­ten durch­zu­set­zen, dass zumin­dest Ita­li­en und Grie­chen­land – mini­mal – durch die „Relo­ca­ti­on“ von 40.000 Schutz­su­chen­den aus den bei­den Staa­ten in ande­re EU-Staa­ten ent­las­tet wer­den sol­len, mach­te Ungarn auf die dort gestie­ge­nen Asyl­an­trags­zah­len auf­merk­sam: „Alle schau­en nur auf das Mit­tel­meer. Dabei kom­men über die Bal­kan­rou­te viel mehr Immi­gran­ten nach Euro­pa“, so Ungarns Minis­ter­prä­si­dent Orban, der dar­auf­hin unter der Paro­le „Das Boot ist voll“ den Zaun­bau ankün­dig­te sowie den Aus­stieg aus dem Dublin-System.

Letz­te­res muss­te Orban auf Druck der EU und der ande­ren Mit­glied­staa­ten schon einen Tag spä­ter revi­die­ren. Denn  die haben gro­ßes Inter­es­se dar­an, dass Schutz­su­chen­de wei­ter­hin in Ungarn ver­blei­ben müs­sen oder wie­der dort­hin zurück­ge­scho­ben wer­den kön­nen – und sei der Umgang mit Schutz­su­chen­den dort noch so unmenschlich.

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