07.02.2022

Eine Anwäl­tin und ein Anwalt haben mit Unter­stüt­zung von PRO ASYL heu­te Untä­tig­keits­kla­gen gegen die Bun­des­re­gie­rung ein­ge­reicht. Die­se muss frü­he­re Mit­ar­bei­ter eines GIZ-Poli­zei­pro­jekts als Orts­kräf­te aner­ken­nen und ihnen eine Auf­nah­me zusa­gen, for­dern sie.

Die Anwält*innen Mat­thi­as Leh­nert und Susan­ne Gies­ler gehen juris­tisch gegen die Untä­tig­keit der Bun­des­re­gie­rung vor, die frü­he­re Mit­ar­bei­ter eines GIZ-Poli­zei­pro­jekts auf­grund der spe­zi­el­len Ver­trags­ver­hält­nis­se nicht als Orts­kräf­te schützt. Sie ver­tre­ten mit Unter­stüt­zung von PRO ASYL meh­re­re afgha­ni­sche Klä­ger aus die­ser Per­so­nen­grup­pe vor Gericht. Heu­te haben sie vor dem Ver­wal­tungs­ge­richt Ber­lin Kla­gen auf Ertei­lung von Visa durch das Aus­wär­ti­ge Amt eingereicht.

Die Klä­ger führ­ten Schu­lun­gen für afgha­ni­sche Polizist*innen durch und arbei­te­ten dabei nach Vor­ga­ben der GIZ. Nach der Macht­er­grei­fung durch die Tali­ban sind sie durch die­se Tätig­keit in größ­ter Gefahr, da sie als Spio­ne des Wes­tens ange­se­hen und von den Tali­ban bedroht und ver­folgt wer­den. „Deutsch­land hat eine Schutz­pflicht gegen­über Per­so­nen, die im deut­schen Auf­trag in Afgha­ni­stan tätig waren“, erklärt Rechts­an­walt Mat­thi­as Leh­nert. „Häu­fig wird sug­ge­riert, dass es sich dabei um einen huma­ni­tä­ren Gna­den­akt han­delt. Aber das stimmt nicht, wir reden hier von ver­fas­sungs­recht­li­chen Schutz­pflich­ten. Denn die Ver­fol­gung der ehe­ma­li­gen Orts­kräf­te durch die Tali­ban ist Deutsch­land zure­chen­bar. Für die Klä­ger besteht Gefahr für Leib und Leben auf­grund ihrer Tätig­keit für deut­sche Ein­rich­tun­gen.“ Des­halb kla­gen Leh­nert und Gies­ler auf eine Auf­nah­me­zu­sa­ge und Visa nach §22 oder §23 Auf­ent­halts­ge­setz für die ehe­ma­li­gen Orts­kräf­te und ihre Familien.

„Die­se Kla­ge ist ein ver­zwei­fel­ter Hil­fe­ruf. Die Bedroh­ten war­ten seit Mona­ten auf Ant­wor­ten auf ihre Gefähr­dungs­an­zei­ge. PRO ASYL appel­liert an die neue Bun­des­re­gie­rung, hier sofort zu han­deln „, ergänzt Gün­ter Burk­hardt, Geschäfts­füh­rer von PRO ASYL. „Die Müh­len der Jus­tiz mah­len lang­sam. Bis es zu einem Urteil kommt, könn­ten die Män­ner, um die es geht, bereits tot sein.“ Umso wich­ti­ger sei es, dass die Ampel-Koali­ti­on ihre Zusa­gen aus dem Koali­ti­ons­ver­trag und dem Akti­ons­plan Afgha­ni­stan nun umge­hend in die Tat umsetze.

Klä­ger leben ver­steckt – bedroht von den Tali­ban und einer Hungersnot

Die Klä­ger haben Droh­brie­fe der Tali­ban erhal­ten, sie wur­den zum Teil miss­han­delt und erpresst, ihre Häu­ser durch­sucht, Fami­li­en­mit­glie­der ermor­det oder ent­führt mit dem Hin­weis, man las­se sie erst wie­der frei, wenn die ehe­ma­li­ge Orts­kraft sich stel­le. Die Klä­ger sahen sich auf­grund die­ser mas­si­ven Bedro­hung gezwun­gen, ihre Häu­ser zu ver­las­sen. Sie leben nun ver­steckt und zum Teil völ­lig iso­liert, was zudem die Gefahr mit sich bringt, dass sie sich und ihre Fami­li­en nicht mehr aus­rei­chend ver­sor­gen kön­nen. Bereits im August haben sie Gefähr­dungs­an­zei­gen bei GIZ, BMZ oder dem Aus­wär­ti­gen Amt gestellt – und bis­her immer noch kei­ne posi­ti­ve Ant­wort erhal­ten. In höchs­ter Ver­zweif­lung haben sie sich an PRO ASYL und ande­re Men­schen­rechts­or­ga­ni­sa­tio­nen gewandt.

Da auf­grund der aku­ten Gefahr für die Klä­ge­rin­nen und Klä­ger ein Eil­rechts­schutz gestellt wur­de, ist davon aus­zu­ge­hen, dass die Rich­te­rin­nen und Rich­ter in zwei bis drei Mona­ten ent­schei­den wer­den. PRO ASYL appel­liert der­weil an die neue Bun­des­re­gie­rung, den Gefähr­de­ten unab­hän­gig vom Aus­gang des Ver­fah­rens schon jetzt eine Auf­nah­me­zu­sa­ge zu ertei­len. „Es ist kei­ne Zeit mehr zu ver­lie­ren“, sagt Burk­hardt. „Wir erwar­ten, dass sich Außen­mi­nis­te­rin Baer­bock, Innen­mi­nis­te­rin Fae­ser und Ent­wick­lungs­mi­nis­te­rin Schul­ze schnell auf eine Auf­nah­me der Klä­ger und ande­rer Orts­kräf­te aus die­ser bedroh­ten Per­so­nen­grup­pe verständigen.“

Ihre Tätig­keit – die Aus­bil­dung von afgha­ni­schen Poli­zis­ten – fand statt als Koope­ra­ti­ons­pro­jekt zwi­schen dem afgha­ni­schen Innen­mi­nis­te­ri­um und der GIZ. Seit dem Pro­jekt­start 2014 waren laut einer GIZ-Spre­che­rin rund 3000 Per­so­nen ein­ge­setzt wor­den, der aller­größ­te Teil als Einzelgutachter*innen. Auf­grund die­ses Ver­trags­ver­hält­nis­ses schei­nen sie nicht als GIZ-Ange­stell­te zu zäh­len und sind bis­her nicht für die Auf­nah­me als Orts­kräf­te vor­ge­se­hen – obwohl vie­le von ihnen die Beschäf­ti­gung über Jah­re hin­weg ausübten.

Mehr Details zu den Kla­gen kön­nen Sie hier im PRO ASYL-Inter­view mit RA Mat­thi­as Leh­nert lesen.

Bei Rück­fra­gen juris­ti­scher Art steht Ihnen RA Leh­nert zur Ver­fü­gung: lehnert@aufenthaltsrecht.net; Tel.: 0341 – 978 543 12.

Bei Fra­gen poli­ti­scher Natur wen­den Sie sich bit­te an Gün­ter Burk­hardt, zu errei­chen über die Pres­se­stel­le von PRO ASYL: presse@proasyl.de; Tel.: 069 – 2423 1430.

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