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Drei Jahre Notfalllösungen: Aufnahmekrise in Nordgriechenland
Im August 2018 und Anfang 2019 führten die Mitarbeiter*innen von PRO ASYL / Refugee Support Aegean (RSA) Interviews mit Geflüchteten in fünf Flüchtlingslagern in Nord- und Mittelgriechenland durch. Die Studie macht deutlich, dass es der griechischen Regierung weiterhin nicht gelungen ist, zu mittel- oder langfristigen Lösungen zu finden.
Nicht nur auf den griechischen Inseln ist die Lage für Geflüchtete katastrophal. PRO ASYL und Refugee Support Aegean veröffentlichen eine Studie zur Aufnahmesituation in den Flüchtlingslagern in Nordgriechenland.
Im dritten Jahr in Folge war der Bedarf an Unterbringungsmöglichkeiten höher als von der griechischen Regierung angenommen. Im März 2019 waren 20.000 Menschen in 28 Festlandlagern untergebracht – bis heute haben nur drei der Lager eine entsprechende Rechtsgrundlage. Lager, die 2017 aufgrund ihrer schlechten Bedingungen ihren Betrieb eingestellt haben, wurden im Frühjahr 2018 wieder eröffnet. Dennoch hält die Überbelegung an: Regelmäßig müssen Schutzsuchende in Zelten untergebracht werden. Im Winter werden spontan Hotels angemietet, anscheinend ohne die geringste Vorstellung, was danach kommt.
Die Art der Unterbringung unterscheidet sich auch innerhalb eines Lagers stark. In der angespannten Situation nährt das Streitigkeiten unter den Bewohner*innen. Immer wieder bricht Protest aus um auf die Umstände aufmerksam zu machen. Die Spannungen sind besonders für vulnerable Gruppen eine große Belastung. Die mangelhaften Aufnahmebedingungen verschlechtern die körperliche und geistige Gesundheit der Schutzsuchenden weiter.
»Einige Leute sagten uns, wir sollten ins Diavata-Camp gehen und uns dort anmelden. Am zweiten Tag wurden wir zur Polizei geschickt und wurden dort registriert. Wir erhielten ein weißes Papier, das für 180 Tage gültig war. Zurück in Diavata sagten sie uns, wir sollten ins Lager Vaghiochori gehen – alleine. Zwei Nächte lang schliefen wir in einem Steingebäude in Diavata auf dem Boden.«
Raus aus der Obdachlosigkeit, raus in die Obdachlosigkeit?
Anfang des Jahres forderte das Ministerium für Migrationspolitik anerkannte Flüchtlinge auf, die Festlandlager zu verlassen – auch, um so Kapazitäten für Schutzsuchende im laufenden Asylverfahren zu schaffen. Ein Nullsummenspiel, das die Gefahr von Obdachlosigkeit und Elend lediglich verschiebt.
Die schlechten Bedingungen in den griechischen Festlandlagern und die Perspektivlosigkeit von anerkannten Flüchtlingen machen deutlich, wie dringend es eine langfristige Strategie braucht, die Schutzsuchende als aktive Mitglieder in der lokalen Gesellschaft mit einbezieht.
»Ich will nicht auf die Hilfe des Staates angewiesen sein, sondern auf meinen eigenen Füßen stehen. Aber wenn sie die Hilfe, die wir jetzt haben, kürzen würden, wären wir obdachlos; es gibt keinen Ort an den wir gehen können (…) Jetzt wollen sie uns rauswerfen, weil wir Asyl haben. Aber in dem abgelegenen Camp hatten wir nie eine Chance, die Sprache zu lernen und uns zu integrieren.«
Verstärkte Bemühungen anderer EU-Staaten wie Deutschland, anerkannte Flüchtlinge und Asylbewerber*innen unter der Dublin-Verordnung oder rechtswidrigen, bilateralen Abkommen nach Griechenland zurückzuführen, ignorieren die systemischen Mängel im griechischen Aufnahmesystem und ihre Auswirkungen auf schutzbedürftige Flüchtlinge und Asylbewerber*innen.
Keine Überstellungen nach Griechenland!
PRO ASYL/ RSA halten an ihrer Forderung fest, Dublin-Überstellungen nach Griechenland einzustellen und fordern zudem die EU-Mitgliedstaaten auf, anerkannte Flüchtlinge nicht nach Griechenland abzuschieben.
Die vorliegende Studie ergänzt eine frühere Studie von PRO ASYL und RSA aus dem Frühjahr 2018, in der die Aufnahmebedingungen in Lagern in der Region Attika dokumentiert werden. Die vollständigen Informationen sind auf der Website von RSA zusammengestellt.