01.02.2019

Das »Geord­ne­te-Rück­kehr-Gesetz« igno­riert rechts­staat­li­che Grundsätze

Heu­te wur­de der Refe­ren­ten­ent­wurf des Bun­des­in­nen­mi­nis­te­ri­ums (BMI) bekannt, der bis­lang noch nicht mit den ande­ren Minis­te­ri­en abge­spro­chen ist. Der Ent­wurf bricht rechts­staat­li­che Grund­sät­ze: Vor­aus­set­zun­gen für eine Inhaf­tie­rung wie die rich­ter­li­che Anord­nung oder der Nach­weis eines Haft­grun­des wer­den igno­riert. Abge­lehn­te Asyl­be­wer­be­rIn­nen, die nie eine Straf­tat began­gen haben, wer­den wie Straf­tä­te­rIn­nen behan­delt. Und schließ­lich sol­len die lang erstrit­te­nen – in der Pra­xis ohne­hin restrik­tiv gehand­hab­ten – Blei­be­rechts­mög­lich­kei­ten für Gedul­de­te ver­sperrt werden.

Der Gesetz­ent­wurf des BMI ist inhu­man und mit dem rechts­staat­li­chen Ver­hält­nis­mä­ßig­keits­grund­satz nicht in Ein­klang zu bringen.

Ers­te Bewer­tung des »Ent­wurfs eines Zwei­ten Geset­zes zur bes­se­ren Durch­set­zung der Aus­rei­se­pflicht (Geord­ne­te-Rück­kehr-Gesetz)«

Haft ohne Richter

Das Grund­ge­setz schreibt klar vor: »Über die Zuläs­sig­keit und Fort­dau­er einer Frei­heits­ent­zie­hung hat nur der Rich­ter zu ent­schei­den« (Art. 104 Abs. 2 S. 1 GG). Der Ent­wurf aber igno­riert die­sen his­to­risch gewach­se­nen, zwin­gend anzu­wen­den­den Rich­ter­vor­be­halt. Im Flug­ha­fen oder in einer nahe gele­ge­nen Unter­kunft soll eine Inhaf­tie­rung bis zu 10 Tagen mög­lich sein, ohne dass ein Gericht dar­über ent­schei­det (Ent­wurf zu § 62b Auf­enthG). Statt des bis­her unter bestimm­ten Vor­aus­set­zun­gen bis zu 10-tägi­gen mög­li­chen Aus­rei­se­ge­wahr­sams, der selbst­ver­ständ­lich eine rich­ter­li­che Anord­nung erfor­dert, will man die­se Anfor­de­run­gen nun umge­hen, indem man die Neu­re­ge­lung ein­fach in »Rei­se­be­schrän­kung in das Inland« umbenennt.

Noch deut­li­cher wird die Igno­ranz die­ser rechts­staat­li­chen Vor­ga­ben, wenn in dem Ent­wurf des § 58 Auf­enthG zur Abschie­bung hin­zu­ge­fügt wird, dass die abzu­schie­ben­de Behör­de den Aus­län­der zum Flug­ha­fen oder Grenz­über­gang ver­brin­gen und (ohne Über­nach­tung) fest­hal­ten darf, »ohne dass es einer rich­ter­li­chen Anord­nung bedarf«.

Exzes­si­ve Erwei­te­rung der Haftgründe

Eben­falls klar muss sein, dass für eine Inhaf­tie­rung über­haupt ein Grund vor­lie­gen muss, der die­ser Per­son nach­ge­wie­sen wird. Der Ent­wurf benennt als einen Grund die Flucht­ge­fahr und führt dann Fall­grup­pen auf, wann genau »wider­leg­lich ver­mu­tet« wird, wann die­se Gefahr vor­lie­gen soll (Ent­wurf zu § 62 Abs. 3 Auf­enthG). Die­se Ver­mu­tungs­re­ge­lung führt aber dazu, dass nicht die Behör­de das Vor­lie­gen der Gefahr, son­dern der/die Betrof­fe­ne das Nicht-Vor­lie­gen einer etwa­igen Gefahr nach­wei­sen muss – eine Beweis­last­um­kehr, die haft­recht­li­chen Grund­prin­zi­pi­en widerspricht.

Schließ­lich wer­den wei­te­re kon­kre­te Anhalts­punk­te für eine Flucht­ge­fahr benannt, die sogar die die Ein­rei­se aus einem EU-Mit­glied­staat umfasst (Nr. 6). Das bedeu­tet: Jemand, der gera­de wegen der rechts­wid­ri­gen Umstän­de aus Ungarn oder Grie­chen­land flieht, kann hier wie­der in Haft genom­men wer­den. Die Punk­te gehen sogar so weit, dass jemand fest­ge­setzt wer­den kann, der nicht zu einer Rück­kehr­be­ra­tung gegan­gen ist (Nr. 7).

Abschie­bungs­haft mit Straf­haft vermischt

Abschie­bungs­haft ist kei­ne Straf­haft. Genau aus die­sem Grund gilt das Tren­nungs­ge­bot von Straf- und Abschie­bungs­haft, die Betrof­fe­nen dür­fen grund­sätz­lich nicht in Ein­rich­tun­gen der Straf­haft unter­ge­bracht wer­den. Jemand, der in Abschie­bungs­haft genom­men wird, muss nicht ein­mal jemals einer Straf­tat ver­däch­tigt gewe­sen sein oder als Gefähr­dung für die öffent­li­che Sicher­heit gel­ten. Das Tren­nungs­ge­bot gilt nach der euro­pa­recht­li­chen Rück­füh­rungs­richt­li­nie (Art. 16 RL 2008/115/EG) und auch das deut­sche Recht hat es der­zeit im § 62a Abs. 1 Auf­enthG umge­setzt. Das Bun­des­in­nen­mi­nis­te­ri­um will der­zeit die­sen Absatz strei­chen und sich so sei­ner Ver­pflich­tung entziehen.

Aus­gren­zen­de »Dul­dung light«

Wäh­rend die Gro­ße Koali­ti­on in der aktu­el­len Debat­te zur Fach­kräf­te­ein­wan­de­rung die Stär­kung der Gedul­de­ten bewirbt, geht nun das Bun­des­in­nen­mi­nis­te­ri­um den umge­kehr­ten Weg: Neu ein­ge­führt wer­den soll eine »Beschei­ni­gung über die voll­zieh­ba­re Aus­rei­se­pflicht«, die eine Dul­dung zwei­ter Klas­se ist (Ent­wurf zu § 62b Auf­enthG). Wer sie erhält, darf ins­be­son­de­re nicht mehr arbei­ten oder eine Aus­bil­dung aufnehmen.

Eine Dul­dung wird erteilt, wenn die Abschie­bung aus tat­säch­li­chen oder recht­li­chen Grün­den unmög­lich ist. Der Refe­ren­ten­ent­wurf will nun die Dul­dung ver­wei­gern, wenn die Unmög­lich­keit der Per­son »zuzu­rech­nen« ist, bei­spiels­wei­se weil »er kei­ne Rei­se­do­ku­men­te vor­legt« oder Pass­be­schaf­fungs­pflich­ten nicht erfüllt. Die Pra­xis zeigt aber: Oft wird will­kür­lich und für die Betrof­fe­nen nicht abseh­bar feh­len­de Mit­wir­kung zu Pass­be­schaf­fungs­pflich­ten vor­ge­wor­fen. Dabei gibt es etli­che Pro­ble­me: Z.B. erhal­ten afgha­ni­sche Staats­an­ge­hö­ri­ge, die lan­ge im Iran gelebt haben, kei­ne Papie­re mehr oder soma­li­sche Doku­men­te wer­den staat­li­cher­seits nicht aner­kannt. Abge­scho­ben wer­den kön­nen sie dann nicht, sol­len aber hier mit etli­chen Sank­tio­nen bestraft werden.

Staats­an­ge­hö­ri­ge aus »siche­ren Her­kunfts­staa­ten« sol­len per se kei­ne Dul­dung mehr erhal­ten – vom per­sön­li­chen Ver­hal­ten der/des Betrof­fe­nen ist die­se Ver­wei­ge­rung dann über­haupt nicht mehr abhän­gig. Der Mensch wird allein auf­grund der Natio­na­li­tät dis­kri­mi­niert und mit Sank­tio­nen belegt.

Schon 2015 und 2016/2017 gab es ähn­li­che Vor­schlä­ge von der CSU, die aus guten Grün­den kei­ne Mehr­heit fan­den. Die »Dul­dung light« schei­ter­te zu Recht.

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