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Bulgariens Asylsystem auf dem Prüfstand: EU-Kommission mahnt dringende Verbesserungen an
Die EU-Kommission ist unzufrieden mit den halbherzigen Bemühungen der bulgarischen Regierung, das desolate Asylsystem des Landes wenigstens an EU-Mindeststandards anzugleichen. In einem Brief an den stellvertretenden bulgarischen Innenminister und die Leiterin der staatlichen Agentur für Flüchtlinge findet ein hoher EU-Beamter deutliche Worte.
Das Asylsystem in Bulgarien sei noch immer sehr mangelhaft und umfangreiche Verbesserungen seien dringend erforderlich, so der Mitarbeiter der Generaldirektion Migration und Inneres in seinem Brandbrief. Das PRO ASYL vorliegende, englischsprachige Dokument listet systematisch grobe Mängel im bulgarischen Asylsystem auf und kritisiert vor allem die schleppende Implementierung vieler bereits angemahnter Verbesserungen. Das Schreiben nimmt vor allem auf die AIDA-Länderberichte (Asylum Information Database) zu Bulgarien Bezug und liefert wichtige Erkenntnisse bei drohenden Dublin-Überstellungen nach Bulgarien.
Abschiebestopp nach Bulgarien!
Obwohl unter anderem PRO ASYL seit Jahren immer wieder auf den menschenverachtenden Umgang mit Flüchtlingen in Bulgarien aufmerksam macht, Schutzsuchende von unmenschlicher und erniedrigender Behandlung bis hin zu Folter berichten und alle irregulär einreisenden Personen in Bulgarien systematisch inhaftiert werden, gibt es nach wie vor keinen offiziellen Abschiebestopp in das Balkanland. Auch deutsche Verwaltungsgerichte verhindern immer wieder Überstellungen von Asylsuchenden und anerkannten Flüchtlingen nach Bulgarien mit Hinweis auf die ihnen dort drohende unmenschliche existenzbedrohende Behandlung. Im ersten und zweiten Quartal 2017 wurden dennoch 69 Menschen im Rahmen der Dublin-Verordnung aus Deutschland nach Bulgarien überstellt. Dies geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage mehrerer Abgeordneter der LINKEN vom 28. August 2017 hervor.
Schutz von Minderjährigen unzureichend
In dem oben genannten Schreiben kritisiert der EU-Beamte vor allem die Unterbringung und den unzureichenden Schutz unbegleiteter Minderjähriger durch die bulgarischen Behörden: Die Plätze in speziellen Unterkünften seien nicht ausreichend und die adäquate Betreuung durch professionelle Sozialarbeiter sei nicht sichergestellt. Auch die Unterbringung von Minderjährigen in separaten Abschnitten gemeinsam mit Erwachsenen werde dem Vorrang des Kindeswohls nicht gerecht und biete keinen ausreichenden Schutz. Generell seien die Bedingungen in den Aufnahmezentren schlecht, vor allem die Verfahren zur Identifizierung besonders schutzbedürftiger Personen funktionierten in der Praxis nicht.
Systematische Inhaftierung verstößt gegen EU-Recht
Auch die systematische Inhaftierung von Flüchtlingen widerspreche der EU-Richtlinie über die Aufnahmebedingungen für Schutzsuchende, so die Kritik. Die Gesundheitsversorgung in den Haftanstalten sei unzureichend. In der geschlossenen Haftanstalt Busmantsi in der Nähe der Hauptstadt Sofia beispielsweise sei nur ein einziger Arzt für alle dort inhaftierten Asylsuchenden zuständig und nur ein- oder zweimal pro Woche vor Ort. Auch hätten die Inhaftierten kaum Zugang zu rechtlicher Beratung und wenn, fehlten häufig die Dolmetscher. Gäbe es keine Nicht-Regierungsorganisationen, die einspringen, hätten die Inhaftierten kaum die Möglichkeit, Rechtsmittel einzulegen, so die Kritik der EU.
Auffallend geringe Anerkennungsquote afghanischer Schutzsuchender
Kritisch kommentiert die Kommission auch die bulgarische Anerkennungspraxis afghanischer Schutzsuchender. Während deren Anerkennungsquote im EU-Durchschnitt im Jahr 2016 bei 56 Prozent lag, erhielten in Bulgarien nur 2,5 Prozent aller afghanischen Antragssteller Schutz. Der EU-Beamte stellt in diesem Zusammenhang klar, dass jeder Asylantrag individuell und aufgrund aktueller und verlässlicher Herkunftslandinformationen entschieden werden muss und keineswegs allein aufgrund nationaler Zugehörigkeit.
mfe/mlj