25.08.2017
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Wieder daneben: Mit einem Zwischenbericht sollte das Auswärtige Amt die Lage in Afghanistan beurteilen. Das Ergebnis ist erneut unzureichend.

Abschiebungen nach Afghanistan sollen für bestimmte Personengruppen möglich bleiben. Entscheidungen über Asylanträge von Afghan*innen sollen wieder getroffen werden. Das Bundesamt für Migration & Flüchtlinge (BAMF) hat seine Herkunftsländerleitsätze zu Afghanistan überarbeitet. All das passiert ohne ausreichende Entscheidungsgrundlage!

Das Aus­wär­ti­ge Amt (AA) soll­te nach dem schwe­ren Spreng­stoff­an­schlag in Kabul Ende Mai die Sicher­heits­si­tua­ti­on in Afgha­ni­stan neu bewer­ten. Das Ergeb­nis – eine her­be Ent­täu­schung. Das AA ver­fehlt das The­ma, es lie­fert kei­ne brauch­ba­ren Informationen.

Das Außen­amt hat die Auf­ga­be, den Mitarbeiter*innen des BAMF, den Asyl­be­hör­den und den Gerich­ten Infor­ma­tio­nen zu geben, die Ent­schei­dun­gen über Asyl­an­trä­ge und Abschie­bun­gen ermög­li­chen. Dafür gibt es für alle wesent­li­chen Her­kunfts­län­der einen Lage­be­richt. Des­we­gen wird ein sol­cher Bericht auch »Bericht über die asyl- und abschie­bungs­re­le­van­te Lage« genannt. Erfor­der­lich sind also kon­kre­te Beschrei­bun­gen der tat­säch­li­chen Situa­ti­on vor Ort. Doch die neue »Lage­be­ur­tei­lung für Afgha­ni­stan« des AA wird die­ser Auf­ga­be nicht gerecht.

Keine Nachweise für »sichere Regionen«

Erwar­tet wur­den z.B. Nach­wei­se für die Behaup­tung, die in den BAMF-Beschei­den immer wie­der zu fin­den ist – dass eine inlän­di­sche Flucht­al­ter­na­ti­ve, also eine Schutz­mög­lich­keit inner­halb Afgha­ni­stans zu fin­den sei. Die­se Flucht­al­ter­na­ti­ve muss »zumut­bar« und »erreich­bar« sein. Erwar­tet wur­den Nach­wei­se, dass das AA kon­kre­te siche­re Regio­nen für bestimm­te Per­so­nen­grup­pen beschreibt, wenn es sie denn geben soll­te. Erwar­tet wur­de, dass das Außen­amt sich die­ser Ver­ant­wor­tung stellt. Die­se berech­tig­ten Erwar­tun­gen blei­ben unerfüllt.

Rich­ti­ger­wei­se ist es das AA selbst, dass von umge­rech­net täg­lich 61 toten oder ver­letz­ten afgha­ni­schen Sicher­heits­kräf­ten spricht, von der Aus­brei­tung des Ein­flus­ses der Tali­ban, von der hohen Opfer­zahl unter der zivi­len Bevöl­ke­rung sowie vom beschränk­ten Ein­fluss der Regie­rung auf loka­le Macht­ha­ber und macht­miss­brau­chen­de Kommandeure.

Bericht bleibt völlig unkonkret

Wo es dann aber kon­kret wer­den müss­te, heißt es nur, eine Beur­tei­lung hän­ge von den Umstän­den des Ein­zel­fal­les ab. Zu berück­sich­ti­gen sei­en neben den ört­lich herr­schen­den Macht­ge­fü­gen bei­spiels­wei­se Eth­nie, Stamm, Kon­fes­si­on und Her­kunft. Ein guter Ein­lei­tungs­satz – mehr aber auch nicht.

Wie sind denn die regio­na­len Macht­ver­hält­nis­se? Wer kann sich denn kon­kret als Ange­hö­ri­ger einer bestimm­ten Eth­nie, vor dem Hin­ter­grund einer bestimm­ten Her­kunft, der Zuge­hö­rig­keit zu einem bestimm­ten Stamm und ande­rer sozia­ler Merk­ma­le wo nie­der­las­sen? Wo gibt es über­haupt die Mög­lich­keit einer zumut­ba­ren Flucht­al­ter­na­ti­ve mit der Mög­lich­keit des Lebens­un­ter­halts, Unter­kunft und medi­zi­ni­scher Versorgung?

Wie soll man zu ande­ren Orten gelan­gen, wenn die Tali­ban wich­ti­ge Über­land­stra­ßen blo­ckie­ren – wie selbst das Aus­wär­ti­ge Amt zuge­ben muss? Kon­kre­te Ant­wor­ten auf die­se Fra­gen ent­hält der Bericht nicht.

Eine aus­führ­li­che Ana­ly­se zur Lage­be­ur­tei­lung fin­det sich hier. Dies schließt sowohl den Zwi­schen­be­richt als auf den Lage­be­richt aus Okto­ber 2016 mit ein. Die Anmer­kung zu Letz­te­rem ent­hält hilf­rei­che Infor­ma­tio­nen und Quel­len zur Aus­ein­an­der­set­zung mit den Aus­sa­gen des Aus­wär­ti­gen Amtes.

Neuer Lagebericht im Oktober

Im Okto­ber wird es tur­nus­ge­mäß einen neu­en Lage­be­richt geben. Bis dahin muss das AA nach­bes­sern: Gefor­dert ist ein Doku­ment, das sei­nen Titel »Bericht über die asyl- und abschie­bungs­re­le­van­te Lage« verdient.

Denn – um es mit den Wor­ten des höchs­ten deut­schen Gerich­tes zu sagen: »…gera­de den Aus­lands­ver­tre­tun­gen [fällt] eine Ver­ant­wor­tung zu, die sie zu beson­de­rer Sorg­falt bei der Abfas­sung ihrer ein­schlä­gi­gen Berich­te ver­pflich­tet, da die­se (…) für die Exe­ku­ti­ve eine wesent­li­che Ent­schei­dungs­grund­la­ge bil­den.« (Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt, BVer­GE 94, 115). Wer auch immer nach der Regie­rungs­bil­dung das AA lei­tet, wird die­se Ver­ant­wor­tung über­neh­men müssen.

(beb)