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Das Abschiebelager in Ingolstadt. Hier werden Menschen bereits jetzt für die Dauer ihres Aslyverfahrens einkaserniert. Foto: Bayerischer Flüchtlingsrat

Noch bevor das »Hau ab«-Gesetz offiziell in Kraft getreten ist, möchte Bayern die Isolation von Flüchtlingen durch eine neue Lagerpflicht schnellstmöglich umsetzen. Nun gilt es, dafür zu sorgen, dass andere Bundesländer dem nicht folgen.

Das vom Bun­des­tag beschlos­se­ne »Gesetz zur bes­se­ren Durch­set­zung der Aus­rei­se­pflicht« ermäch­tigt die Bun­des­län­der, grund­sätz­lich alle Asyl­su­chen­den zu ver­pflich­ten, bis zum Ende der Asyl­ver­fah­ren in Erst­auf­nah­me­ein­rich­tun­gen woh­nen zu blei­ben. Bis­her gilt das bei einer Unter­brin­gung über sechs Mona­te hin­aus nur für die sog. »siche­ren« Her­kunfts­staa­ten Ser­bi­en, Bos­ni­en, Maze­do­ni­en, Mon­te­ne­gro, Koso­vo, Alba­ni­en, Sene­gal, Ghana.

Doch das scheint der Schwes­ter­par­tei der CDU nicht genug: Jetzt sol­len alle Asyl­be­wer­ber erst ein­mal so lan­ge wie mög­lich fern­ab der Unter­stüt­zungs­struk­tu­ren ein­ka­ser­niert wer­den kön­nen. Das zeigt ein Antrag der CSU zum Gesetz­ent­wurf zur Ände­rung des baye­ri­schen Auf­nah­me­ge­set­zes (Baye­ri­scher Land­tag, Drucks. 17/17214).

»Kurzfristig« contra 2 Jahre

Nach der Begrün­dung zum »Hau ab« – Geset­zes sol­len nur sol­che Schutz­su­chen­den betrof­fen sein, die »ohne Blei­be­per­spek­ti­ve« sind. Die­ser Begriff ist aber in kei­nem Gesetz defi­niert und fin­det sich auch nicht in den neu­en Bun­des- oder Lan­des­re­ge­lun­gen wie­der. Fak­tisch kön­nen so erst ein­mal alle Asyl­be­wer­ber bis zu zwei Jah­ren fest­ge­hal­ten wer­den. Auf die viel­fäl­ti­ge Kri­tik die­ser Rege­lung hin hat die Bun­des­re­gie­rung, die das Gesetz vor­ge­schla­gen hat­te, auf die bestehen­den Ein­schrän­kun­gen im Asyl­ge­setz verwiesen.

Danach heißt es, dass die Betrof­fe­nen aus der Auf­nah­me­ein­rich­tung u.a. zu ent­las­sen sind, wenn das Bun­des­amt »kurz­fris­tig« nicht ent­schei­den kann, ob der Antrag unzu­läs­sig oder offen­sicht­lich unbe­grün­det ist. Auch nach einer Ableh­nung ist der Auf­ent­halt in der Ein­rich­tung zu been­den, wenn eine Abschie­bung »kurz­fris­tig« nicht mög­lich ist. Eine Inter­nie­rung von zwei Jah­ren kann aber in kei­nem Fall als »kurz­fris­tig« ange­se­hen wer­den – das Gesetz wider­spricht sich.

Es gibt kei­ne sozia­len Kon­tak­te, kein Zugang zu Arbeit und Schu­le, kei­ne Berück­sich­ti­gung des Kindeswohls. 

Isolation auf höchstem Niveau

Die Fol­ge: In den Erst­auf­nah­me­ein­rich­tun­gen oder den sog. »Tran­sit­zen­tren«, wie Bay­ern sie gera­de führt, wer­den Flücht­lin­ge voll­kom­men iso­liert. Es gibt kei­ne sozia­len Kon­tak­te, kei­nen Zugang zu Arbeit und Schu­le, kei­ne Berück­sich­ti­gung des Kindeswohls.

Der Kon­takt zu Ehren­amt­li­chen und Unterstützer*innen wird ver­hin­dert, weil in die­sen Zen­tren die Struk­tu­ren nicht so auf­ge­baut sind. Damit ste­hen sie sowohl im Asyl­ver­fah­ren als auch bei dro­hen­der Abschie­bung ohne Hil­fe­stel­lung da. Ohne Kon­tak­te kann kaum eine Beglei­tung bei Anhö­run­gen statt­fin­den, der Zugang zu Rechts­bei­stand wird erheb­lich erschwert. Peti­tio­nen oder die Inan­spruch­nah­me der Här­te­fall­kom­mis­si­on sind so nicht möglich.

Integration wird unmöglich gemacht

Auch wird jeg­li­che Inte­gra­ti­on bis zu zwei Jah­re ver­hin­dert, da bei­spiels­wei­se ein dau­er­haf­tes Arbeits- und Berufs­aus­bil­dungs­ver­bot besteht (§ 61 AsylG). Das ver­stößt sogar gegen EU-Recht, das spä­tes­tens nach neun Mona­ten einen Zugang zum Arbeits­markt vor­sieht (Art. 15 der EU-Auf­nah­me­richt­li­nie). Inte­gra­ti­on wird bis aufs Letz­te unmög­lich gemacht – auch für Asyl­su­chen­de, deren Antrag posi­tiv beschie­den wer­den kann.

Selbst Kin­der wer­den von der »Lager­pflicht« in den Erst­auf­nah­men nicht aus­ge­schlos­sen, was zu beson­ders psy­chi­schen und phy­si­schen Belas­tun­gen führt, einen Schul­zu­gang in man­chen Län­dern unmög­lich macht und somit sowohl gegen euro­pa­recht­li­che Vor­ga­ben als auch gegen die UN-Kin­der­rechts­kon­ven­ti­on ver­stößt. Bis heu­te ist die geson­der­te Unter­brin­gung vul­nerabler Per­so­nen flä­chen­de­ckend nicht gewährleistet.

Bayern macht, was es will

Was nun erst recht­lich ermög­licht wer­den soll, macht Bay­ern fak­tisch schon lan­ge: In sog. »Tran­sit­zen­tren« sind Ein- und Aus­rei­se­la­ger kom­bi­niert. Um gegen die der­zei­ti­ge Beschrän­kung der Wohn­ver­pflich­tung in Erst­auf­nah­me­ein­rich­tun­gen nicht zu ver­sto­ßen, wer­den kur­zer­hand die Ein­rich­tun­gen ver­schie­dent­lich umbe­nannt. So wird auch mal ein Con­tai­ner­la­ger, das zunächst eine Erst­auf­nah­me­ein­rich­tung (»Ankunfts- und Rück­füh­rungs­ein­rich­tung«) war, zur »Gemein­schafts­un­ter­kunft« umeti­ket­tiert. Die neue gesetz­li­che Rege­lung aber wür­de die Vor­ge­hens­wei­se noch vereinfachen.

(beb)