26.06.2017
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Anerkannt und doch schutzlos: Obdachloser Flüchtling in Athen. Foto: Salinia Stroux

Seit Jahren unterstützen unsere Anwältinnen und Menschenrechtler*innen im Auftrag von PRO ASYL Schutzsuchende in Griechenland. Eine umfassende juristische Stellungnahme von PRO ASYL und unserem Projektpartner Refugee Support Aegean (RSA) zeigt, unter welchen erschreckenden Lebensbedingungen anerkannte Flüchtlinge in Griechenland leben müssen.

In der Stel­lung­nah­me kom­men die Expert*innen zum Schluss, dass es für Men­schen, die in Grie­chen­land einen Schutz­sta­tus erteilt bekom­men haben, kei­nen effek­ti­ven Zugang zu Rech­ten, die ihnen zuste­hen, gibt.

Die Lebens­be­din­gun­gen für die­se Flücht­lin­ge sind äußerst pre­kär. Ihnen wer­den kaum Inte­gra­ti­ons­per­spek­ti­ven gebo­ten. Oft sind sie gezwun­gen, in men­schen­un­wür­di­gen Unter­künf­ten unter­zu­kom­men, in denen nicht ein­mal grund­le­gen­de huma­ni­tä­re Stan­dards sicher­ge­stellt sind. Aner­kann­te Flücht­lin­ge sind in Grie­chen­land zudem einer sozia­len Pre­ka­ri­sie­rung aus­ge­setzt, die ihnen oft nicht ein­mal eine Exis­tenz­si­che­rung ermöglicht.

Desolate Behausung

Vie­le aner­kann­te Flücht­lin­ge leben in ver­las­se­nen Häu­sern oder in unter der Hand ver­mie­te­ten und über­füll­ten Woh­nun­gen in schlech­tem Zustand, in ver­las­se­nen Gebäu­de­rui­nen in Athen, auf Bau­stel­len in Thes­sa­lo­ni­ki oder in lee­ren Fabrik­hal­len in Patras. Eini­ge lan­de­ten wegen Zwangs­räu­mung auf der Stra­ße, ande­ren droh­te die Zwangs­räu­mung. Man­che schla­fen auf der Stra­ße oder bei Freun­den. Man­che aner­kann­te Flücht­lin­ge ver­blei­ben noch Mona­te nach ihrer Aner­ken­nung in tem­po­rä­ren Camps oder vom UNHCR gestell­ten Unter­künf­ten oder gar in den soge­nann­ten Hot-Spots, wo sie den glei­chen pre­kä­ren Lebens­be­din­gun­gen aus­ge­setzt sind wie Asylsuchende.

Ohne Job und Perspektive

Aus der Stel­lung­nah­me geht her­vor, dass der Zugang zum Essen, Was­ser, Strom, sani­tä­ren Ein­rich­tun­gen und zu Schutz und Sicher­heit für aner­kann­te Flücht­lin­ge nicht immer gesi­chert ist. Betrof­fe­ne sind in den Win­ter­mo­na­ten der Käl­te oft schutz­los aus­ge­setzt, und in den Som­mer­mo­na­ten der Hit­ze. Vie­le sind auf die Hil­fe ande­rer ange­wie­sen und kön­nen nur so überleben.

Wie die Stel­lung­nah­me zeigt, ist ein Groß­teil der Flücht­lin­ge ohne Arbeit oder sie haben ihren Job ver­lo­ren, ohne Aus­sicht dar­auf, einen neu­en zu bekom­men. Man­che ver­rich­ten Schwarz­ar­beit, bei der sie unter­be­zahlt wer­den und nicht ver­si­chert sind. Die Gefahr, aus­ge­beu­tet zu wer­den, ist groß.

Kaum Zugang zu Informationen

Die meis­ten der betrof­fe­nen Flücht­lin­ge wer­den nur unzu­rei­chend über ihre Rech­te und Ver­pflich­tun­gen infor­miert. In vie­len Fäl­len bleibt ihnen auf­grund von strik­ten Geset­zen und der All­tags­pra­xis der Zugang zu Sozi­al­leis­tun­gen ver­sperrt, eben­so zur Gesund­heits­ver­sor­gung und zum Bildungssystem.

In einem offi­zi­el­len Infor­ma­ti­ons­do­ku­ment der grie­chi­schen Asyl­be­hör­de wer­den aner­kann­te Flücht­lin­ge bei­spiels­wei­se dar­über infor­miert, dass ihnen der Staat weder eine Unter­kunft bie­ten, noch den Zugang zu Sozi­al­leis­tun­gen oder zum Arbeits­markt garan­tie­ren kann.

Fatale Folgen für die Betroffenen

Unter solch pre­kä­ren Lebens­be­din­gun­gen sind aner­kann­te Flücht­lin­ge Über­grif­fen schutz­los aus­ge­lie­fert und lei­den unter Gewalt (beson­ders Gewalt gegen Frau­en und Kin­der), Aus­beu­tung und ras­sis­ti­schen Attacken.

Es man­gelt an jeg­li­chem Inte­gra­ti­ons­kon­zept für aner­kann­te Flücht­lin­ge in Grie­chen­land. Der Zugang zu sozia­len Rech­ten ist unzu­läng­lich, die Lebens­be­din­gun­gen deso­lat. Ein Mini­mum an Exis­tenz­si­che­rung und sozia­ler Sicher­heit sowie Sprach­kennt­nis­se  und sich Zurecht­fin­den im All­tag sind aber Grund­vor­aus­set­zun­gen für jeden wei­te­ren Schritt Rich­tung Inte­gra­ti­on, einen lang­fris­ti­gen Auf­ent­halts­ti­tel oder auch die Staatsbürgerschaft.

Refugee Support Aegean in Griechenland

Um das lang­jäh­ri­ge Enga­ge­ment zu ver­ste­ti­gen und als Reak­ti­on auf die sys­te­ma­ti­sche Ent­rech­tung und Ver­elen­dung von Schutz­su­chen­den in Grie­chen­land durch den EU-Tür­kei-Deal hat PRO ASYL im Febru­ar 2017 mit den lang­jäh­ri­gen Projektpartner*innen »Refu­gee Sup­port Aege­an« (RSA) gegrün­det. Die Mit­ar­bei­ten­den sind auf Chi­os, Les­bos und in Athen aktiv. PRO ASYL hat nun eine Part­ner­or­ga­ni­sa­ti­on in Grie­chen­land, die Flücht­lin­gen im gemein­sa­men Pro­jekt zur Sei­te steht.